Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.
Man kann aber nur mit wenig mehr Aufmerksamkeit und weniger Vorurtheil die Farbe dieser Mähler sich öfters verändern sehen, denn dieses ereignet sich jederzeit, bei einem geschwindern Umlaufe des Blutes, welches in der Zeit, wo die Früchte von der Sonnenhitze reifen, statt findet. Die Farbe dieser Mähler ist entweder gelb, roth oder schwarz, weil das Blut, wenn es in allzugroßer Menge in die Gefässe dringt, mit denen die Haut gleichsam durchsäet ist, eine solche Mischung von Farbe hervorbringt. Rühren aber diese Flecken von der sinnlichen Begierde der Mutter her, warum haben sie nicht eben so verschiedene Gestalten und Farben als die Gegenstände selbst, nach denen die Mutter verlangt hat? Welche sonderbare Figuren würde man nicht sehen, wenn die flüchtigen Begierden
Man kann aber nur mit wenig mehr Aufmerksamkeit und weniger Vorurtheil die Farbe dieser Maͤhler sich oͤfters veraͤndern sehen, denn dieses ereignet sich jederzeit, bei einem geschwindern Umlaufe des Blutes, welches in der Zeit, wo die Fruͤchte von der Sonnenhitze reifen, statt findet. Die Farbe dieser Maͤhler ist entweder gelb, roth oder schwarz, weil das Blut, wenn es in allzugroßer Menge in die Gefaͤsse dringt, mit denen die Haut gleichsam durchsaͤet ist, eine solche Mischung von Farbe hervorbringt. Ruͤhren aber diese Flecken von der sinnlichen Begierde der Mutter her, warum haben sie nicht eben so verschiedene Gestalten und Farben als die Gegenstaͤnde selbst, nach denen die Mutter verlangt hat? Welche sonderbare Figuren wuͤrde man nicht sehen, wenn die fluͤchtigen Begierden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0030" n="28"/><lb/> Einbildungskraft der Mutter, als von der Einbildung derer, die es sehen, abhaͤngt. Man hat hierinnen das Wunderbare auf das weiteste getrieben; so daß nicht allein der Foetus wuͤrkliche Abbildungen von den sinnlichen Begierden der Mutter hat an sich tragen sollen, sondern daß man sogar behauptet hat, es veraͤnderten die Maͤhler, welche Fruͤchte, z.B. Erdbeeren, Kirschen, Maulbeeren, die die Mutter zu essen verlanget, vorstellten, in der Jahrszeit, wo die Fruͤchte reif werden, ihre Farbe, und naͤhmen eine dunklere Mischung an. </p> <p>Man kann aber nur mit wenig mehr Aufmerksamkeit und weniger Vorurtheil die Farbe dieser Maͤhler sich oͤfters veraͤndern sehen, denn dieses ereignet sich jederzeit, bei einem geschwindern Umlaufe des Blutes, welches in der Zeit, wo die Fruͤchte von der Sonnenhitze reifen, statt findet. Die Farbe dieser Maͤhler ist entweder gelb, roth oder schwarz, weil das Blut, wenn es in allzugroßer Menge in die Gefaͤsse dringt, mit denen die Haut gleichsam durchsaͤet ist, eine solche Mischung von Farbe hervorbringt.</p> <p>Ruͤhren aber diese Flecken von der sinnlichen Begierde der Mutter her, warum haben sie nicht eben so verschiedene Gestalten und Farben als die Gegenstaͤnde selbst, nach denen die Mutter verlangt hat? Welche sonderbare Figuren wuͤrde man nicht sehen, wenn die fluͤchtigen Begierden<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0030]
Einbildungskraft der Mutter, als von der Einbildung derer, die es sehen, abhaͤngt. Man hat hierinnen das Wunderbare auf das weiteste getrieben; so daß nicht allein der Foetus wuͤrkliche Abbildungen von den sinnlichen Begierden der Mutter hat an sich tragen sollen, sondern daß man sogar behauptet hat, es veraͤnderten die Maͤhler, welche Fruͤchte, z.B. Erdbeeren, Kirschen, Maulbeeren, die die Mutter zu essen verlanget, vorstellten, in der Jahrszeit, wo die Fruͤchte reif werden, ihre Farbe, und naͤhmen eine dunklere Mischung an.
Man kann aber nur mit wenig mehr Aufmerksamkeit und weniger Vorurtheil die Farbe dieser Maͤhler sich oͤfters veraͤndern sehen, denn dieses ereignet sich jederzeit, bei einem geschwindern Umlaufe des Blutes, welches in der Zeit, wo die Fruͤchte von der Sonnenhitze reifen, statt findet. Die Farbe dieser Maͤhler ist entweder gelb, roth oder schwarz, weil das Blut, wenn es in allzugroßer Menge in die Gefaͤsse dringt, mit denen die Haut gleichsam durchsaͤet ist, eine solche Mischung von Farbe hervorbringt.
Ruͤhren aber diese Flecken von der sinnlichen Begierde der Mutter her, warum haben sie nicht eben so verschiedene Gestalten und Farben als die Gegenstaͤnde selbst, nach denen die Mutter verlangt hat? Welche sonderbare Figuren wuͤrde man nicht sehen, wenn die fluͤchtigen Begierden
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/30>, abgerufen am 16.02.2025. |