und daß sie nicht unwahrscheinlich sind, erhellet daraus, daß noch täglich die Nachtwandrer zum Theil noch unglaublichere Dinge zu verrichten pflegen. Der in dieser Erzählung vorgestellte Nachtwandler bei Tage befand sich während seines Paroxismus gewiß nur in einem geringen Schlummer, obgleich seine äußern Sinne geschlossen zu seyn schienen. Eigentlich unternahm er keine neue Handlungen; alles war nur eine Repetition kurz vorhergegangener Vorstellungen und Handlungen, wobei aber doch gewiß die äußern Objecte auf die Einbildungskraft desselben nicht ganz unwirksam seyn konnten. Wenn es heißt, daß beim Anfall des Paroxismus der Gebrauch aller seiner äußerlichen Sinne aufgehört habe, so schien dieß nur so, denn aus der Erzählung selbst erhellet zu deutlich, daß wenn er auch nicht durch den Sinn des Gesichts bei seinen Vorstellungen mit geleitet wurde, doch sein Gefühl desto lebhafter und feiner war, wie dieß bei solchen Fällen gemeiniglich zu geschehen pflegt. Außerdem glaub' ich, daß die Nachtwandler bei ihren Handlungen nicht immer ganz Gesichtslos handeln, weil sich, ohne daß sie einen Gebrauch von ihren Augen machen, viele ihrer gefährlichsten und verwickelsten Handlungen gar nicht erklären lassen. Sie unterscheiden Gegenstände, zu deren Unterscheidung das Gefühl nicht zureicht, sie vermeiden in ihrem Schlummer Gefahren, die sie nur blos durch Hülfe des Gesichts -- wenig-
und daß sie nicht unwahrscheinlich sind, erhellet daraus, daß noch taͤglich die Nachtwandrer zum Theil noch unglaublichere Dinge zu verrichten pflegen. Der in dieser Erzaͤhlung vorgestellte Nachtwandler bei Tage befand sich waͤhrend seines Paroxismus gewiß nur in einem geringen Schlummer, obgleich seine aͤußern Sinne geschlossen zu seyn schienen. Eigentlich unternahm er keine neue Handlungen; alles war nur eine Repetition kurz vorhergegangener Vorstellungen und Handlungen, wobei aber doch gewiß die aͤußern Objecte auf die Einbildungskraft desselben nicht ganz unwirksam seyn konnten. Wenn es heißt, daß beim Anfall des Paroxismus der Gebrauch aller seiner aͤußerlichen Sinne aufgehoͤrt habe, so schien dieß nur so, denn aus der Erzaͤhlung selbst erhellet zu deutlich, daß wenn er auch nicht durch den Sinn des Gesichts bei seinen Vorstellungen mit geleitet wurde, doch sein Gefuͤhl desto lebhafter und feiner war, wie dieß bei solchen Faͤllen gemeiniglich zu geschehen pflegt. Außerdem glaub' ich, daß die Nachtwandler bei ihren Handlungen nicht immer ganz Gesichtslos handeln, weil sich, ohne daß sie einen Gebrauch von ihren Augen machen, viele ihrer gefaͤhrlichsten und verwickelsten Handlungen gar nicht erklaͤren lassen. Sie unterscheiden Gegenstaͤnde, zu deren Unterscheidung das Gefuͤhl nicht zureicht, sie vermeiden in ihrem Schlummer Gefahren, die sie nur blos durch Huͤlfe des Gesichts — wenig-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0095"n="93"/><lb/>
und daß sie nicht unwahrscheinlich sind, erhellet daraus, daß noch taͤglich die Nachtwandrer zum Theil noch unglaublichere Dinge zu verrichten pflegen. Der in dieser Erzaͤhlung vorgestellte Nachtwandler bei Tage befand sich waͤhrend seines Paroxismus gewiß nur in einem <hirendition="#b">geringen Schlummer,</hi> obgleich seine aͤußern Sinne geschlossen zu seyn schienen. Eigentlich unternahm er keine <hirendition="#b">neue</hi> Handlungen; alles war nur eine <hirendition="#b">Repetition</hi> kurz vorhergegangener Vorstellungen und Handlungen, wobei aber doch gewiß die aͤußern Objecte auf die Einbildungskraft desselben nicht ganz unwirksam seyn konnten. Wenn es heißt, daß beim Anfall des Paroxismus der Gebrauch aller seiner aͤußerlichen Sinne aufgehoͤrt habe, so <hirendition="#b">schien</hi> dieß nur so, denn aus der Erzaͤhlung selbst erhellet zu deutlich, daß wenn er auch nicht durch den Sinn des Gesichts bei seinen Vorstellungen mit geleitet wurde, doch sein <hirendition="#b">Gefuͤhl</hi> desto <hirendition="#b">lebhafter</hi> und <hirendition="#b">feiner</hi> war, wie dieß bei solchen Faͤllen gemeiniglich zu geschehen pflegt. Außerdem glaub' ich, daß die Nachtwandler bei ihren Handlungen nicht immer ganz <hirendition="#b">Gesichtslos</hi> handeln, weil sich, ohne daß sie einen Gebrauch von ihren Augen machen, viele ihrer gefaͤhrlichsten und verwickelsten Handlungen gar nicht erklaͤren lassen. Sie unterscheiden Gegenstaͤnde, zu deren Unterscheidung das Gefuͤhl nicht zureicht, sie vermeiden in ihrem Schlummer Gefahren, die sie nur blos durch Huͤlfe des Gesichts — wenig-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[93/0095]
und daß sie nicht unwahrscheinlich sind, erhellet daraus, daß noch taͤglich die Nachtwandrer zum Theil noch unglaublichere Dinge zu verrichten pflegen. Der in dieser Erzaͤhlung vorgestellte Nachtwandler bei Tage befand sich waͤhrend seines Paroxismus gewiß nur in einem geringen Schlummer, obgleich seine aͤußern Sinne geschlossen zu seyn schienen. Eigentlich unternahm er keine neue Handlungen; alles war nur eine Repetition kurz vorhergegangener Vorstellungen und Handlungen, wobei aber doch gewiß die aͤußern Objecte auf die Einbildungskraft desselben nicht ganz unwirksam seyn konnten. Wenn es heißt, daß beim Anfall des Paroxismus der Gebrauch aller seiner aͤußerlichen Sinne aufgehoͤrt habe, so schien dieß nur so, denn aus der Erzaͤhlung selbst erhellet zu deutlich, daß wenn er auch nicht durch den Sinn des Gesichts bei seinen Vorstellungen mit geleitet wurde, doch sein Gefuͤhl desto lebhafter und feiner war, wie dieß bei solchen Faͤllen gemeiniglich zu geschehen pflegt. Außerdem glaub' ich, daß die Nachtwandler bei ihren Handlungen nicht immer ganz Gesichtslos handeln, weil sich, ohne daß sie einen Gebrauch von ihren Augen machen, viele ihrer gefaͤhrlichsten und verwickelsten Handlungen gar nicht erklaͤren lassen. Sie unterscheiden Gegenstaͤnde, zu deren Unterscheidung das Gefuͤhl nicht zureicht, sie vermeiden in ihrem Schlummer Gefahren, die sie nur blos durch Huͤlfe des Gesichts — wenig-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:
Anmerkungen zur Transkription:
Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.
Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/95>, abgerufen am 23.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.