Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.
Seine Ruhe des Geistes hatte ihn gänzlich verlassen, und er ward von einer Unruhe herumgetrieben, die das größte Mitleiden seiner Freunde erweckte, nur daß sie bei einem so ausserordentlichen Falle auf kein Mittel kommen konnten, ihn zu heilen. --g selbst war von einer sehr angenehmen Bildung, er hatte etwas sehr Hohes in Gestalt und im Gange, und so zog er auch des Herrn von ** Aufmerksamkeit auf sich, und es war augenscheinlich, daß er auch etwas Aehnliches für --g empfand. Allein eine gewisse Aengstlichkeit von beiden Seiten ließ es nie zu einer Erklärung kommen, welches vielleicht das Einzige gewesen wäre, diesem für ihn sowohl als für seinen Freund so unangenehmen Zustande abzuhelfen. Merkwürdig dabei war's wohl, daß --g mit einer Art von Wuth über Shakespear's Sonnetten, die er an seinen jungen Freund gerichtet, herfiel, und sie in kurzer Zeit alle auswendig konnte. Er recitirte, so oft er sich allein dünkte, einige davon, und das mit einer Jnnigkeit, begleitet mit einer Gestikulation, die seine Freunde ausser sich brachte. Er versicherte mich einmal, daß keiner so gut wie er die Sonnetten je verstanden habe, und
Seine Ruhe des Geistes hatte ihn gaͤnzlich verlassen, und er ward von einer Unruhe herumgetrieben, die das groͤßte Mitleiden seiner Freunde erweckte, nur daß sie bei einem so ausserordentlichen Falle auf kein Mittel kommen konnten, ihn zu heilen. —g selbst war von einer sehr angenehmen Bildung, er hatte etwas sehr Hohes in Gestalt und im Gange, und so zog er auch des Herrn von ** Aufmerksamkeit auf sich, und es war augenscheinlich, daß er auch etwas Aehnliches fuͤr —g empfand. Allein eine gewisse Aengstlichkeit von beiden Seiten ließ es nie zu einer Erklaͤrung kommen, welches vielleicht das Einzige gewesen waͤre, diesem fuͤr ihn sowohl als fuͤr seinen Freund so unangenehmen Zustande abzuhelfen. Merkwuͤrdig dabei war's wohl, daß —g mit einer Art von Wuth uͤber Shakespear's Sonnetten, die er an seinen jungen Freund gerichtet, herfiel, und sie in kurzer Zeit alle auswendig konnte. Er recitirte, so oft er sich allein duͤnkte, einige davon, und das mit einer Jnnigkeit, begleitet mit einer Gestikulation, die seine Freunde ausser sich brachte. Er versicherte mich einmal, daß keiner so gut wie er die Sonnetten je verstanden habe, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0010" n="8"/><lb/> in einem Wirthshause, wie von ungefaͤhr zusammenzutreffen, und einige Zeit um ihn seyn zu koͤnnen. </p> <p>Seine Ruhe des Geistes hatte ihn gaͤnzlich verlassen, und er ward von einer Unruhe herumgetrieben, die das groͤßte Mitleiden seiner Freunde erweckte, nur daß sie bei einem so ausserordentlichen Falle auf kein Mittel kommen konnten, ihn zu heilen.</p> <p>—g selbst war von einer sehr angenehmen Bildung, er hatte etwas sehr Hohes in Gestalt und im Gange, und so zog er auch des Herrn von ** Aufmerksamkeit auf sich, und es war augenscheinlich, daß er auch etwas Aehnliches fuͤr —g empfand. </p> <p>Allein eine gewisse Aengstlichkeit von beiden Seiten ließ es nie zu einer Erklaͤrung kommen, welches vielleicht das Einzige gewesen waͤre, diesem fuͤr ihn sowohl als fuͤr seinen Freund so unangenehmen Zustande abzuhelfen. </p> <p>Merkwuͤrdig dabei war's wohl, daß —g mit einer Art von Wuth uͤber Shakespear's Sonnetten, die er an seinen jungen Freund gerichtet, herfiel, und sie in kurzer Zeit alle auswendig konnte. Er recitirte, so oft er sich allein duͤnkte, einige davon, und das mit einer Jnnigkeit, begleitet mit einer Gestikulation, die seine Freunde ausser sich brachte.</p> <p>Er versicherte mich einmal, daß keiner so gut wie er die Sonnetten je verstanden habe, und<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0010]
in einem Wirthshause, wie von ungefaͤhr zusammenzutreffen, und einige Zeit um ihn seyn zu koͤnnen.
Seine Ruhe des Geistes hatte ihn gaͤnzlich verlassen, und er ward von einer Unruhe herumgetrieben, die das groͤßte Mitleiden seiner Freunde erweckte, nur daß sie bei einem so ausserordentlichen Falle auf kein Mittel kommen konnten, ihn zu heilen.
—g selbst war von einer sehr angenehmen Bildung, er hatte etwas sehr Hohes in Gestalt und im Gange, und so zog er auch des Herrn von ** Aufmerksamkeit auf sich, und es war augenscheinlich, daß er auch etwas Aehnliches fuͤr —g empfand.
Allein eine gewisse Aengstlichkeit von beiden Seiten ließ es nie zu einer Erklaͤrung kommen, welches vielleicht das Einzige gewesen waͤre, diesem fuͤr ihn sowohl als fuͤr seinen Freund so unangenehmen Zustande abzuhelfen.
Merkwuͤrdig dabei war's wohl, daß —g mit einer Art von Wuth uͤber Shakespear's Sonnetten, die er an seinen jungen Freund gerichtet, herfiel, und sie in kurzer Zeit alle auswendig konnte. Er recitirte, so oft er sich allein duͤnkte, einige davon, und das mit einer Jnnigkeit, begleitet mit einer Gestikulation, die seine Freunde ausser sich brachte.
Er versicherte mich einmal, daß keiner so gut wie er die Sonnetten je verstanden habe, und
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/10>, abgerufen am 16.02.2025. |