Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.
Er kam zu jemanden einst des Abends, der ihn niedersitzen hieß, und ungefähr eine Stunde lang mit ihm redete. Während der Zeit fiel derselbe in Schlaf und fing an zu erzählen und zu handeln, was denselben Tag mit ihm vorgegangen war. Er forderte erstlich sich und seine Frau aufzustehen auf, that vorher ein Gebet, forderte seiner Frau ein Hemde ab, geberdete sich, als wenn er dasselbe umhinge, stieg darauf aus dem Bette, setzte sich hin und machte solche Gebehrden, als wenn er Strümpfe und Schuhe anziehe, sang aber dabei mit heller und vernehmlicher Stimme ein Morgenlied. Als er einen Vers davon gesungen, fiel ihm ein, daß er sich noch nicht gewaschen hatte, stand also von dem Stuhle, worauf er bisher gesessen, auf, ging in einen Winkel der Stube und that, als wenn er sich wüsche und kämmete. Dabei befahl er seiner Frau, daß sie zum Nachbar gehen, und ihn bitten sollte, daß er sein Pferd zurechte machen möchte, darauf er von Sulze nach Weimar reiten wollte. Nach diesem sagte er: er wäre nun allein, ging darauf in eine andre Ecke der Stube und verrichtete kniend sein Gebet. Als er
Er kam zu jemanden einst des Abends, der ihn niedersitzen hieß, und ungefaͤhr eine Stunde lang mit ihm redete. Waͤhrend der Zeit fiel derselbe in Schlaf und fing an zu erzaͤhlen und zu handeln, was denselben Tag mit ihm vorgegangen war. Er forderte erstlich sich und seine Frau aufzustehen auf, that vorher ein Gebet, forderte seiner Frau ein Hemde ab, geberdete sich, als wenn er dasselbe umhinge, stieg darauf aus dem Bette, setzte sich hin und machte solche Gebehrden, als wenn er Struͤmpfe und Schuhe anziehe, sang aber dabei mit heller und vernehmlicher Stimme ein Morgenlied. Als er einen Vers davon gesungen, fiel ihm ein, daß er sich noch nicht gewaschen hatte, stand also von dem Stuhle, worauf er bisher gesessen, auf, ging in einen Winkel der Stube und that, als wenn er sich wuͤsche und kaͤmmete. Dabei befahl er seiner Frau, daß sie zum Nachbar gehen, und ihn bitten sollte, daß er sein Pferd zurechte machen moͤchte, darauf er von Sulze nach Weimar reiten wollte. Nach diesem sagte er: er waͤre nun allein, ging darauf in eine andre Ecke der Stube und verrichtete kniend sein Gebet. Als er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0091" n="89"/><lb/> Pistol ganz nahe bei ihm losgeschossen wurde. Wenn der Paroxismus voruͤber ist, klagt er uͤber große Mattigkeit. Uebrigens spricht er ganz sittsam und ordentlich, was man von einem gemeinen Manne sonst nicht leicht erwarten sollte, mag auch einen aͤußerlich guten Wandel fuͤhren.</p> <p>Er kam zu jemanden einst des Abends, der ihn niedersitzen hieß, und ungefaͤhr eine Stunde lang mit ihm redete. Waͤhrend der Zeit fiel derselbe in Schlaf und fing an zu erzaͤhlen und zu handeln, was denselben Tag mit ihm vorgegangen war. Er forderte erstlich sich und seine Frau aufzustehen auf, that vorher ein Gebet, forderte seiner Frau ein Hemde ab, geberdete sich, als wenn er dasselbe umhinge, stieg darauf aus dem Bette, setzte sich hin und machte solche Gebehrden, als wenn er Struͤmpfe und Schuhe anziehe, sang aber dabei mit heller und vernehmlicher Stimme ein Morgenlied. Als er einen Vers davon gesungen, fiel ihm ein, daß er sich noch nicht gewaschen hatte, stand also von dem Stuhle, worauf er bisher gesessen, auf, ging in einen Winkel der Stube und that, als wenn er sich wuͤsche und kaͤmmete. Dabei befahl er seiner Frau, daß sie zum Nachbar gehen, und ihn bitten sollte, daß er sein Pferd zurechte machen moͤchte, darauf er von Sulze nach Weimar reiten wollte. Nach diesem sagte er: er waͤre nun allein, ging darauf in eine andre Ecke der Stube und verrichtete kniend sein Gebet. Als er<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0091]
Pistol ganz nahe bei ihm losgeschossen wurde. Wenn der Paroxismus voruͤber ist, klagt er uͤber große Mattigkeit. Uebrigens spricht er ganz sittsam und ordentlich, was man von einem gemeinen Manne sonst nicht leicht erwarten sollte, mag auch einen aͤußerlich guten Wandel fuͤhren.
Er kam zu jemanden einst des Abends, der ihn niedersitzen hieß, und ungefaͤhr eine Stunde lang mit ihm redete. Waͤhrend der Zeit fiel derselbe in Schlaf und fing an zu erzaͤhlen und zu handeln, was denselben Tag mit ihm vorgegangen war. Er forderte erstlich sich und seine Frau aufzustehen auf, that vorher ein Gebet, forderte seiner Frau ein Hemde ab, geberdete sich, als wenn er dasselbe umhinge, stieg darauf aus dem Bette, setzte sich hin und machte solche Gebehrden, als wenn er Struͤmpfe und Schuhe anziehe, sang aber dabei mit heller und vernehmlicher Stimme ein Morgenlied. Als er einen Vers davon gesungen, fiel ihm ein, daß er sich noch nicht gewaschen hatte, stand also von dem Stuhle, worauf er bisher gesessen, auf, ging in einen Winkel der Stube und that, als wenn er sich wuͤsche und kaͤmmete. Dabei befahl er seiner Frau, daß sie zum Nachbar gehen, und ihn bitten sollte, daß er sein Pferd zurechte machen moͤchte, darauf er von Sulze nach Weimar reiten wollte. Nach diesem sagte er: er waͤre nun allein, ging darauf in eine andre Ecke der Stube und verrichtete kniend sein Gebet. Als er
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/91>, abgerufen am 23.02.2025. |