Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789."Nach dem Geständniß, und während der Erwartung, zu welcher Genugthuung die menschliche Gerechtigkeit ihn verurtheilen werde, blieb er bei einem Betragen, das die Aufmerksamkeit des Menschenforschers auf sich zog. Ueberhaupt war es demjenigen ähnlich, davon ich in der Nachricht von seiner Abzeichnung gedachte, und das ich damals einige Stunden zu beobachten Gelegenheit hatte. Jch weiß, daß die Meinungen darüber sich oft sehr getrennt haben. Da er fortfuhr, mit seiner Bescheidenheit und Höflichkeit die größte Gelassenheit zu verbinden; so hielten einige ihn für fühllos und verhärtet, andre für standhaft und unerschrocken; sein Blick hatte aber dabei nichts wildes, seine Reden nichts ungestümes oder verwirrtes. Er bezeigte nie ein Mißfallen, wenn andere kamen, ihn zu sehen, und wenn es solche waren, die er kannte, oft ein Wohlgefallen und Erkenntlichkeit. Er behielt eine gewisse Freimüthigkeit im Anblick und im Reden, und ein freundliches Lächeln in der Mine, das manchen, die es nicht begreifen konnten, Leichsinn und Frechheit schien. Was ihm von unziemlichen Betragen in der Haft nachgesagt wird, sind sicherlich Mißdeutungen falsch erhorchter Worte, oder muthwillige Erdichtung. Er blieb sich insgemein gleich, mogte wohl essen und hatte einen guten ruhigen Schlaf, so, daß von denen, die ihn am genauesten beobachten konnten, einsmals einer sagte, der Wachtmeister müsse ein sehr gut Gewis- »Nach dem Gestaͤndniß, und waͤhrend der Erwartung, zu welcher Genugthuung die menschliche Gerechtigkeit ihn verurtheilen werde, blieb er bei einem Betragen, das die Aufmerksamkeit des Menschenforschers auf sich zog. Ueberhaupt war es demjenigen aͤhnlich, davon ich in der Nachricht von seiner Abzeichnung gedachte, und das ich damals einige Stunden zu beobachten Gelegenheit hatte. Jch weiß, daß die Meinungen daruͤber sich oft sehr getrennt haben. Da er fortfuhr, mit seiner Bescheidenheit und Hoͤflichkeit die groͤßte Gelassenheit zu verbinden; so hielten einige ihn fuͤr fuͤhllos und verhaͤrtet, andre fuͤr standhaft und unerschrocken; sein Blick hatte aber dabei nichts wildes, seine Reden nichts ungestuͤmes oder verwirrtes. Er bezeigte nie ein Mißfallen, wenn andere kamen, ihn zu sehen, und wenn es solche waren, die er kannte, oft ein Wohlgefallen und Erkenntlichkeit. Er behielt eine gewisse Freimuͤthigkeit im Anblick und im Reden, und ein freundliches Laͤcheln in der Mine, das manchen, die es nicht begreifen konnten, Leichsinn und Frechheit schien. Was ihm von unziemlichen Betragen in der Haft nachgesagt wird, sind sicherlich Mißdeutungen falsch erhorchter Worte, oder muthwillige Erdichtung. Er blieb sich insgemein gleich, mogte wohl essen und hatte einen guten ruhigen Schlaf, so, daß von denen, die ihn am genauesten beobachten konnten, einsmals einer sagte, der Wachtmeister muͤsse ein sehr gut Gewis- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0057" n="55"/><lb/> <p>»Nach dem Gestaͤndniß, und waͤhrend der Erwartung, zu welcher Genugthuung die menschliche Gerechtigkeit ihn verurtheilen werde, blieb er bei einem Betragen, das die Aufmerksamkeit des Menschenforschers auf sich zog. Ueberhaupt war es demjenigen aͤhnlich, davon ich in der Nachricht von seiner Abzeichnung gedachte, und das ich damals einige Stunden zu beobachten Gelegenheit hatte. Jch weiß, daß die Meinungen daruͤber sich oft sehr getrennt haben. Da er fortfuhr, mit seiner Bescheidenheit und Hoͤflichkeit die groͤßte Gelassenheit zu verbinden; so hielten einige ihn fuͤr fuͤhllos und verhaͤrtet, andre fuͤr standhaft und unerschrocken; sein Blick hatte aber dabei nichts wildes, seine Reden nichts ungestuͤmes oder verwirrtes. Er bezeigte nie ein Mißfallen, wenn andere kamen, ihn zu sehen, und wenn es solche waren, die er kannte, oft ein Wohlgefallen und Erkenntlichkeit. Er behielt eine gewisse Freimuͤthigkeit im Anblick und im Reden, und ein freundliches Laͤcheln in der Mine, das manchen, die es nicht begreifen konnten, Leichsinn und Frechheit schien. Was ihm von unziemlichen Betragen in der Haft nachgesagt wird, sind sicherlich Mißdeutungen falsch erhorchter Worte, oder muthwillige Erdichtung. Er blieb sich insgemein <hi rendition="#b">gleich,</hi> mogte wohl essen und hatte einen guten ruhigen Schlaf, so, daß von denen, die ihn am genauesten beobachten konnten, einsmals einer sagte, der Wachtmeister muͤsse ein sehr gut Gewis-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0057]
»Nach dem Gestaͤndniß, und waͤhrend der Erwartung, zu welcher Genugthuung die menschliche Gerechtigkeit ihn verurtheilen werde, blieb er bei einem Betragen, das die Aufmerksamkeit des Menschenforschers auf sich zog. Ueberhaupt war es demjenigen aͤhnlich, davon ich in der Nachricht von seiner Abzeichnung gedachte, und das ich damals einige Stunden zu beobachten Gelegenheit hatte. Jch weiß, daß die Meinungen daruͤber sich oft sehr getrennt haben. Da er fortfuhr, mit seiner Bescheidenheit und Hoͤflichkeit die groͤßte Gelassenheit zu verbinden; so hielten einige ihn fuͤr fuͤhllos und verhaͤrtet, andre fuͤr standhaft und unerschrocken; sein Blick hatte aber dabei nichts wildes, seine Reden nichts ungestuͤmes oder verwirrtes. Er bezeigte nie ein Mißfallen, wenn andere kamen, ihn zu sehen, und wenn es solche waren, die er kannte, oft ein Wohlgefallen und Erkenntlichkeit. Er behielt eine gewisse Freimuͤthigkeit im Anblick und im Reden, und ein freundliches Laͤcheln in der Mine, das manchen, die es nicht begreifen konnten, Leichsinn und Frechheit schien. Was ihm von unziemlichen Betragen in der Haft nachgesagt wird, sind sicherlich Mißdeutungen falsch erhorchter Worte, oder muthwillige Erdichtung. Er blieb sich insgemein gleich, mogte wohl essen und hatte einen guten ruhigen Schlaf, so, daß von denen, die ihn am genauesten beobachten konnten, einsmals einer sagte, der Wachtmeister muͤsse ein sehr gut Gewis-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |