Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.
Aber wird man mich fragen, wie soll denn also diese Erscheinung erklärt werden? Wenn nicht die Einbildungskraft der Mutter auf den Foetus würkt, wie kommt es, daß es mit zerbrochenen Gliedern auf die Welt gekommen ist? -- Hierauf antworte ich: nicht zu gedenken der Verwegenheit, eine Erscheinung die so wohl ausserordentlich als ungewiß ist, erklären zu wollen, wie auch des wenigen Nutzens, von ihr als wahr vorausgesetzt, Grund und Ursache angeben zu wollen, da man die Umstände nicht weiß, die darbei konkurrirt haben: so glaube ich doch, daß man auf eine befriedigende Art auf eine Frage antworten kann, von der man keine vollkommene Auflösung verlangen kann.
Aber wird man mich fragen, wie soll denn also diese Erscheinung erklaͤrt werden? Wenn nicht die Einbildungskraft der Mutter auf den Foetus wuͤrkt, wie kommt es, daß es mit zerbrochenen Gliedern auf die Welt gekommen ist? — Hierauf antworte ich: nicht zu gedenken der Verwegenheit, eine Erscheinung die so wohl ausserordentlich als ungewiß ist, erklaͤren zu wollen, wie auch des wenigen Nutzens, von ihr als wahr vorausgesetzt, Grund und Ursache angeben zu wollen, da man die Umstaͤnde nicht weiß, die darbei konkurrirt haben: so glaube ich doch, daß man auf eine befriedigende Art auf eine Frage antworten kann, von der man keine vollkommene Aufloͤsung verlangen kann. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0032" n="30"/><lb/> wird. Aus dieser Bewegung aber was kann da entspringen? gewiß nichts Aehnliches mit der Ursache, denn, ist diese Erschuͤtterung sehr heftig, so kann man wohl begreifen, daß der Foetus einen Stoß bekommen kann, welcher ihn toͤdten, verletzen oder einige seiner Theile, die mehr als die andern sind erschuͤttert worden, ungestaltet machen kann. Allein das sehe ich nicht ein, wie eine solche der Gebaͤhrmutter mitgetheilte Bewegung in dem Foetus etwas Aehnliches mit der Empfindung der Mutter hervorbringen koͤnne, geschweige denn, mit <choice><corr>Harvey</corr><sic>Harrey</sic></choice> zu sagen, daß die Gebaͤhrmutter das Vermoͤgen hat, Jdeen aufzunehmen, und sie auf den Foetus wuͤrken zu lassen. </p> <p>Aber wird man mich fragen, wie soll denn also diese Erscheinung erklaͤrt werden? Wenn nicht die Einbildungskraft der Mutter auf den Foetus wuͤrkt, wie kommt es, daß es mit zerbrochenen Gliedern auf die Welt gekommen ist? — </p> <p>Hierauf antworte ich: nicht zu gedenken der Verwegenheit, eine Erscheinung die so wohl ausserordentlich als ungewiß ist, erklaͤren zu wollen, wie auch des wenigen Nutzens, von ihr als wahr vorausgesetzt, Grund und Ursache angeben zu wollen, da man die Umstaͤnde nicht weiß, die darbei konkurrirt haben: so glaube ich doch, daß man auf eine befriedigende Art auf eine Frage antworten kann, von der man keine vollkommene Aufloͤsung verlangen kann. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [30/0032]
wird. Aus dieser Bewegung aber was kann da entspringen? gewiß nichts Aehnliches mit der Ursache, denn, ist diese Erschuͤtterung sehr heftig, so kann man wohl begreifen, daß der Foetus einen Stoß bekommen kann, welcher ihn toͤdten, verletzen oder einige seiner Theile, die mehr als die andern sind erschuͤttert worden, ungestaltet machen kann. Allein das sehe ich nicht ein, wie eine solche der Gebaͤhrmutter mitgetheilte Bewegung in dem Foetus etwas Aehnliches mit der Empfindung der Mutter hervorbringen koͤnne, geschweige denn, mit Harvey zu sagen, daß die Gebaͤhrmutter das Vermoͤgen hat, Jdeen aufzunehmen, und sie auf den Foetus wuͤrken zu lassen.
Aber wird man mich fragen, wie soll denn also diese Erscheinung erklaͤrt werden? Wenn nicht die Einbildungskraft der Mutter auf den Foetus wuͤrkt, wie kommt es, daß es mit zerbrochenen Gliedern auf die Welt gekommen ist? —
Hierauf antworte ich: nicht zu gedenken der Verwegenheit, eine Erscheinung die so wohl ausserordentlich als ungewiß ist, erklaͤren zu wollen, wie auch des wenigen Nutzens, von ihr als wahr vorausgesetzt, Grund und Ursache angeben zu wollen, da man die Umstaͤnde nicht weiß, die darbei konkurrirt haben: so glaube ich doch, daß man auf eine befriedigende Art auf eine Frage antworten kann, von der man keine vollkommene Aufloͤsung verlangen kann.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/32>, abgerufen am 16.02.2025. |