Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.Freitag den 10. August. Wo ist meine Kraft? -- Stunden, Tage und Wochen verfließen ungenutzt, die mir jetzt über alles kostbar seyn sollten. -- Jn der Lage, worin ich jetzt bin, gieng das an, aber wird es auch in der angehen, worin ich komme? -- Ach, was wird dann aus mir werden, wenn diese Trägheit wiederkehren sollte, die mich oft ganze Tage hindurch zu jedem Geschäft so unfähig macht? Aber Muth gefaßt! Nun muß es doch zu einem Ziele kommen -- stelle dir doch immer vor, wie du vielleicht künftig wieder von dem denken wirst, was dir jetzt so reizend zu seyn scheinet, und was dir doch schon so unerträglich geschienen hat. Denke, daß diese letzten Vorstellungen wiederkehren können, und daß es dich vielleicht gereuen wird, das nicht gethan zu haben, was du jetzt thun willst, und wieder nicht willst. -- Die Stunden eilen hin -- ergreife die gegenwärtige -- eh du noch den Muth dazu verlierst! Abends. Wenn wird es ruhig werden in meiner Seele? -- Ach wenn die kühle Gruft mich deckt. -- Jch fühle es lebhaft und immer lebhafter. -- Jch wäre fähig, meine eigne Existenz um die Existenz in andern wegzugeben -- und was ist das? -- Freitag den 10. August. Wo ist meine Kraft? — Stunden, Tage und Wochen verfließen ungenutzt, die mir jetzt uͤber alles kostbar seyn sollten. — Jn der Lage, worin ich jetzt bin, gieng das an, aber wird es auch in der angehen, worin ich komme? — Ach, was wird dann aus mir werden, wenn diese Traͤgheit wiederkehren sollte, die mich oft ganze Tage hindurch zu jedem Geschaͤft so unfaͤhig macht? Aber Muth gefaßt! Nun muß es doch zu einem Ziele kommen — stelle dir doch immer vor, wie du vielleicht kuͤnftig wieder von dem denken wirst, was dir jetzt so reizend zu seyn scheinet, und was dir doch schon so unertraͤglich geschienen hat. Denke, daß diese letzten Vorstellungen wiederkehren koͤnnen, und daß es dich vielleicht gereuen wird, das nicht gethan zu haben, was du jetzt thun willst, und wieder nicht willst. — Die Stunden eilen hin — ergreife die gegenwaͤrtige — eh du noch den Muth dazu verlierst! Abends. Wenn wird es ruhig werden in meiner Seele? — Ach wenn die kuͤhle Gruft mich deckt. — Jch fuͤhle es lebhaft und immer lebhafter. — Jch waͤre faͤhig, meine eigne Existenz um die Existenz in andern wegzugeben — und was ist das? — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0041" n="41"/><lb/> <div n="4"> <opener> <dateline> <hi rendition="#c">Freitag den 10. August. </hi> </dateline> </opener> <p>Wo ist meine Kraft? — Stunden, Tage und Wochen verfließen ungenutzt, die mir jetzt uͤber alles kostbar seyn sollten. —</p> <p>Jn der Lage, worin ich jetzt bin, gieng das an, aber wird es auch in der angehen, worin ich komme? — Ach, was wird dann aus mir werden, wenn diese Traͤgheit wiederkehren sollte, die mich oft ganze Tage hindurch zu jedem Geschaͤft so unfaͤhig macht?</p> <p>Aber Muth gefaßt! Nun muß es doch zu einem Ziele kommen — stelle dir doch immer vor, wie du vielleicht kuͤnftig wieder von dem denken wirst, was dir jetzt so reizend zu seyn scheinet, und was dir doch schon so unertraͤglich geschienen hat.</p> <p>Denke, daß diese letzten Vorstellungen wiederkehren koͤnnen, und daß es dich vielleicht gereuen wird, das nicht gethan zu haben, was du jetzt thun willst, und wieder nicht willst. — </p> <p>Die Stunden eilen hin — ergreife die gegenwaͤrtige — eh du noch den Muth dazu verlierst! </p> </div> <div n="4"> <opener> <dateline> <hi rendition="#c">Abends. </hi> </dateline> </opener> <p>Wenn wird es ruhig werden in meiner Seele? — Ach wenn die kuͤhle Gruft mich deckt. — </p> <p>Jch fuͤhle es lebhaft und immer lebhafter. — </p> <p>Jch waͤre faͤhig, meine eigne Existenz um die Existenz in andern wegzugeben — und was ist das? — </p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [41/0041]
Freitag den 10. August. Wo ist meine Kraft? — Stunden, Tage und Wochen verfließen ungenutzt, die mir jetzt uͤber alles kostbar seyn sollten. —
Jn der Lage, worin ich jetzt bin, gieng das an, aber wird es auch in der angehen, worin ich komme? — Ach, was wird dann aus mir werden, wenn diese Traͤgheit wiederkehren sollte, die mich oft ganze Tage hindurch zu jedem Geschaͤft so unfaͤhig macht?
Aber Muth gefaßt! Nun muß es doch zu einem Ziele kommen — stelle dir doch immer vor, wie du vielleicht kuͤnftig wieder von dem denken wirst, was dir jetzt so reizend zu seyn scheinet, und was dir doch schon so unertraͤglich geschienen hat.
Denke, daß diese letzten Vorstellungen wiederkehren koͤnnen, und daß es dich vielleicht gereuen wird, das nicht gethan zu haben, was du jetzt thun willst, und wieder nicht willst. —
Die Stunden eilen hin — ergreife die gegenwaͤrtige — eh du noch den Muth dazu verlierst!
Abends. Wenn wird es ruhig werden in meiner Seele? — Ach wenn die kuͤhle Gruft mich deckt. —
Jch fuͤhle es lebhaft und immer lebhafter. —
Jch waͤre faͤhig, meine eigne Existenz um die Existenz in andern wegzugeben — und was ist das? —
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