Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.
Alle diese Umstände waren so außerordentlich, daß man lange Zeit zweifelte, ob sie nicht schwache Ueberbleibsel des Gesichts und Gehörs hätte, weshalb man einige Proben mit ihr anstellete. Einige solcher Proben entdeckte sie von ohngefähr, und dieses erregte ihr allezeit heftige Convulsionen. Der Gedanke, daß man ihr eine so boshafte Verstellung Schuld gäbe, war ihrem Gemüthe eine unerträgliche Qual. Ein Geistlicher fand sie einen Abend an einem Tische arbeiten, auf welchem ein Licht stand. Er hielt seinen Hut zwischen ihr Auge und das Licht so, daß dieses ihr nicht den geringsten Schein geben konnte. Sie setzte ihre Arbeit ganz gelassen fort, bis sie plötzlich ihre Hand in die Höhe hob, ihre Stirn zu reiben und an den Hut stieß, worauf sie gewaltige Convulsionen bekam, und mit großer Mühe zurecht gebracht ward. Durch solche Versuche, und verschiedene zufällige Umstände ward die Familie völlig versichert, daß sie gänzlich taub und blind wäre; besonders als sie einstens bei einem schrecklichen Sturme mit Donner und Blitzen ungestöhrt bei ihrer Arbeit sitzen blieb, ob sie gleich das Gesicht gegen das Fenster gekehrt hatte, und sonst bei solchen Vorfällen sehr erschrocken war. Sir Hans Sloane, ihr Arzt, zweifelte immer noch an Begebenheiten, die so wunderbar schienen, und man verstattete ihm, sich davon durch solche
Alle diese Umstaͤnde waren so außerordentlich, daß man lange Zeit zweifelte, ob sie nicht schwache Ueberbleibsel des Gesichts und Gehoͤrs haͤtte, weshalb man einige Proben mit ihr anstellete. Einige solcher Proben entdeckte sie von ohngefaͤhr, und dieses erregte ihr allezeit heftige Convulsionen. Der Gedanke, daß man ihr eine so boshafte Verstellung Schuld gaͤbe, war ihrem Gemuͤthe eine unertraͤgliche Qual. Ein Geistlicher fand sie einen Abend an einem Tische arbeiten, auf welchem ein Licht stand. Er hielt seinen Hut zwischen ihr Auge und das Licht so, daß dieses ihr nicht den geringsten Schein geben konnte. Sie setzte ihre Arbeit ganz gelassen fort, bis sie ploͤtzlich ihre Hand in die Hoͤhe hob, ihre Stirn zu reiben und an den Hut stieß, worauf sie gewaltige Convulsionen bekam, und mit großer Muͤhe zurecht gebracht ward. Durch solche Versuche, und verschiedene zufaͤllige Umstaͤnde ward die Familie voͤllig versichert, daß sie gaͤnzlich taub und blind waͤre; besonders als sie einstens bei einem schrecklichen Sturme mit Donner und Blitzen ungestoͤhrt bei ihrer Arbeit sitzen blieb, ob sie gleich das Gesicht gegen das Fenster gekehrt hatte, und sonst bei solchen Vorfaͤllen sehr erschrocken war. Sir Hans Sloane, ihr Arzt, zweifelte immer noch an Begebenheiten, die so wunderbar schienen, und man verstattete ihm, sich davon durch solche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0090" n="90"/><lb/> zu schreiben, wenn ihre Schmerzen, oder andere Umstaͤnde sie nicht schlafen ließen.</p> <p>Alle diese Umstaͤnde waren so außerordentlich, daß man lange Zeit zweifelte, ob sie nicht schwache Ueberbleibsel des Gesichts und Gehoͤrs haͤtte, weshalb man einige Proben mit ihr anstellete. Einige solcher Proben entdeckte sie von ohngefaͤhr, und dieses erregte ihr allezeit heftige Convulsionen. Der Gedanke, daß man ihr eine so boshafte Verstellung Schuld gaͤbe, war ihrem Gemuͤthe eine unertraͤgliche Qual. Ein Geistlicher fand sie einen Abend an einem Tische arbeiten, auf welchem ein Licht stand. Er hielt seinen Hut zwischen ihr Auge und das Licht so, daß dieses ihr nicht den geringsten Schein geben konnte. Sie setzte ihre Arbeit ganz gelassen fort, bis sie ploͤtzlich ihre Hand in die Hoͤhe hob, ihre Stirn zu reiben und an den Hut stieß, worauf sie gewaltige Convulsionen bekam, und mit großer Muͤhe zurecht gebracht ward. Durch solche Versuche, und verschiedene zufaͤllige Umstaͤnde ward die Familie voͤllig versichert, daß sie gaͤnzlich taub und blind waͤre; besonders als sie einstens bei einem schrecklichen Sturme mit Donner und Blitzen ungestoͤhrt bei ihrer Arbeit sitzen blieb, ob sie gleich das Gesicht gegen das Fenster gekehrt hatte, und sonst bei solchen Vorfaͤllen sehr erschrocken war. Sir <hi rendition="#b">Hans Sloane,</hi> ihr Arzt, zweifelte immer noch an Begebenheiten, die so wunderbar schienen, und man verstattete ihm, sich davon durch solche<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [90/0090]
zu schreiben, wenn ihre Schmerzen, oder andere Umstaͤnde sie nicht schlafen ließen.
Alle diese Umstaͤnde waren so außerordentlich, daß man lange Zeit zweifelte, ob sie nicht schwache Ueberbleibsel des Gesichts und Gehoͤrs haͤtte, weshalb man einige Proben mit ihr anstellete. Einige solcher Proben entdeckte sie von ohngefaͤhr, und dieses erregte ihr allezeit heftige Convulsionen. Der Gedanke, daß man ihr eine so boshafte Verstellung Schuld gaͤbe, war ihrem Gemuͤthe eine unertraͤgliche Qual. Ein Geistlicher fand sie einen Abend an einem Tische arbeiten, auf welchem ein Licht stand. Er hielt seinen Hut zwischen ihr Auge und das Licht so, daß dieses ihr nicht den geringsten Schein geben konnte. Sie setzte ihre Arbeit ganz gelassen fort, bis sie ploͤtzlich ihre Hand in die Hoͤhe hob, ihre Stirn zu reiben und an den Hut stieß, worauf sie gewaltige Convulsionen bekam, und mit großer Muͤhe zurecht gebracht ward. Durch solche Versuche, und verschiedene zufaͤllige Umstaͤnde ward die Familie voͤllig versichert, daß sie gaͤnzlich taub und blind waͤre; besonders als sie einstens bei einem schrecklichen Sturme mit Donner und Blitzen ungestoͤhrt bei ihrer Arbeit sitzen blieb, ob sie gleich das Gesicht gegen das Fenster gekehrt hatte, und sonst bei solchen Vorfaͤllen sehr erschrocken war. Sir Hans Sloane, ihr Arzt, zweifelte immer noch an Begebenheiten, die so wunderbar schienen, und man verstattete ihm, sich davon durch solche
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