Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0095" n="95"/><lb/> als sein weit lebhafterer Bruder. Seine Stellung ist verschieden, nachdem er entweder allein oder in Gesellschaft ist, und je nachdem die Personen sind, mit denen er spricht, denn alsdann aͤußern sich beinahe alle seine Leidenschaften, bald Ehrgeiz, bald Befehlshaberei, bald bittendes Schmeicheln darin. Jst er aber allein, so hat sie gewoͤhnlich etwas phlegmatisches. — Seine Mienen und Gesichtszuͤge verrathen schon viel Urtheilskraft, sind aber <choice><corr>auch</corr><sic>uuch</sic></choice> die getreuen Ausleger seiner Leidenschaften, denn er hat sie nicht so in seiner Gewalt, daß er sie sonderlich verstellen koͤnnte. — Jn seinem aͤußerlichen Betragen ist er zwar etwas schuͤchtern und leutescheu, hat aber doch viel Einnehmendes, weil ihn, besonders bei alten Personen, seine Gesetztheit und Ernsthaftigkeit empfiehlt. Besonders haͤlt er viel von Ordnung, wozu er von Jugend auf gewoͤhnt worden ist, daher er auch ein großes Geschrei daruͤber erheben kann, wenn ihm jemand sein Spielwerk oder Buͤcher etc. außer Ordnung gebracht hat. — Sein Koͤrperbau und Nervensystem ist seiner Seele angemessen, etwas empfindlich, dabei aber doch fest und gesund. — Die Faͤhigkeiten und Anlagen seiner Seele sind vorzuͤglich. Er hat ein außerordentlich gutes Gedaͤchtniß, das zwar nicht allzuschnell faßt, aber das gefaßte unausloͤschlich behaͤlt. Wann ich ihm kleine oder große Geschichten erzaͤhle, die fuͤr ihn unterhaltend sind, so weiß er sie noch einige Tage nachher seinem Vater nach Sach' und<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0095]
als sein weit lebhafterer Bruder. Seine Stellung ist verschieden, nachdem er entweder allein oder in Gesellschaft ist, und je nachdem die Personen sind, mit denen er spricht, denn alsdann aͤußern sich beinahe alle seine Leidenschaften, bald Ehrgeiz, bald Befehlshaberei, bald bittendes Schmeicheln darin. Jst er aber allein, so hat sie gewoͤhnlich etwas phlegmatisches. — Seine Mienen und Gesichtszuͤge verrathen schon viel Urtheilskraft, sind aber auch die getreuen Ausleger seiner Leidenschaften, denn er hat sie nicht so in seiner Gewalt, daß er sie sonderlich verstellen koͤnnte. — Jn seinem aͤußerlichen Betragen ist er zwar etwas schuͤchtern und leutescheu, hat aber doch viel Einnehmendes, weil ihn, besonders bei alten Personen, seine Gesetztheit und Ernsthaftigkeit empfiehlt. Besonders haͤlt er viel von Ordnung, wozu er von Jugend auf gewoͤhnt worden ist, daher er auch ein großes Geschrei daruͤber erheben kann, wenn ihm jemand sein Spielwerk oder Buͤcher etc. außer Ordnung gebracht hat. — Sein Koͤrperbau und Nervensystem ist seiner Seele angemessen, etwas empfindlich, dabei aber doch fest und gesund. — Die Faͤhigkeiten und Anlagen seiner Seele sind vorzuͤglich. Er hat ein außerordentlich gutes Gedaͤchtniß, das zwar nicht allzuschnell faßt, aber das gefaßte unausloͤschlich behaͤlt. Wann ich ihm kleine oder große Geschichten erzaͤhle, die fuͤr ihn unterhaltend sind, so weiß er sie noch einige Tage nachher seinem Vater nach Sach' und
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
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