Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.
Die hier erwähnte Patientin, ein Mädchen von siebzehn Jahren, war Anfangs Febr., nachdem sie Vormittags bei harter Kälte den Gottesdienst abgewartet, Mittags nach dem Essen in einen Schlaf gefallen, darin sie mit den Händen allerlei Grimassen gemacht, nach diesem gelächelt und endlich laut zu lachen angefangen. Worauf bald weinende Minen und thränende Augen wahrgenommen worden, bis sie endlich nach einer starken Viertelstunde wieder zu sich selbst gekommen und von allen diesen Dingen nichts gewußt. (Offenbar war dieser anfängliche Zufall krampfhaft.) Drei Tage nachher hat sich obiger Paroxismus auf gleiche Art wieder eingefunden. Etliche Tage darauf hat sie wegen zustoßender Mattigkeit bettlägrig werden müssen, da denn alle Tage, und zwar des Tages etlichemal, sich obige Zufälle eingefunden, wenn sie nehmlich anfangs in einen matten Schlaf gefallen zu seyn geschienen, nachgehends aber allerlei Minen, bald lachend, bald weinend, bald freundlich, bald trotzig, so wie man die Affecten durch Minen auszudrücken pflegt, gezeigt, und solche auch mit allerlei Bewegungen der Hände lebhafter gemacht. Endlich hat sie zu reden angefangen, und allerlei moralische und biblische Gespräche geführt. Wenn man ihr in die Rede gefallen und über dieß und jenes befragt hat, hat sie ganz ver-
Die hier erwaͤhnte Patientin, ein Maͤdchen von siebzehn Jahren, war Anfangs Febr., nachdem sie Vormittags bei harter Kaͤlte den Gottesdienst abgewartet, Mittags nach dem Essen in einen Schlaf gefallen, darin sie mit den Haͤnden allerlei Grimassen gemacht, nach diesem gelaͤchelt und endlich laut zu lachen angefangen. Worauf bald weinende Minen und thraͤnende Augen wahrgenommen worden, bis sie endlich nach einer starken Viertelstunde wieder zu sich selbst gekommen und von allen diesen Dingen nichts gewußt. (Offenbar war dieser anfaͤngliche Zufall krampfhaft.) Drei Tage nachher hat sich obiger Paroxismus auf gleiche Art wieder eingefunden. Etliche Tage darauf hat sie wegen zustoßender Mattigkeit bettlaͤgrig werden muͤssen, da denn alle Tage, und zwar des Tages etlichemal, sich obige Zufaͤlle eingefunden, wenn sie nehmlich anfangs in einen matten Schlaf gefallen zu seyn geschienen, nachgehends aber allerlei Minen, bald lachend, bald weinend, bald freundlich, bald trotzig, so wie man die Affecten durch Minen auszudruͤcken pflegt, gezeigt, und solche auch mit allerlei Bewegungen der Haͤnde lebhafter gemacht. Endlich hat sie zu reden angefangen, und allerlei moralische und biblische Gespraͤche gefuͤhrt. Wenn man ihr in die Rede gefallen und uͤber dieß und jenes befragt hat, hat sie ganz ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0100" n="98"/><lb/> zimmer erzaͤhlt, der eben so sehr unsre Aufmerksamkeit, als vorhergehender, verdient.</p> <p>Die hier erwaͤhnte Patientin, ein Maͤdchen von siebzehn Jahren, war Anfangs Febr., nachdem sie Vormittags bei harter Kaͤlte den Gottesdienst abgewartet, Mittags nach dem Essen in einen Schlaf gefallen, darin sie mit den Haͤnden allerlei Grimassen gemacht, nach diesem gelaͤchelt und endlich laut zu lachen angefangen. Worauf bald weinende Minen und thraͤnende Augen wahrgenommen worden, bis sie endlich nach einer starken Viertelstunde wieder zu sich selbst gekommen und von allen diesen Dingen nichts gewußt. (Offenbar war dieser anfaͤngliche Zufall krampfhaft.) Drei Tage nachher hat sich obiger Paroxismus auf gleiche Art wieder eingefunden. Etliche Tage darauf hat sie wegen zustoßender Mattigkeit bettlaͤgrig werden muͤssen, da denn alle Tage, und zwar des Tages etlichemal, sich obige Zufaͤlle eingefunden, wenn sie nehmlich anfangs in einen matten Schlaf gefallen zu seyn geschienen, nachgehends aber allerlei Minen, bald lachend, bald weinend, bald freundlich, bald trotzig, so wie man die Affecten durch Minen auszudruͤcken pflegt, gezeigt, und solche auch mit allerlei Bewegungen der Haͤnde lebhafter gemacht. Endlich hat sie zu reden angefangen, und allerlei moralische und biblische Gespraͤche gefuͤhrt. Wenn man ihr in die Rede gefallen und uͤber dieß und jenes befragt hat, hat sie ganz ver-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0100]
zimmer erzaͤhlt, der eben so sehr unsre Aufmerksamkeit, als vorhergehender, verdient.
Die hier erwaͤhnte Patientin, ein Maͤdchen von siebzehn Jahren, war Anfangs Febr., nachdem sie Vormittags bei harter Kaͤlte den Gottesdienst abgewartet, Mittags nach dem Essen in einen Schlaf gefallen, darin sie mit den Haͤnden allerlei Grimassen gemacht, nach diesem gelaͤchelt und endlich laut zu lachen angefangen. Worauf bald weinende Minen und thraͤnende Augen wahrgenommen worden, bis sie endlich nach einer starken Viertelstunde wieder zu sich selbst gekommen und von allen diesen Dingen nichts gewußt. (Offenbar war dieser anfaͤngliche Zufall krampfhaft.) Drei Tage nachher hat sich obiger Paroxismus auf gleiche Art wieder eingefunden. Etliche Tage darauf hat sie wegen zustoßender Mattigkeit bettlaͤgrig werden muͤssen, da denn alle Tage, und zwar des Tages etlichemal, sich obige Zufaͤlle eingefunden, wenn sie nehmlich anfangs in einen matten Schlaf gefallen zu seyn geschienen, nachgehends aber allerlei Minen, bald lachend, bald weinend, bald freundlich, bald trotzig, so wie man die Affecten durch Minen auszudruͤcken pflegt, gezeigt, und solche auch mit allerlei Bewegungen der Haͤnde lebhafter gemacht. Endlich hat sie zu reden angefangen, und allerlei moralische und biblische Gespraͤche gefuͤhrt. Wenn man ihr in die Rede gefallen und uͤber dieß und jenes befragt hat, hat sie ganz ver-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/100>, abgerufen am 23.02.2025. |