Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0099" n="99"/><lb/> und sah und hoͤrte, und las, und dachte und empfand alles nur im Bezug auf seine Offenbahrung. Er aͤußerte dies zuerst in den oͤffentlichen Theologischen Vorlesungen. Eben der wackere Mann, mit dem ich, uͤber den Ausbruch seiner Seelenkrankheit korrespondirte, las uͤber die Dogmatik, und pflegte Franzen, als dem Scharfsinnigsten unter seinen Zuhoͤrern, haͤufig waͤhrend seiner Vorlesung schwere und verwickelte Fragen vorzulegen. Bald fiel es ihm auf, wie ein Kopf, der ehemals die schwierigsten Aufgaben so schoͤn auf die <choice><corr>lautersten</corr><sic>lautesten</sic></choice> Grundsaͤtze der Philosophie zuruͤkfuͤhrte, sich nun auf einmal so ganz in die Offenbahrung verliehren konnte. Er entfernte also seine Fragen absichtlich von diesem Thema: aber umsonst; die heterogenste Materie zog Franz mit Haaren in sein Lieblingsfach hinuͤber. — Seine Freunde und Mitschuͤler hielten dies erst fuͤr Grille, fuͤr eine Art verdekten Stolzes, fuͤr einen kurzen zufaͤlligen Vorsatz, gerade da die Ueberlegenheit seines Kopfes zu zeigen, wo so viele strauchelten. — Und vielleicht mochte wuͤrklich eine aͤhnliche Ursache zu den obigen stoßen. — Zwey seiner vertrautesten Haus- und Tischfreunde drangen deshalb aufs angelegentlichste in ihn. Aber sie fanden zu ihrem Erstaunen das Uebel schon so tief gewurzelt, daß ihnen vor der Zukunft zu grauen anfing. Sie liessen sich mit ihm in ernsthaftere Unterredungen ein, boten all ihre Kenntnisse, all ihre Beurtheilung auf, ihren Freund von seinem<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [99/0099]
und sah und hoͤrte, und las, und dachte und empfand alles nur im Bezug auf seine Offenbahrung. Er aͤußerte dies zuerst in den oͤffentlichen Theologischen Vorlesungen. Eben der wackere Mann, mit dem ich, uͤber den Ausbruch seiner Seelenkrankheit korrespondirte, las uͤber die Dogmatik, und pflegte Franzen, als dem Scharfsinnigsten unter seinen Zuhoͤrern, haͤufig waͤhrend seiner Vorlesung schwere und verwickelte Fragen vorzulegen. Bald fiel es ihm auf, wie ein Kopf, der ehemals die schwierigsten Aufgaben so schoͤn auf die lautersten Grundsaͤtze der Philosophie zuruͤkfuͤhrte, sich nun auf einmal so ganz in die Offenbahrung verliehren konnte. Er entfernte also seine Fragen absichtlich von diesem Thema: aber umsonst; die heterogenste Materie zog Franz mit Haaren in sein Lieblingsfach hinuͤber. — Seine Freunde und Mitschuͤler hielten dies erst fuͤr Grille, fuͤr eine Art verdekten Stolzes, fuͤr einen kurzen zufaͤlligen Vorsatz, gerade da die Ueberlegenheit seines Kopfes zu zeigen, wo so viele strauchelten. — Und vielleicht mochte wuͤrklich eine aͤhnliche Ursache zu den obigen stoßen. — Zwey seiner vertrautesten Haus- und Tischfreunde drangen deshalb aufs angelegentlichste in ihn. Aber sie fanden zu ihrem Erstaunen das Uebel schon so tief gewurzelt, daß ihnen vor der Zukunft zu grauen anfing. Sie liessen sich mit ihm in ernsthaftere Unterredungen ein, boten all ihre Kenntnisse, all ihre Beurtheilung auf, ihren Freund von seinem
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