Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0049" n="49"/><lb/> Kompagnons Schnell, dessen Execution er aus einem nahen Gebuͤsche umstaͤndlich angesehen, nicht habe anders Sinnes machen koͤnnen; habe auch ohne sonderliche Empfindung als schwebe er nicht in gleicher Gefahr, zusehen koͤnnen. Jn der folgenden Nacht aber, als er unter dem Galgen durchgegangen und Schnells Schiksal auch dessen Verlust beklagt habe, sey ihm ein fuͤrchterlicher Schreck uͤberfallen, habe sich darauf entfernt, und fest vorgenommen neu nicht wieder zu stehlen, sey auch mit diesem Vorsatz ein paar Stunden weiter gegangen, eine unvermuthete Gelegenheit aber habe ihn in der Morgendaͤmmerung unwiderstehlich zu einem neuen Diebstahle gereizt, und er habe stehlen muͤssen. Auf meine eingestreute Erinnerungen, sein Jnners zu ruͤhren, versezte er: er habe manchen guten Eindruk gehabt z.B. beim Voruͤbergehen eines Gottesdienstes, habe selbst manche Kirche besucht und fleißig zugehoͤrt, sey oft in guten Gesellschaften gewesen, habe sich aber nie recht getroffen gefuͤhlt und immer ohne Ruͤhrung geblieben, als ginge ihn von allem Guten nichts an. Endlich nach vielem offenherzigen Erzehlen, das ihm jedoch nicht schaden konnte, und vielen Antworten, frug er, was ich denn nun wohl von seinem Seelenzustande hielte; mehr aus Neugierde als Ernst! ob er wohl selig werden und zu Gnaden kommen koͤnnte? — denn er arbeitete recht eifrig an seinem Durchbrechen. So laͤßt sich mancher gute Geistliche hinters Licht fuͤhren, der mit der Gnade<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [49/0049]
Kompagnons Schnell, dessen Execution er aus einem nahen Gebuͤsche umstaͤndlich angesehen, nicht habe anders Sinnes machen koͤnnen; habe auch ohne sonderliche Empfindung als schwebe er nicht in gleicher Gefahr, zusehen koͤnnen. Jn der folgenden Nacht aber, als er unter dem Galgen durchgegangen und Schnells Schiksal auch dessen Verlust beklagt habe, sey ihm ein fuͤrchterlicher Schreck uͤberfallen, habe sich darauf entfernt, und fest vorgenommen neu nicht wieder zu stehlen, sey auch mit diesem Vorsatz ein paar Stunden weiter gegangen, eine unvermuthete Gelegenheit aber habe ihn in der Morgendaͤmmerung unwiderstehlich zu einem neuen Diebstahle gereizt, und er habe stehlen muͤssen. Auf meine eingestreute Erinnerungen, sein Jnners zu ruͤhren, versezte er: er habe manchen guten Eindruk gehabt z.B. beim Voruͤbergehen eines Gottesdienstes, habe selbst manche Kirche besucht und fleißig zugehoͤrt, sey oft in guten Gesellschaften gewesen, habe sich aber nie recht getroffen gefuͤhlt und immer ohne Ruͤhrung geblieben, als ginge ihn von allem Guten nichts an. Endlich nach vielem offenherzigen Erzehlen, das ihm jedoch nicht schaden konnte, und vielen Antworten, frug er, was ich denn nun wohl von seinem Seelenzustande hielte; mehr aus Neugierde als Ernst! ob er wohl selig werden und zu Gnaden kommen koͤnnte? — denn er arbeitete recht eifrig an seinem Durchbrechen. So laͤßt sich mancher gute Geistliche hinters Licht fuͤhren, der mit der Gnade
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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