Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.
Ehe ich zur Darstellung der sonderbaren Phänomene des Nachtwandelns selbst komme, wollen wir nur ganz kurz hören, wie sich diese und jene Gelehrten das Ding zu erklären gesucht haben. Einige, z.E. Paracelsus, meinten, der Geist des Menschen habe seine Krankheiten, wie unser Körper; so wie nun dieser, vermöge seiner materiellen Einrichtung, den Tag über den Meister über den Menschen spiele, so thue es der Geist während der Nacht, und wenn derselbe eben nicht guter Laune sey, führe er den Leib mit sich herum. Daß aber der Nachtwandrer in einem solchen Zustande keinen äußern Schaden nähme, rühre daher, weil der gute Dämon, den ein jeder Mensch bei sich habe, seinen bösen Dämon abhielte, dem Nachtwandrer Schaden zuzufügen. Man sollte beinahe glauben, daß diese Erklärung des Nachtwandelns mehr aus Scherz, als zu einer befriedigenden Antwort der Sache ersonnen sey. Jndeß scheint sie sich doch lange, bald mit etwas mehr Vernunft, bald mit noch etwas mehr Unsinn vermischt, erhalten zu haben, zumal da sie aus einer Zeit herrührt,
Ehe ich zur Darstellung der sonderbaren Phaͤnomene des Nachtwandelns selbst komme, wollen wir nur ganz kurz hoͤren, wie sich diese und jene Gelehrten das Ding zu erklaͤren gesucht haben. Einige, z.E. Paracelsus, meinten, der Geist des Menschen habe seine Krankheiten, wie unser Koͤrper; so wie nun dieser, vermoͤge seiner materiellen Einrichtung, den Tag uͤber den Meister uͤber den Menschen spiele, so thue es der Geist waͤhrend der Nacht, und wenn derselbe eben nicht guter Laune sey, fuͤhre er den Leib mit sich herum. Daß aber der Nachtwandrer in einem solchen Zustande keinen aͤußern Schaden naͤhme, ruͤhre daher, weil der gute Daͤmon, den ein jeder Mensch bei sich habe, seinen boͤsen Daͤmon abhielte, dem Nachtwandrer Schaden zuzufuͤgen. Man sollte beinahe glauben, daß diese Erklaͤrung des Nachtwandelns mehr aus Scherz, als zu einer befriedigenden Antwort der Sache ersonnen sey. Jndeß scheint sie sich doch lange, bald mit etwas mehr Vernunft, bald mit noch etwas mehr Unsinn vermischt, erhalten zu haben, zumal da sie aus einer Zeit herruͤhrt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0079" n="77"/><lb/> auf den Beobachtungen der Alten, mit Hinwegraͤumung einiges Schuttes, fortbauen sollen, und die Seelenlehre wuͤrde nicht bis zu den neuern Zeiten eine so armselige Wissenschaft geblieben seyn, wenn sie noch anders diesen Nahmen vor ihrer Bearbeitung von <hi rendition="#b">Spinoza</hi> verdient.</p> <p>Ehe ich zur Darstellung der sonderbaren <choice><corr>Phaͤnomene</corr><sic>Phoͤnomene</sic></choice> des Nachtwandelns selbst komme, wollen wir nur ganz kurz hoͤren, wie sich diese und jene Gelehrten das Ding zu erklaͤren gesucht haben.</p> <p>Einige, z.E. Paracelsus, meinten, der Geist des Menschen habe seine Krankheiten, wie unser Koͤrper; so wie nun dieser, vermoͤge seiner materiellen Einrichtung, den Tag uͤber den Meister uͤber den Menschen spiele, so thue es der Geist waͤhrend der Nacht, und wenn derselbe eben nicht guter Laune sey, fuͤhre er den Leib mit sich herum. Daß aber der Nachtwandrer in einem solchen Zustande keinen aͤußern Schaden naͤhme, ruͤhre daher, weil der gute Daͤmon, den ein jeder Mensch bei sich habe, seinen boͤsen Daͤmon abhielte, dem Nachtwandrer Schaden zuzufuͤgen. Man sollte beinahe glauben, daß diese Erklaͤrung des Nachtwandelns mehr aus Scherz, als zu einer befriedigenden Antwort der Sache ersonnen sey. Jndeß scheint sie sich doch lange, bald mit etwas mehr Vernunft, bald mit noch etwas mehr Unsinn vermischt, erhalten zu haben, zumal da sie aus einer Zeit herruͤhrt,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [77/0079]
auf den Beobachtungen der Alten, mit Hinwegraͤumung einiges Schuttes, fortbauen sollen, und die Seelenlehre wuͤrde nicht bis zu den neuern Zeiten eine so armselige Wissenschaft geblieben seyn, wenn sie noch anders diesen Nahmen vor ihrer Bearbeitung von Spinoza verdient.
Ehe ich zur Darstellung der sonderbaren Phaͤnomene des Nachtwandelns selbst komme, wollen wir nur ganz kurz hoͤren, wie sich diese und jene Gelehrten das Ding zu erklaͤren gesucht haben.
Einige, z.E. Paracelsus, meinten, der Geist des Menschen habe seine Krankheiten, wie unser Koͤrper; so wie nun dieser, vermoͤge seiner materiellen Einrichtung, den Tag uͤber den Meister uͤber den Menschen spiele, so thue es der Geist waͤhrend der Nacht, und wenn derselbe eben nicht guter Laune sey, fuͤhre er den Leib mit sich herum. Daß aber der Nachtwandrer in einem solchen Zustande keinen aͤußern Schaden naͤhme, ruͤhre daher, weil der gute Daͤmon, den ein jeder Mensch bei sich habe, seinen boͤsen Daͤmon abhielte, dem Nachtwandrer Schaden zuzufuͤgen. Man sollte beinahe glauben, daß diese Erklaͤrung des Nachtwandelns mehr aus Scherz, als zu einer befriedigenden Antwort der Sache ersonnen sey. Jndeß scheint sie sich doch lange, bald mit etwas mehr Vernunft, bald mit noch etwas mehr Unsinn vermischt, erhalten zu haben, zumal da sie aus einer Zeit herruͤhrt,
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/79>, abgerufen am 23.02.2025. |