Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.Konfessionen der Madame J. M. B. de la Mothe Guion. aus ihrem Leben, welches von ihr selbst beschrieben ist. *) Wie mein Leben jederzeit dem Creuze gewidmet gewesen ist, so war ich kaum wieder aus dem Gefängniß loß, und der Geist fieng kaum an sich wieder zu erholen nach so vielen Widerwärtigkeiten, da fand sich der Leib von allerlei Schwachheiten und Unpäßlichkeiten überhäuft, und ich hatte fast immerwährende Krankheiten, wobei ich oft dem Tode sehr nahe kam. Jn diesen letzten Zeiten kann ich nur sehr wenig oder nichts von meiner innerlichen Gemüthsbeschaffenheit sprechen, weil mein Stand einfältig und unveränderlich worden ist. Der Grund dieses Standes ist eine tiefe Vernichtigung, also daß ich nichts in mir finden kann, dem ich einigen Namen geben könnte. *) Dies ist das letzte Kapitel aus ihrer Lebensbeschreibung, und schildert einen Zustand der Seele, welcher, in so fern er Täuschung war, auch als Täuschung gewiß näher betrachtet zu werden verdient.
Konfessionen der Madame J. M. B. de la Mothe Guion. aus ihrem Leben, welches von ihr selbst beschrieben ist. *) Wie mein Leben jederzeit dem Creuze gewidmet gewesen ist, so war ich kaum wieder aus dem Gefaͤngniß loß, und der Geist fieng kaum an sich wieder zu erholen nach so vielen Widerwaͤrtigkeiten, da fand sich der Leib von allerlei Schwachheiten und Unpaͤßlichkeiten uͤberhaͤuft, und ich hatte fast immerwaͤhrende Krankheiten, wobei ich oft dem Tode sehr nahe kam. Jn diesen letzten Zeiten kann ich nur sehr wenig oder nichts von meiner innerlichen Gemuͤthsbeschaffenheit sprechen, weil mein Stand einfaͤltig und unveraͤnderlich worden ist. Der Grund dieses Standes ist eine tiefe Vernichtigung, also daß ich nichts in mir finden kann, dem ich einigen Namen geben koͤnnte. *) Dies ist das letzte Kapitel aus ihrer Lebensbeschreibung, und schildert einen Zustand der Seele, welcher, in so fern er Taͤuschung war, auch als Taͤuschung gewiß naͤher betrachtet zu werden verdient.
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Konfessionen der Madame J. M. B. de la Mothe Guion.
aus ihrem Leben, welches von ihr selbst beschrieben ist.
*) Wie mein Leben jederzeit dem Creuze gewidmet gewesen ist, so war ich kaum wieder aus dem Gefaͤngniß loß, und der Geist fieng kaum an sich wieder zu erholen nach so vielen Widerwaͤrtigkeiten, da fand sich der Leib von allerlei Schwachheiten und Unpaͤßlichkeiten uͤberhaͤuft, und ich hatte fast immerwaͤhrende Krankheiten, wobei ich oft dem Tode sehr nahe kam.
Jn diesen letzten Zeiten kann ich nur sehr wenig oder nichts von meiner innerlichen Gemuͤthsbeschaffenheit sprechen, weil mein Stand einfaͤltig und unveraͤnderlich worden ist.
Der Grund dieses Standes ist eine tiefe Vernichtigung, also daß ich nichts in mir finden kann, dem ich einigen Namen geben koͤnnte.
*) Dies ist das letzte Kapitel aus ihrer Lebensbeschreibung, und schildert einen Zustand der Seele, welcher, in so fern er Taͤuschung war, auch als Taͤuschung gewiß naͤher betrachtet zu werden verdient.
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