Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.
Jm dritten Jahre begann er seine Theologische Laufbahn, und dieß mußte der Abgrund seyn, in welchen alle seine Anlagen und Kenntnisse, alle seine Plane, und Aussichten, all die süssen Träume, und Hoffnungen seines Vaters, und seiner Freunde auf ewig versanken. Das Studium der Kirchengeschichte, und der Bibel im Grundtext zog bald die ungetheilte Aufmerksamkeit seiner ganzen Seele an. Alle übrige Theologische Wissenschaften trieb er nur, in so fern sie ihm Licht über dies Buch aller Bücher leihen konnten. Jch weiß nicht, welch ein unseliges Ungefähr ihn frühzeitig antrieb, die Offenbahrung des Johannes zum Hauptgegenstande seiner Schriftforschung zu machen. Vielleicht seine lebhafte Phantasie, -- vielleicht Neigung zum Wunderbaren und Mystischen; -- vielleicht auch eben die Schwierigkeit, womit die Auslegung dieses dunkeln, bildlichen, von einer glühenden Dichter-Phantasie er-
Jm dritten Jahre begann er seine Theologische Laufbahn, und dieß mußte der Abgrund seyn, in welchen alle seine Anlagen und Kenntnisse, alle seine Plane, und Aussichten, all die suͤssen Traͤume, und Hoffnungen seines Vaters, und seiner Freunde auf ewig versanken. Das Studium der Kirchengeschichte, und der Bibel im Grundtext zog bald die ungetheilte Aufmerksamkeit seiner ganzen Seele an. Alle uͤbrige Theologische Wissenschaften trieb er nur, in so fern sie ihm Licht uͤber dies Buch aller Buͤcher leihen konnten. Jch weiß nicht, welch ein unseliges Ungefaͤhr ihn fruͤhzeitig antrieb, die Offenbahrung des Johannes zum Hauptgegenstande seiner Schriftforschung zu machen. Vielleicht seine lebhafte Phantasie, — vielleicht Neigung zum Wunderbaren und Mystischen; — vielleicht auch eben die Schwierigkeit, womit die Auslegung dieses dunkeln, bildlichen, von einer gluͤhenden Dichter-Phantasie er- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0097" n="97"/><lb/> sein schnelles Fassungsvermoͤgen, und sein Privatfleiß zogen hier in kurzem die auszeichnende Aufmerksamkeit seiner Lehrer auf ihn. Er machte den ganzen philosophischen Cursus durch, und hatte sich die Wolfische Philosophie, die damals <choice><corr>gang</corr><sic>gaͤng</sic></choice> und gaͤbe war, bald so eigen gemacht daß er ein paarmal bei oͤffentlichen Disputationen seinem Praͤses den kalten Schweis aus der Stirne trieb.</p> <p>Jm dritten Jahre begann er seine Theologische Laufbahn, und dieß mußte der Abgrund seyn, in welchen alle seine Anlagen und Kenntnisse, alle seine Plane, und Aussichten, all die suͤssen Traͤume, und Hoffnungen seines Vaters, und seiner Freunde auf ewig versanken.</p> <p>Das Studium der Kirchengeschichte, und der Bibel im Grundtext zog bald die ungetheilte Aufmerksamkeit seiner ganzen Seele an. Alle uͤbrige Theologische <choice><corr>Wissenschaften</corr><sic>Wissenfchaften</sic></choice> trieb er nur, in so fern sie ihm Licht uͤber dies Buch aller Buͤcher leihen konnten. Jch weiß nicht, welch ein unseliges Ungefaͤhr ihn fruͤhzeitig antrieb, die Offenbahrung des Johannes zum Hauptgegenstande seiner Schriftforschung zu machen. Vielleicht seine lebhafte Phantasie, — vielleicht Neigung zum Wunderbaren und Mystischen; — vielleicht auch eben die Schwierigkeit, womit die Auslegung dieses dunkeln, bildlichen, von einer gluͤhenden Dichter-Phantasie er-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [97/0097]
sein schnelles Fassungsvermoͤgen, und sein Privatfleiß zogen hier in kurzem die auszeichnende Aufmerksamkeit seiner Lehrer auf ihn. Er machte den ganzen philosophischen Cursus durch, und hatte sich die Wolfische Philosophie, die damals gang und gaͤbe war, bald so eigen gemacht daß er ein paarmal bei oͤffentlichen Disputationen seinem Praͤses den kalten Schweis aus der Stirne trieb.
Jm dritten Jahre begann er seine Theologische Laufbahn, und dieß mußte der Abgrund seyn, in welchen alle seine Anlagen und Kenntnisse, alle seine Plane, und Aussichten, all die suͤssen Traͤume, und Hoffnungen seines Vaters, und seiner Freunde auf ewig versanken.
Das Studium der Kirchengeschichte, und der Bibel im Grundtext zog bald die ungetheilte Aufmerksamkeit seiner ganzen Seele an. Alle uͤbrige Theologische Wissenschaften trieb er nur, in so fern sie ihm Licht uͤber dies Buch aller Buͤcher leihen konnten. Jch weiß nicht, welch ein unseliges Ungefaͤhr ihn fruͤhzeitig antrieb, die Offenbahrung des Johannes zum Hauptgegenstande seiner Schriftforschung zu machen. Vielleicht seine lebhafte Phantasie, — vielleicht Neigung zum Wunderbaren und Mystischen; — vielleicht auch eben die Schwierigkeit, womit die Auslegung dieses dunkeln, bildlichen, von einer gluͤhenden Dichter-Phantasie er-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/97>, abgerufen am 16.07.2024. |