Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.Erinnerungen aus den ersten Jahren der Kindheit von Herrn ![]() Seite 62 ff. 4. B. 2. Stück. "Unauslöschlich, sagt der Herr Verfasser, haben sich die Vorstellungen von Figuren und Größen in mir abgedruckt, die aber mit der natürlichen Richtung meiner Seele nichts ähnliches hatten, flogen vorüber." Hieraus zieht er nun den Schluß: daß nicht die Lebhaftigkeit der Eindrücke Ursach ihrer Fortdauer in der Seele, sondern Uebereinstimmung mit dem ursprünglichen Character es wäre. "Jch bin aber, fährt er fort, noch nicht überzeugt, daß ursprünglich die Seelenkräfte des Kindes zu einer Art der Dinge mehr gestimmt sind, als zur andern, sondern daß sie dieses erst durch Anlässe werden, und daß sie sich nach Verhältniß der vorkommenden Gegenstände und ihrer Eindrücke aufs Herz mehr oder weniger entwickeln; oder das Kind empfand einmal ein Object sehr tief. Nur sind entweder viele von den folgenden Vorstellungen gleichartig, und gesellen sich zu den vorhergehenden, schmiegen sich an sie an, und so bestimmen sie schon den Character des Kindes auf einen Punkt, daß nicht leicht heterogene Gegenstände sie aus dieser Lage verdrängen können; an diese aufgefaßte adsociirte Jdeen erinnern wir uns nachher leicht wieder. Sind aber die folgenden Jdeen ungleichartig, so sind sie stärker oder nicht; sind sie dieses, so bringen sie übrigens keine Erinnerungen aus den ersten Jahren der Kindheit von Herrn ![]() Seite 62 ff. 4. B. 2. Stuͤck. »Unausloͤschlich, sagt der Herr Verfasser, haben sich die Vorstellungen von Figuren und Groͤßen in mir abgedruckt, die aber mit der natuͤrlichen Richtung meiner Seele nichts aͤhnliches hatten, flogen voruͤber.« Hieraus zieht er nun den Schluß: daß nicht die Lebhaftigkeit der Eindruͤcke Ursach ihrer Fortdauer in der Seele, sondern Uebereinstimmung mit dem urspruͤnglichen Character es waͤre. »Jch bin aber, faͤhrt er fort, noch nicht uͤberzeugt, daß urspruͤnglich die Seelenkraͤfte des Kindes zu einer Art der Dinge mehr gestimmt sind, als zur andern, sondern daß sie dieses erst durch Anlaͤsse werden, und daß sie sich nach Verhaͤltniß der vorkommenden Gegenstaͤnde und ihrer Eindruͤcke aufs Herz mehr oder weniger entwickeln; oder das Kind empfand einmal ein Object sehr tief. Nur sind entweder viele von den folgenden Vorstellungen gleichartig, und gesellen sich zu den vorhergehenden, schmiegen sich an sie an, und so bestimmen sie schon den Character des Kindes auf einen Punkt, daß nicht leicht heterogene Gegenstaͤnde sie aus dieser Lage verdraͤngen koͤnnen; an diese aufgefaßte adsociirte Jdeen erinnern wir uns nachher leicht wieder. Sind aber die folgenden Jdeen ungleichartig, so sind sie staͤrker oder nicht; sind sie dieses, so bringen sie uͤbrigens keine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0017" n="15"/><lb/> <div n="3"> <head>Erinnerungen aus den ersten Jahren der Kindheit von Herrn <persName ref="#ref0006"><note type="editorial">Schlichting, Johann Ludwig Adam</note>Schlichting</persName> in Wien.<lb/> Seite 62 ff. 4. B. 2. Stuͤck.</head><lb/> <p>»Unausloͤschlich, sagt der Herr Verfasser, haben sich die Vorstellungen von Figuren und Groͤßen in mir abgedruckt, die aber mit der natuͤrlichen Richtung meiner Seele nichts aͤhnliches hatten, flogen voruͤber.« Hieraus zieht er nun den Schluß: <hi rendition="#b">daß nicht die Lebhaftigkeit der Eindruͤcke Ursach ihrer Fortdauer in der Seele, sondern Uebereinstimmung mit dem urspruͤnglichen Character es waͤre.</hi> »Jch bin aber, faͤhrt er fort, noch nicht uͤberzeugt, daß <hi rendition="#b">urspruͤnglich</hi> die Seelenkraͤfte des Kindes zu einer Art der Dinge mehr gestimmt sind, als zur andern, sondern daß sie dieses erst durch Anlaͤsse werden, und daß sie sich nach Verhaͤltniß der vorkommenden Gegenstaͤnde und ihrer Eindruͤcke aufs Herz mehr oder weniger entwickeln; oder das Kind empfand einmal ein Object sehr tief. Nur sind entweder viele von den folgenden Vorstellungen gleichartig, und gesellen sich zu den vorhergehenden, schmiegen sich an sie an, und so bestimmen sie schon den Character des Kindes auf einen Punkt, daß nicht leicht heterogene Gegenstaͤnde sie aus dieser Lage verdraͤngen koͤnnen; an diese aufgefaßte adsociirte Jdeen erinnern wir uns nachher leicht wieder. Sind aber die folgenden Jdeen ungleichartig, so sind sie staͤrker oder nicht; sind sie dieses, so bringen sie uͤbrigens keine<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0017]
Erinnerungen aus den ersten Jahren der Kindheit von Herrn Schlichting in Wien.
Seite 62 ff. 4. B. 2. Stuͤck.
»Unausloͤschlich, sagt der Herr Verfasser, haben sich die Vorstellungen von Figuren und Groͤßen in mir abgedruckt, die aber mit der natuͤrlichen Richtung meiner Seele nichts aͤhnliches hatten, flogen voruͤber.« Hieraus zieht er nun den Schluß: daß nicht die Lebhaftigkeit der Eindruͤcke Ursach ihrer Fortdauer in der Seele, sondern Uebereinstimmung mit dem urspruͤnglichen Character es waͤre. »Jch bin aber, faͤhrt er fort, noch nicht uͤberzeugt, daß urspruͤnglich die Seelenkraͤfte des Kindes zu einer Art der Dinge mehr gestimmt sind, als zur andern, sondern daß sie dieses erst durch Anlaͤsse werden, und daß sie sich nach Verhaͤltniß der vorkommenden Gegenstaͤnde und ihrer Eindruͤcke aufs Herz mehr oder weniger entwickeln; oder das Kind empfand einmal ein Object sehr tief. Nur sind entweder viele von den folgenden Vorstellungen gleichartig, und gesellen sich zu den vorhergehenden, schmiegen sich an sie an, und so bestimmen sie schon den Character des Kindes auf einen Punkt, daß nicht leicht heterogene Gegenstaͤnde sie aus dieser Lage verdraͤngen koͤnnen; an diese aufgefaßte adsociirte Jdeen erinnern wir uns nachher leicht wieder. Sind aber die folgenden Jdeen ungleichartig, so sind sie staͤrker oder nicht; sind sie dieses, so bringen sie uͤbrigens keine
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/17 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/17>, abgerufen am 17.02.2025. |