Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.
"Sein Vater, ein zweiundachtzigjähriger Greis, wurde vermocht, den Sohn noch einmal zu besuchen, der von ihm Vergebung alles dessen, worin er etwa seine kindliche Pflicht aus den Augen gesetzt haben möchte, auch der letzten Kränkung durch sein Verbrechen, wehmüthig suchte, und sie unter guten Ermahnungen und Wünschen vollkommen erhielt, auch dagegen den kummervollen Greis bat, seines Endes wegen sich zu beruhigen: da er versichert sey, daß er Vergebung und Gnade von Gott habe, und ihn bat, seiner Kinder sich noch ferner anzunehmen, das der Greis auch willigst zusagte, und der Sohn ihm hingegen versprach, daß er auch seinen Kindern, dessen Enkeln, beim Abschied von ihm anbefehlen wollte, ihm in allen gehorsam und beiständig zu seyn. Der nun beruhigte Alte war so froh, daß er sich Kräfte wünschte, dem besten Fürsten sich zu Füßen zu werfen, und ihm für die seinem Sohn erwiesene unverdiente Gnade des gemilderten Todesurtheils danken zu können." "Zween Tage vor seinem Ende nahm der Unglückliche, in Gegenwart seines Beichtvaters, von
»Sein Vater, ein zweiundachtzigjaͤhriger Greis, wurde vermocht, den Sohn noch einmal zu besuchen, der von ihm Vergebung alles dessen, worin er etwa seine kindliche Pflicht aus den Augen gesetzt haben moͤchte, auch der letzten Kraͤnkung durch sein Verbrechen, wehmuͤthig suchte, und sie unter guten Ermahnungen und Wuͤnschen vollkommen erhielt, auch dagegen den kummervollen Greis bat, seines Endes wegen sich zu beruhigen: da er versichert sey, daß er Vergebung und Gnade von Gott habe, und ihn bat, seiner Kinder sich noch ferner anzunehmen, das der Greis auch willigst zusagte, und der Sohn ihm hingegen versprach, daß er auch seinen Kindern, dessen Enkeln, beim Abschied von ihm anbefehlen wollte, ihm in allen gehorsam und beistaͤndig zu seyn. Der nun beruhigte Alte war so froh, daß er sich Kraͤfte wuͤnschte, dem besten Fuͤrsten sich zu Fuͤßen zu werfen, und ihm fuͤr die seinem Sohn erwiesene unverdiente Gnade des gemilderten Todesurtheils danken zu koͤnnen.« »Zween Tage vor seinem Ende nahm der Ungluͤckliche, in Gegenwart seines Beichtvaters, von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0064" n="62"/><lb/> auf irgend eine Weise beleidiget oder gekraͤnket haͤtte, und ersuchte seinen Beichtvater, alle und jede zusammen, Stadt und Land, die er durch sein Verbrechen gedruͤckt, beschwert, betruͤbt und geaͤrgert habe, in seinem Namen um Vergebung zu bitten.«</p> <p>»Sein Vater, ein zweiundachtzigjaͤhriger Greis, wurde vermocht, den Sohn noch einmal zu besuchen, der von ihm Vergebung alles dessen, worin er etwa seine kindliche Pflicht aus den Augen gesetzt haben moͤchte, auch der letzten Kraͤnkung durch sein Verbrechen, wehmuͤthig suchte, und sie unter guten Ermahnungen und Wuͤnschen vollkommen erhielt, auch dagegen den kummervollen Greis bat, seines Endes wegen sich zu beruhigen: da er versichert sey, daß er Vergebung und Gnade von Gott habe, und ihn bat, seiner Kinder sich noch ferner anzunehmen, das der Greis auch willigst zusagte, und der Sohn ihm hingegen versprach, daß er auch seinen Kindern, dessen Enkeln, beim Abschied von ihm anbefehlen wollte, ihm in allen gehorsam und beistaͤndig zu seyn. Der nun beruhigte Alte war so froh, daß er sich Kraͤfte wuͤnschte, dem besten Fuͤrsten sich zu Fuͤßen zu werfen, und ihm fuͤr die seinem Sohn erwiesene unverdiente Gnade des gemilderten Todesurtheils danken zu koͤnnen.«</p> <p>»Zween Tage vor seinem Ende nahm der Ungluͤckliche, in Gegenwart seines Beichtvaters, von<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0064]
auf irgend eine Weise beleidiget oder gekraͤnket haͤtte, und ersuchte seinen Beichtvater, alle und jede zusammen, Stadt und Land, die er durch sein Verbrechen gedruͤckt, beschwert, betruͤbt und geaͤrgert habe, in seinem Namen um Vergebung zu bitten.«
»Sein Vater, ein zweiundachtzigjaͤhriger Greis, wurde vermocht, den Sohn noch einmal zu besuchen, der von ihm Vergebung alles dessen, worin er etwa seine kindliche Pflicht aus den Augen gesetzt haben moͤchte, auch der letzten Kraͤnkung durch sein Verbrechen, wehmuͤthig suchte, und sie unter guten Ermahnungen und Wuͤnschen vollkommen erhielt, auch dagegen den kummervollen Greis bat, seines Endes wegen sich zu beruhigen: da er versichert sey, daß er Vergebung und Gnade von Gott habe, und ihn bat, seiner Kinder sich noch ferner anzunehmen, das der Greis auch willigst zusagte, und der Sohn ihm hingegen versprach, daß er auch seinen Kindern, dessen Enkeln, beim Abschied von ihm anbefehlen wollte, ihm in allen gehorsam und beistaͤndig zu seyn. Der nun beruhigte Alte war so froh, daß er sich Kraͤfte wuͤnschte, dem besten Fuͤrsten sich zu Fuͤßen zu werfen, und ihm fuͤr die seinem Sohn erwiesene unverdiente Gnade des gemilderten Todesurtheils danken zu koͤnnen.«
»Zween Tage vor seinem Ende nahm der Ungluͤckliche, in Gegenwart seines Beichtvaters, von
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/64>, abgerufen am 23.02.2025. |