Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.
Jch komme nun zu ganz andern Selbstbeobachtungen. Viele dürften darinn, so wie sehr wahrscheinlich in den vorhergehenden wenigstens einen Theil ihres Bildes aufgestellt finden. Da so sehr viele zum Theil versteckte Antriebe sich bei jeder individuellen Handlung des Menschen vereinigen, so daß man nie mit Gewisheit sagen kann, dies und dies war das einzige Motiv der That; so bin ich immer sehr begierig gewesen, die wahren Gründe unsrer moralischen Handlungen aufzufinden, und deshalb selbst auf mich genau Acht zu geben, weil ich mit Wahrscheinlichkeit schließen konnte, daß andre, unter ähnlichen Umständen, so wie ich, handeln würden. Nach diesen Beobachtungen bin ich auf den Gedanken gekommen, daß die wenigsten Menschen in Rüksicht auf die Gottheit, -- auf Antrieb und Liebe zu derselben, sondern gemeiniglich aus andern Principien gut handeln, denen sie nur hinterher, oder aus Gewohnheit den Begriff der Gottheit unterschieben. Jene andern Principien sind denn gewöhnlich nichts anders, als natürlicher Jnstinkt der Menschenliebe, Freundschaft, politische Klugheit, Erhaltung öffentlicher Ruhe, Eitelkeit, auch wohl Eigensinn, Furchtsamkeit,
Jch komme nun zu ganz andern Selbstbeobachtungen. Viele duͤrften darinn, so wie sehr wahrscheinlich in den vorhergehenden wenigstens einen Theil ihres Bildes aufgestellt finden. Da so sehr viele zum Theil versteckte Antriebe sich bei jeder individuellen Handlung des Menschen vereinigen, so daß man nie mit Gewisheit sagen kann, dies und dies war das einzige Motiv der That; so bin ich immer sehr begierig gewesen, die wahren Gruͤnde unsrer moralischen Handlungen aufzufinden, und deshalb selbst auf mich genau Acht zu geben, weil ich mit Wahrscheinlichkeit schließen konnte, daß andre, unter aͤhnlichen Umstaͤnden, so wie ich, handeln wuͤrden. Nach diesen Beobachtungen bin ich auf den Gedanken gekommen, daß die wenigsten Menschen in Ruͤksicht auf die Gottheit, — auf Antrieb und Liebe zu derselben, sondern gemeiniglich aus andern Principien gut handeln, denen sie nur hinterher, oder aus Gewohnheit den Begriff der Gottheit unterschieben. Jene andern Principien sind denn gewoͤhnlich nichts anders, als natuͤrlicher Jnstinkt der Menschenliebe, Freundschaft, politische Klugheit, Erhaltung oͤffentlicher Ruhe, Eitelkeit, auch wohl Eigensinn, Furchtsamkeit, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0120" n="120"/><lb/> kann; man muß sich nur nicht durch die bunten Farben des Schildes taͤuschen lassen, das Original naͤher zu studiren.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Jch komme nun zu ganz andern Selbstbeobachtungen. Viele duͤrften darinn, so wie sehr wahrscheinlich in den vorhergehenden wenigstens einen Theil ihres Bildes aufgestellt finden. Da so sehr viele zum Theil <hi rendition="#b">versteckte</hi> Antriebe sich bei jeder individuellen Handlung des Menschen vereinigen, so daß man nie mit Gewisheit sagen kann, <hi rendition="#b">dies und dies war das einzige Motiv der That;</hi> so bin ich immer sehr begierig gewesen, die <hi rendition="#b">wahren</hi> Gruͤnde unsrer moralischen Handlungen aufzufinden, und deshalb selbst auf mich genau Acht zu geben, weil ich mit Wahrscheinlichkeit schließen konnte, daß andre, unter aͤhnlichen Umstaͤnden, so wie ich, handeln wuͤrden. Nach diesen Beobachtungen bin ich auf den Gedanken gekommen, daß die wenigsten Menschen in Ruͤksicht auf die Gottheit, — auf Antrieb und Liebe zu derselben, sondern gemeiniglich aus andern Principien gut handeln, denen sie nur hinterher, oder aus Gewohnheit den Begriff der Gottheit unterschieben. Jene andern Principien sind denn gewoͤhnlich nichts anders, als natuͤrlicher Jnstinkt der Menschenliebe, Freundschaft, politische Klugheit, Erhaltung oͤffentlicher Ruhe, Eitelkeit, auch wohl Eigensinn, Furchtsamkeit,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [120/0120]
kann; man muß sich nur nicht durch die bunten Farben des Schildes taͤuschen lassen, das Original naͤher zu studiren.
Jch komme nun zu ganz andern Selbstbeobachtungen. Viele duͤrften darinn, so wie sehr wahrscheinlich in den vorhergehenden wenigstens einen Theil ihres Bildes aufgestellt finden. Da so sehr viele zum Theil versteckte Antriebe sich bei jeder individuellen Handlung des Menschen vereinigen, so daß man nie mit Gewisheit sagen kann, dies und dies war das einzige Motiv der That; so bin ich immer sehr begierig gewesen, die wahren Gruͤnde unsrer moralischen Handlungen aufzufinden, und deshalb selbst auf mich genau Acht zu geben, weil ich mit Wahrscheinlichkeit schließen konnte, daß andre, unter aͤhnlichen Umstaͤnden, so wie ich, handeln wuͤrden. Nach diesen Beobachtungen bin ich auf den Gedanken gekommen, daß die wenigsten Menschen in Ruͤksicht auf die Gottheit, — auf Antrieb und Liebe zu derselben, sondern gemeiniglich aus andern Principien gut handeln, denen sie nur hinterher, oder aus Gewohnheit den Begriff der Gottheit unterschieben. Jene andern Principien sind denn gewoͤhnlich nichts anders, als natuͤrlicher Jnstinkt der Menschenliebe, Freundschaft, politische Klugheit, Erhaltung oͤffentlicher Ruhe, Eitelkeit, auch wohl Eigensinn, Furchtsamkeit,
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