Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.
Gott ist Liebe, und die Liebe ist Gott, und alles in Gott und um Gottes willen. Man sollte eher das Licht aus der Finsterniß ziehen können, als etwas aus diesem Nichts: es ist ein Chaos, jedoch ohne Verwirrung und Unordnung. Alle Gestalten sind außer dem Nichts, und das Nichts nimmt keine Gestalt an. Die Gedanken gehen uns vorbei, nichts hält sie auf. Jch kann nichts mit vielem Vorbedacht vorbringen. Was ich gesagt oder geschrieben habe, das ist vorbei, ich kann mich es nicht mehr erinnern: es ist mir eben, als ob es für jemand anders wäre. Jch kann weder Rechtfertigung noch Hochachtung wollen. Wenn aber Gott das eine oder das andere haben will, so wird er thun, was er will, es liegt mir nichts daran. Er mag sich verherrlichen durch meinen Untergang, oder durch Herstellung meiner Ehre und guten Namens, eines ist wie das andere in gleichem Gewicht. Meine lieben Kinder, ich will euch nicht betrügen, und will auch nicht, daß ihr von mir nicht sollet betrogen werden: Gott muß es thun und euch erleuchten, und euch entweder eine Abkehr oder Neigung zu diesem Nichts geben, welches nicht von seiner Stelle weichet.
Gott ist Liebe, und die Liebe ist Gott, und alles in Gott und um Gottes willen. Man sollte eher das Licht aus der Finsterniß ziehen koͤnnen, als etwas aus diesem Nichts: es ist ein Chaos, jedoch ohne Verwirrung und Unordnung. Alle Gestalten sind außer dem Nichts, und das Nichts nimmt keine Gestalt an. Die Gedanken gehen uns vorbei, nichts haͤlt sie auf. Jch kann nichts mit vielem Vorbedacht vorbringen. Was ich gesagt oder geschrieben habe, das ist vorbei, ich kann mich es nicht mehr erinnern: es ist mir eben, als ob es fuͤr jemand anders waͤre. Jch kann weder Rechtfertigung noch Hochachtung wollen. Wenn aber Gott das eine oder das andere haben will, so wird er thun, was er will, es liegt mir nichts daran. Er mag sich verherrlichen durch meinen Untergang, oder durch Herstellung meiner Ehre und guten Namens, eines ist wie das andere in gleichem Gewicht. Meine lieben Kinder, ich will euch nicht betruͤgen, und will auch nicht, daß ihr von mir nicht sollet betrogen werden: Gott muß es thun und euch erleuchten, und euch entweder eine Abkehr oder Neigung zu diesem Nichts geben, welches nicht von seiner Stelle weichet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0089" n="89"/><lb/> arm, und mangelt mir doch nichts. Jch fuͤhle nicht, daß ich das geringste bedarf. Der Tod, das Leben, alles ist mir gleich: die Ewigkeit, die Zeit; alles ist Ewigkeit, alles ist Gott.</p> <p>Gott ist Liebe, und die Liebe ist Gott, und alles in Gott und um Gottes willen. Man sollte eher das Licht aus der Finsterniß ziehen koͤnnen, als etwas aus diesem Nichts: es ist ein Chaos, jedoch ohne Verwirrung und Unordnung. Alle Gestalten sind außer dem Nichts, und das Nichts nimmt keine Gestalt an.</p> <p>Die Gedanken gehen uns vorbei, nichts haͤlt sie auf. Jch kann nichts mit vielem Vorbedacht vorbringen. Was ich gesagt oder geschrieben habe, das ist vorbei, ich kann mich es nicht mehr erinnern: es ist mir eben, als ob es fuͤr jemand anders waͤre.</p> <p>Jch kann weder Rechtfertigung noch Hochachtung wollen. Wenn aber Gott das eine oder das andere haben will, so wird er thun, was er will, es liegt mir nichts daran. Er mag sich verherrlichen durch meinen Untergang, oder durch Herstellung meiner Ehre und guten Namens, eines ist wie das andere in gleichem Gewicht.</p> <p>Meine lieben Kinder, ich will euch nicht betruͤgen, und will auch nicht, daß ihr von mir nicht sollet betrogen werden: Gott muß es thun und euch erleuchten, und euch entweder eine Abkehr oder Neigung zu diesem Nichts geben, welches nicht von seiner Stelle weichet.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0089]
arm, und mangelt mir doch nichts. Jch fuͤhle nicht, daß ich das geringste bedarf. Der Tod, das Leben, alles ist mir gleich: die Ewigkeit, die Zeit; alles ist Ewigkeit, alles ist Gott.
Gott ist Liebe, und die Liebe ist Gott, und alles in Gott und um Gottes willen. Man sollte eher das Licht aus der Finsterniß ziehen koͤnnen, als etwas aus diesem Nichts: es ist ein Chaos, jedoch ohne Verwirrung und Unordnung. Alle Gestalten sind außer dem Nichts, und das Nichts nimmt keine Gestalt an.
Die Gedanken gehen uns vorbei, nichts haͤlt sie auf. Jch kann nichts mit vielem Vorbedacht vorbringen. Was ich gesagt oder geschrieben habe, das ist vorbei, ich kann mich es nicht mehr erinnern: es ist mir eben, als ob es fuͤr jemand anders waͤre.
Jch kann weder Rechtfertigung noch Hochachtung wollen. Wenn aber Gott das eine oder das andere haben will, so wird er thun, was er will, es liegt mir nichts daran. Er mag sich verherrlichen durch meinen Untergang, oder durch Herstellung meiner Ehre und guten Namens, eines ist wie das andere in gleichem Gewicht.
Meine lieben Kinder, ich will euch nicht betruͤgen, und will auch nicht, daß ihr von mir nicht sollet betrogen werden: Gott muß es thun und euch erleuchten, und euch entweder eine Abkehr oder Neigung zu diesem Nichts geben, welches nicht von seiner Stelle weichet.
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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