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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.

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than, nicht gesagt zu haben, weil sich mir in dem Augenblick das Bild von einem schiefen Character unter irgend einer mir von dieser Seite her bekannten Person darstellte, die ich haßte, und zwar vielleicht bloß wegen ihrer Falschheit haßte. Vielleicht leihe ich jenem Bilde zuweilen zu schwarze Züge; vielleicht findet mein physiognomisches Gefühl mehr Böses in ihrem Gesicht, als es wirklich anzeigt, -- vielleicht bin ich ungerecht gegen Menschen, wenigstens in meinen bittern Beurtheilungen gewesen, die nur den Schein der Falschheit an sich trugen; dem sey wie ihm wolle; -- ich kann über meine Erbitterungen gegen den Mann, der sich mir irgend einmal in einem falschen Lichte gezeigt hat, nicht Herr werden, und es würde mir selbst mit denen freundschaftlich umzugehen unmöglich seyn, die nur in einer entfernten Verbindung mit einem solchen Mann stehen.

Aus dieser unaufhörlichen Abneigung gegen alles, was Falschheit des Characters heißt, erfolgten denn nach und nach manche sonderbare Phänomene in meinen Handlungen. -- Da der Ton der Gesellschaft in der heutigen großen Welt, und die liebe Eitelkeit, wovon ein jeder Mensch beherrscht wird, es uns oft zur Pflicht zu machen scheinen, andern Schmeicheleien zu sagen, und ich oft zu dergleichen auch gezwungen war; so habe ich mich doch gemeiniglich dabei so eingerichtet, daß ich nie kriechend wurde, was ich überhaupt aufs höchste ver-


than, nicht gesagt zu haben, weil sich mir in dem Augenblick das Bild von einem schiefen Character unter irgend einer mir von dieser Seite her bekannten Person darstellte, die ich haßte, und zwar vielleicht bloß wegen ihrer Falschheit haßte. Vielleicht leihe ich jenem Bilde zuweilen zu schwarze Zuͤge; vielleicht findet mein physiognomisches Gefuͤhl mehr Boͤses in ihrem Gesicht, als es wirklich anzeigt, — vielleicht bin ich ungerecht gegen Menschen, wenigstens in meinen bittern Beurtheilungen gewesen, die nur den Schein der Falschheit an sich trugen; dem sey wie ihm wolle; — ich kann uͤber meine Erbitterungen gegen den Mann, der sich mir irgend einmal in einem falschen Lichte gezeigt hat, nicht Herr werden, und es wuͤrde mir selbst mit denen freundschaftlich umzugehen unmoͤglich seyn, die nur in einer entfernten Verbindung mit einem solchen Mann stehen.

Aus dieser unaufhoͤrlichen Abneigung gegen alles, was Falschheit des Characters heißt, erfolgten denn nach und nach manche sonderbare Phaͤnomene in meinen Handlungen. — Da der Ton der Gesellschaft in der heutigen großen Welt, und die liebe Eitelkeit, wovon ein jeder Mensch beherrscht wird, es uns oft zur Pflicht zu machen scheinen, andern Schmeicheleien zu sagen, und ich oft zu dergleichen auch gezwungen war; so habe ich mich doch gemeiniglich dabei so eingerichtet, daß ich nie kriechend wurde, was ich uͤberhaupt aufs hoͤchste ver-

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[117/0117] than, nicht gesagt zu haben, weil sich mir in dem Augenblick das Bild von einem schiefen Character unter irgend einer mir von dieser Seite her bekannten Person darstellte, die ich haßte, und zwar vielleicht bloß wegen ihrer Falschheit haßte. Vielleicht leihe ich jenem Bilde zuweilen zu schwarze Zuͤge; vielleicht findet mein physiognomisches Gefuͤhl mehr Boͤses in ihrem Gesicht, als es wirklich anzeigt, — vielleicht bin ich ungerecht gegen Menschen, wenigstens in meinen bittern Beurtheilungen gewesen, die nur den Schein der Falschheit an sich trugen; dem sey wie ihm wolle; — ich kann uͤber meine Erbitterungen gegen den Mann, der sich mir irgend einmal in einem falschen Lichte gezeigt hat, nicht Herr werden, und es wuͤrde mir selbst mit denen freundschaftlich umzugehen unmoͤglich seyn, die nur in einer entfernten Verbindung mit einem solchen Mann stehen. Aus dieser unaufhoͤrlichen Abneigung gegen alles, was Falschheit des Characters heißt, erfolgten denn nach und nach manche sonderbare Phaͤnomene in meinen Handlungen. — Da der Ton der Gesellschaft in der heutigen großen Welt, und die liebe Eitelkeit, wovon ein jeder Mensch beherrscht wird, es uns oft zur Pflicht zu machen scheinen, andern Schmeicheleien zu sagen, und ich oft zu dergleichen auch gezwungen war; so habe ich mich doch gemeiniglich dabei so eingerichtet, daß ich nie kriechend wurde, was ich uͤberhaupt aufs hoͤchste ver-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/117>, abgerufen am 12.12.2024.