Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.Unbekannt mit den Geheimnissen der Erzeugung, und den productiven Kräften der Materie sehen wir Keime sich entwickeln, wachsen, zunehmen, und in tausend Häuten in dem innersten der Mutterschooß eingeschlossen, Merkmahle der Aussendinge und ihrer Einwürkungen an sich tragen. -- Aberglaube und Unglaube haben sich vereinigt, dieses Räthsel zu lösen, und jede Modifikation des menschlichen Denkens hat an der Erklärung desselben gearbeitet. Mit geheimer Furcht zitterte der Aberglaube vor dieser Erscheinung als vor Würkung des überirrdischen Einflusses der unruhigen Geister, Dämonen und andern Ungeheuern seiner mystischen Einbildungskraft. Mit spottendem Stolze verachtete sie der Unglaube als blinden Zufall der Materie, und als eine ohne Ursach erfolgte Würkung. Nur neuere Zeiten konnten durch tiefere Nachforschungen und durch ausgebreitetere physische Erfahrungen den Beobachter behutsamer und sicherer machen. Einbildungskraft und unbekannte Würkung dieses Vermögens auf den Embryo scheint nun eines Theils der einen Parthei; nothwendige Folge von dem unendlichen Zusammensetzungsvermögen der Materie der andern Parthei der wahre Grund dieser seltsamen Erscheinung zu seyn. Der grosse philosophische Naturforscher Büffon lacht laut über die abergläubische Verblendung seiner Unbekannt mit den Geheimnissen der Erzeugung, und den productiven Kraͤften der Materie sehen wir Keime sich entwickeln, wachsen, zunehmen, und in tausend Haͤuten in dem innersten der Mutterschooß eingeschlossen, Merkmahle der Aussendinge und ihrer Einwuͤrkungen an sich tragen. — Aberglaube und Unglaube haben sich vereinigt, dieses Raͤthsel zu loͤsen, und jede Modifikation des menschlichen Denkens hat an der Erklaͤrung desselben gearbeitet. Mit geheimer Furcht zitterte der Aberglaube vor dieser Erscheinung als vor Wuͤrkung des uͤberirrdischen Einflusses der unruhigen Geister, Daͤmonen und andern Ungeheuern seiner mystischen Einbildungskraft. Mit spottendem Stolze verachtete sie der Unglaube als blinden Zufall der Materie, und als eine ohne Ursach erfolgte Wuͤrkung. Nur neuere Zeiten konnten durch tiefere Nachforschungen und durch ausgebreitetere physische Erfahrungen den Beobachter behutsamer und sicherer machen. Einbildungskraft und unbekannte Wuͤrkung dieses Vermoͤgens auf den Embryo scheint nun eines Theils der einen Parthei; nothwendige Folge von dem unendlichen Zusammensetzungsvermoͤgen der Materie der andern Parthei der wahre Grund dieser seltsamen Erscheinung zu seyn. Der grosse philosophische Naturforscher Buͤffon lacht laut uͤber die aberglaͤubische Verblendung seiner <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0028" n="26"/><lb/> <p>Unbekannt mit den Geheimnissen der Erzeugung, und den productiven Kraͤften der Materie sehen wir Keime sich entwickeln, wachsen, zunehmen, und in tausend Haͤuten in dem innersten der Mutterschooß eingeschlossen, Merkmahle der Aussendinge und ihrer Einwuͤrkungen an sich tragen. — </p> <p>Aberglaube und Unglaube haben sich vereinigt, dieses Raͤthsel zu loͤsen, und jede Modifikation des menschlichen Denkens hat an der Erklaͤrung desselben gearbeitet. </p> <p>Mit geheimer Furcht zitterte der Aberglaube vor dieser Erscheinung als vor Wuͤrkung des uͤberirrdischen Einflusses der unruhigen Geister, Daͤmonen und andern Ungeheuern seiner mystischen Einbildungskraft. </p> <p>Mit spottendem Stolze verachtete sie der Unglaube als blinden Zufall der Materie, und als eine ohne Ursach erfolgte Wuͤrkung. </p> <p>Nur neuere Zeiten konnten durch tiefere Nachforschungen und durch ausgebreitetere physische Erfahrungen den Beobachter behutsamer und sicherer machen. Einbildungskraft und unbekannte Wuͤrkung dieses Vermoͤgens auf den Embryo scheint nun eines Theils der einen Parthei; nothwendige Folge von dem unendlichen Zusammensetzungsvermoͤgen der Materie der andern Parthei der wahre Grund dieser seltsamen Erscheinung zu seyn. </p> <p>Der grosse philosophische Naturforscher Buͤffon lacht laut uͤber die aberglaͤubische Verblendung seiner<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [26/0028]
Unbekannt mit den Geheimnissen der Erzeugung, und den productiven Kraͤften der Materie sehen wir Keime sich entwickeln, wachsen, zunehmen, und in tausend Haͤuten in dem innersten der Mutterschooß eingeschlossen, Merkmahle der Aussendinge und ihrer Einwuͤrkungen an sich tragen. —
Aberglaube und Unglaube haben sich vereinigt, dieses Raͤthsel zu loͤsen, und jede Modifikation des menschlichen Denkens hat an der Erklaͤrung desselben gearbeitet.
Mit geheimer Furcht zitterte der Aberglaube vor dieser Erscheinung als vor Wuͤrkung des uͤberirrdischen Einflusses der unruhigen Geister, Daͤmonen und andern Ungeheuern seiner mystischen Einbildungskraft.
Mit spottendem Stolze verachtete sie der Unglaube als blinden Zufall der Materie, und als eine ohne Ursach erfolgte Wuͤrkung.
Nur neuere Zeiten konnten durch tiefere Nachforschungen und durch ausgebreitetere physische Erfahrungen den Beobachter behutsamer und sicherer machen. Einbildungskraft und unbekannte Wuͤrkung dieses Vermoͤgens auf den Embryo scheint nun eines Theils der einen Parthei; nothwendige Folge von dem unendlichen Zusammensetzungsvermoͤgen der Materie der andern Parthei der wahre Grund dieser seltsamen Erscheinung zu seyn.
Der grosse philosophische Naturforscher Buͤffon lacht laut uͤber die aberglaͤubische Verblendung seiner
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/28>, abgerufen am 16.02.2025. |