Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.
Mehrere Psychologen haben versucht, diesen Zustand der Seele, noch ehe die zum Theil lächerlichen Experimente eines neuerlichen Somnambulismus bekannt wurden, nach gewissen Gesetzen des Denkens und Empfindens zu erklären, und da der eine bald mehr, der andre bald weniger irgend eine Seelenkraft in seinen Schutz nahm, woraus er die geheimen Operationen der Seele zu erklären suchte; so haben sich denn auch die Seelenlehrer in Beantwortung der Frage: Wie das Nachtwandeln eigentlich zugehe? sehr von einander getrennt. Besser hätten sie wohl freilich gethan, wenn sie, anstatt sich, wie gewöhnlich, in sehr inconsequente und unpsychologische Erklärungen dieses
Mehrere Psychologen haben versucht, diesen Zustand der Seele, noch ehe die zum Theil laͤcherlichen Experimente eines neuerlichen Somnambulismus bekannt wurden, nach gewissen Gesetzen des Denkens und Empfindens zu erklaͤren, und da der eine bald mehr, der andre bald weniger irgend eine Seelenkraft in seinen Schutz nahm, woraus er die geheimen Operationen der Seele zu erklaͤren suchte; so haben sich denn auch die Seelenlehrer in Beantwortung der Frage: Wie das Nachtwandeln eigentlich zugehe? sehr von einander getrennt. Besser haͤtten sie wohl freilich gethan, wenn sie, anstatt sich, wie gewoͤhnlich, in sehr inconsequente und unpsychologische Erklaͤrungen dieses <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0077" n="75"/><lb/> sie daraus von den Operationen des menschlichen Geistes in einem so sonderbaren <hi rendition="#b">Mittelzustande</hi> des Schlafens und Wachens unterrichtet und von dem geheimen Mechanismus dunkler Sensationen belehrt werden konnten. Wenn schon der Traum an sich betrachtet ein sehr merkwuͤrdiges <choice><corr>Phaͤnomen</corr><sic>Phoͤnomen</sic></choice> der menschlichen Seele ist, so mußte es das Nachtwandeln noch viel mehr seyn, da die Menschen in diesem Zustande nicht nur nach einer mit Ueberlegung angestellten Jdeenfolge zu handeln, sondern auch oft sich zu einer solchen Hoͤhe von Gedanken und Empfindungen zu erheben pflegen, die man oft selbst im Wachen nicht immer an ihnen bemerken konnte.</p> <p>Mehrere Psychologen haben versucht, diesen Zustand der Seele, noch ehe die zum Theil laͤcherlichen Experimente eines neuerlichen Somnambulismus bekannt wurden, nach gewissen Gesetzen des Denkens und Empfindens zu erklaͤren, und da der eine bald mehr, der andre bald weniger irgend eine Seelenkraft in seinen Schutz nahm, woraus er die geheimen Operationen der Seele zu erklaͤren suchte; so haben sich denn auch die Seelenlehrer in Beantwortung der Frage: <hi rendition="#b">Wie das Nachtwandeln eigentlich zugehe?</hi> sehr von einander getrennt. Besser haͤtten sie wohl freilich gethan, wenn sie, anstatt sich, wie gewoͤhnlich, in sehr inconsequente und unpsychologische Erklaͤrungen dieses<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0077]
sie daraus von den Operationen des menschlichen Geistes in einem so sonderbaren Mittelzustande des Schlafens und Wachens unterrichtet und von dem geheimen Mechanismus dunkler Sensationen belehrt werden konnten. Wenn schon der Traum an sich betrachtet ein sehr merkwuͤrdiges Phaͤnomen der menschlichen Seele ist, so mußte es das Nachtwandeln noch viel mehr seyn, da die Menschen in diesem Zustande nicht nur nach einer mit Ueberlegung angestellten Jdeenfolge zu handeln, sondern auch oft sich zu einer solchen Hoͤhe von Gedanken und Empfindungen zu erheben pflegen, die man oft selbst im Wachen nicht immer an ihnen bemerken konnte.
Mehrere Psychologen haben versucht, diesen Zustand der Seele, noch ehe die zum Theil laͤcherlichen Experimente eines neuerlichen Somnambulismus bekannt wurden, nach gewissen Gesetzen des Denkens und Empfindens zu erklaͤren, und da der eine bald mehr, der andre bald weniger irgend eine Seelenkraft in seinen Schutz nahm, woraus er die geheimen Operationen der Seele zu erklaͤren suchte; so haben sich denn auch die Seelenlehrer in Beantwortung der Frage: Wie das Nachtwandeln eigentlich zugehe? sehr von einander getrennt. Besser haͤtten sie wohl freilich gethan, wenn sie, anstatt sich, wie gewoͤhnlich, in sehr inconsequente und unpsychologische Erklaͤrungen dieses
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/77>, abgerufen am 23.02.2025. |