Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.
Nicht weniger merkwürdig, als vorhergehende Beobachtungen, hat mir oft das sowohl an mir selbst als an andern Menschen geschienen, daß man bisweilen bei den höchsten Wünschen, etwas zu erlangen, zu erleben, oder zu thun, in sich noch einen schnell entstandenen Wunsch, daß die heftig verlangte Sache auch nicht geschehen möchte, wahrnimmt, obgleich durch diesen leztern jene erstem Wünsche nicht aufgehoben, sondern vielmehr gemeiniglich gestärkt und heftiger wurden. Es
Nicht weniger merkwuͤrdig, als vorhergehende Beobachtungen, hat mir oft das sowohl an mir selbst als an andern Menschen geschienen, daß man bisweilen bei den hoͤchsten Wuͤnschen, etwas zu erlangen, zu erleben, oder zu thun, in sich noch einen schnell entstandenen Wunsch, daß die heftig verlangte Sache auch nicht geschehen moͤchte, wahrnimmt, obgleich durch diesen leztern jene erstem Wuͤnsche nicht aufgehoben, sondern vielmehr gemeiniglich gestaͤrkt und heftiger wurden. Es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0100" n="100"/><lb/> Beifall des Herzens ist mir gleichsam nur der <hi rendition="#b">zweite</hi> Grund der Moralitaͤt geworden. <hi rendition="#b">Jch erinnere mich sehr deutlich, mehrmals edle Handlungen von andern erzaͤhlt zu haben, die ich selbst im Stillen verrichtete; — theils weil mir die Handlung wohl zu sehr gefiel, als daß ich sie in dem Winkel meines Herzens einschließen sollte; — theils, weil sich meine Eitelkeit an dem schmeichelhaften Urtheile anderer uͤber diese Handlung, die ich mir doch immer, als meine Handlung dachte, ob ich sie gleich andern zuschrieb, zu ergoͤtzen suchte.</hi> So klein und unbedeutend dergleichen Beobachtungen zu seyn scheinen, so sehr beleuchten sie doch die geheimen Falten des menschlichen Herzens, und schließen uns dasselbe oft viel besser auf, als trockene Theorien uͤber die Natur unsrer Empfindungen.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Nicht weniger merkwuͤrdig, als vorhergehende Beobachtungen, hat mir oft das sowohl an mir selbst als an andern Menschen geschienen, <hi rendition="#b">daß man bisweilen bei den hoͤchsten Wuͤnschen, etwas zu erlangen, zu erleben, oder zu thun, in sich noch einen schnell entstandenen Wunsch, daß die heftig verlangte Sache auch nicht geschehen moͤchte, wahrnimmt,</hi> obgleich durch diesen leztern jene erstem Wuͤnsche nicht aufgehoben, sondern vielmehr gemeiniglich gestaͤrkt und heftiger wurden. Es<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0100]
Beifall des Herzens ist mir gleichsam nur der zweite Grund der Moralitaͤt geworden. Jch erinnere mich sehr deutlich, mehrmals edle Handlungen von andern erzaͤhlt zu haben, die ich selbst im Stillen verrichtete; — theils weil mir die Handlung wohl zu sehr gefiel, als daß ich sie in dem Winkel meines Herzens einschließen sollte; — theils, weil sich meine Eitelkeit an dem schmeichelhaften Urtheile anderer uͤber diese Handlung, die ich mir doch immer, als meine Handlung dachte, ob ich sie gleich andern zuschrieb, zu ergoͤtzen suchte. So klein und unbedeutend dergleichen Beobachtungen zu seyn scheinen, so sehr beleuchten sie doch die geheimen Falten des menschlichen Herzens, und schließen uns dasselbe oft viel besser auf, als trockene Theorien uͤber die Natur unsrer Empfindungen.
Nicht weniger merkwuͤrdig, als vorhergehende Beobachtungen, hat mir oft das sowohl an mir selbst als an andern Menschen geschienen, daß man bisweilen bei den hoͤchsten Wuͤnschen, etwas zu erlangen, zu erleben, oder zu thun, in sich noch einen schnell entstandenen Wunsch, daß die heftig verlangte Sache auch nicht geschehen moͤchte, wahrnimmt, obgleich durch diesen leztern jene erstem Wuͤnsche nicht aufgehoben, sondern vielmehr gemeiniglich gestaͤrkt und heftiger wurden. Es
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