Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.Jch wanke jetzt zwischen Ehrbegierde und Glückseligkeit. Bei der ersten kann, bei mir, die letztre, und bei der letztern die erstre nicht bestehen -- welche werd' ich aufopfern? -- Wenn ich denke, ich will diesen quälenden Durst nach Ruhm, durch vernünftige Ueberlegung in meiner Seel' ersticken, so fürchte ich mich sogar, diese Ueberlegungen anzustellen, weil ich jenen Trieb, ohngeachtet des Kummers, den er mir verursacht, nicht gern verlieren will. Also befreit seyn wollen kann ich nicht einmal davon -- o Freiheit, was bist du? Sonntag den 22. Julius. Manchmal ist es mir, als wenn ich noch so viel Muth hätte, etwas Großes zu unternehmen, und allen Hindernissen und Gefahren Trotz zu bieten. -- Dann giebt es wieder Zeitpunkte, wo ich mir weiter nichts wünsche, als ruhig in meinem Gleise fortwandeln zu können, und mich weder zur Rechten noch zur Linken umzusehen -- wo alle mein Muth erloschen ist, daß auch kein Fünkchen mehr davon übrig zu seyn scheint -- wenn ich mich dann niederlege, so kann ich eine so außerordentliche Wonne, kurz vor dem Einschlafen, empfinden, daß ich mir in dem Augenblick gar kein höheres Glück wünsche. -- So war es mir heute Morgen, wo mir alles -- alles zuwider, und der Schlaf meine Jch wanke jetzt zwischen Ehrbegierde und Gluͤckseligkeit. Bei der ersten kann, bei mir, die letztre, und bei der letztern die erstre nicht bestehen — welche werd' ich aufopfern? — Wenn ich denke, ich will diesen quaͤlenden Durst nach Ruhm, durch vernuͤnftige Ueberlegung in meiner Seel' ersticken, so fuͤrchte ich mich sogar, diese Ueberlegungen anzustellen, weil ich jenen Trieb, ohngeachtet des Kummers, den er mir verursacht, nicht gern verlieren will. Also befreit seyn wollen kann ich nicht einmal davon — o Freiheit, was bist du? Sonntag den 22. Julius. Manchmal ist es mir, als wenn ich noch so viel Muth haͤtte, etwas Großes zu unternehmen, und allen Hindernissen und Gefahren Trotz zu bieten. — Dann giebt es wieder Zeitpunkte, wo ich mir weiter nichts wuͤnsche, als ruhig in meinem Gleise fortwandeln zu koͤnnen, und mich weder zur Rechten noch zur Linken umzusehen — wo alle mein Muth erloschen ist, daß auch kein Fuͤnkchen mehr davon uͤbrig zu seyn scheint — wenn ich mich dann niederlege, so kann ich eine so außerordentliche Wonne, kurz vor dem Einschlafen, empfinden, daß ich mir in dem Augenblick gar kein hoͤheres Gluͤck wuͤnsche. — So war es mir heute Morgen, wo mir alles — alles zuwider, und der Schlaf meine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0037" n="37"/><lb/> <p>Jch wanke jetzt zwischen Ehrbegierde und Gluͤckseligkeit. Bei der ersten kann, bei mir, die letztre, und bei der letztern die erstre nicht bestehen — welche werd' ich aufopfern? —</p> <p>Wenn ich denke, ich will diesen quaͤlenden Durst nach Ruhm, durch vernuͤnftige Ueberlegung in meiner Seel' ersticken, so fuͤrchte ich mich sogar, diese Ueberlegungen anzustellen, weil ich jenen Trieb, ohngeachtet des Kummers, den er mir verursacht, nicht gern verlieren will.</p> <p>Also befreit seyn wollen kann ich nicht einmal davon — o Freiheit, was bist du?</p> </div> <div n="4"> <opener> <dateline> <hi rendition="#c">Sonntag den 22. Julius. </hi> </dateline> </opener> <p>Manchmal ist es mir, als wenn ich noch so viel Muth haͤtte, etwas Großes zu unternehmen, und allen Hindernissen und Gefahren Trotz zu bieten. —</p> <p>Dann giebt es wieder Zeitpunkte, wo ich mir weiter nichts wuͤnsche, als ruhig in meinem Gleise fortwandeln zu koͤnnen, und mich weder zur Rechten noch zur Linken umzusehen — wo alle mein Muth erloschen ist, daß auch kein Fuͤnkchen mehr davon uͤbrig zu seyn scheint — wenn ich mich dann niederlege, so kann ich eine so außerordentliche Wonne, kurz vor dem Einschlafen, empfinden, daß ich mir in dem Augenblick gar kein hoͤheres Gluͤck wuͤnsche. —</p> <p>So war es mir heute Morgen, wo mir alles — alles zuwider, und der Schlaf meine<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [37/0037]
Jch wanke jetzt zwischen Ehrbegierde und Gluͤckseligkeit. Bei der ersten kann, bei mir, die letztre, und bei der letztern die erstre nicht bestehen — welche werd' ich aufopfern? —
Wenn ich denke, ich will diesen quaͤlenden Durst nach Ruhm, durch vernuͤnftige Ueberlegung in meiner Seel' ersticken, so fuͤrchte ich mich sogar, diese Ueberlegungen anzustellen, weil ich jenen Trieb, ohngeachtet des Kummers, den er mir verursacht, nicht gern verlieren will.
Also befreit seyn wollen kann ich nicht einmal davon — o Freiheit, was bist du?
Sonntag den 22. Julius. Manchmal ist es mir, als wenn ich noch so viel Muth haͤtte, etwas Großes zu unternehmen, und allen Hindernissen und Gefahren Trotz zu bieten. —
Dann giebt es wieder Zeitpunkte, wo ich mir weiter nichts wuͤnsche, als ruhig in meinem Gleise fortwandeln zu koͤnnen, und mich weder zur Rechten noch zur Linken umzusehen — wo alle mein Muth erloschen ist, daß auch kein Fuͤnkchen mehr davon uͤbrig zu seyn scheint — wenn ich mich dann niederlege, so kann ich eine so außerordentliche Wonne, kurz vor dem Einschlafen, empfinden, daß ich mir in dem Augenblick gar kein hoͤheres Gluͤck wuͤnsche. —
So war es mir heute Morgen, wo mir alles — alles zuwider, und der Schlaf meine
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