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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.

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Wenn es gleich eine Liebe geben kann, die aus Ueberzeugung von der vollkommensten Treue des geliebten Gegenstandes gar nicht eifersüchtig ist; so irrt sich doch Cartesius in der That, wenn er die Eifersucht für ein Zeichen einer nicht wahrhaften Liebe hält. Je wahrhafter, ernstlicher und wärmer wir einen Gegenstand lieben, jemehr liegt uns daran, ihn zu besitzen und uns in seinem Besitz zu erhalten. -- Dies ist ein Erfahrungssatz, der in der Natur unsrer Seele seinen guten Grund hat. Bei aller Ueberzeugung von der Treue des geliebten Gegenstandes werden wir doch nicht immer jedem Argwohn ausweichen können, zumahl wenn wir das menschliche Herz genau studirt, und seine Veränderlichkeit kennen gelernt haben. Die Eifersucht ist ferner nicht immer ein Beweis, daß man von sich selbst oder von dem Geliebten eine böse Meinung haben müsse. Unzählig oft, und fast immer wird sich der Eifersüchtige besser vorkommen, als sein Nebenbuhler, und wir werden auf der andern Seite von dem geliebten Gegenstande oft die beste Jdee haben, aber es doch nicht immer dahin bringen können, daß wir über den Eindruk nicht mißvergnügt seyn sollten, welchen unser Nebenbuhler auf die Geliebte, oder diese nur auf jenen gemacht hat, wenn wir auch glauben, daß wir den geliebten Gegenstand immer besitzen würden. -- Daß der Eifersüchtige nicht eigentlich sein Weib selbst liebt, sondern in so fern er sie nur als ein Gut betrachtet, das er in sei-


Wenn es gleich eine Liebe geben kann, die aus Ueberzeugung von der vollkommensten Treue des geliebten Gegenstandes gar nicht eifersuͤchtig ist; so irrt sich doch Cartesius in der That, wenn er die Eifersucht fuͤr ein Zeichen einer nicht wahrhaften Liebe haͤlt. Je wahrhafter, ernstlicher und waͤrmer wir einen Gegenstand lieben, jemehr liegt uns daran, ihn zu besitzen und uns in seinem Besitz zu erhalten. — Dies ist ein Erfahrungssatz, der in der Natur unsrer Seele seinen guten Grund hat. Bei aller Ueberzeugung von der Treue des geliebten Gegenstandes werden wir doch nicht immer jedem Argwohn ausweichen koͤnnen, zumahl wenn wir das menschliche Herz genau studirt, und seine Veraͤnderlichkeit kennen gelernt haben. Die Eifersucht ist ferner nicht immer ein Beweis, daß man von sich selbst oder von dem Geliebten eine boͤse Meinung haben muͤsse. Unzaͤhlig oft, und fast immer wird sich der Eifersuͤchtige besser vorkommen, als sein Nebenbuhler, und wir werden auf der andern Seite von dem geliebten Gegenstande oft die beste Jdee haben, aber es doch nicht immer dahin bringen koͤnnen, daß wir uͤber den Eindruk nicht mißvergnuͤgt seyn sollten, welchen unser Nebenbuhler auf die Geliebte, oder diese nur auf jenen gemacht hat, wenn wir auch glauben, daß wir den geliebten Gegenstand immer besitzen wuͤrden. — Daß der Eifersuͤchtige nicht eigentlich sein Weib selbst liebt, sondern in so fern er sie nur als ein Gut betrachtet, das er in sei-

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[72/0072] Wenn es gleich eine Liebe geben kann, die aus Ueberzeugung von der vollkommensten Treue des geliebten Gegenstandes gar nicht eifersuͤchtig ist; so irrt sich doch Cartesius in der That, wenn er die Eifersucht fuͤr ein Zeichen einer nicht wahrhaften Liebe haͤlt. Je wahrhafter, ernstlicher und waͤrmer wir einen Gegenstand lieben, jemehr liegt uns daran, ihn zu besitzen und uns in seinem Besitz zu erhalten. — Dies ist ein Erfahrungssatz, der in der Natur unsrer Seele seinen guten Grund hat. Bei aller Ueberzeugung von der Treue des geliebten Gegenstandes werden wir doch nicht immer jedem Argwohn ausweichen koͤnnen, zumahl wenn wir das menschliche Herz genau studirt, und seine Veraͤnderlichkeit kennen gelernt haben. Die Eifersucht ist ferner nicht immer ein Beweis, daß man von sich selbst oder von dem Geliebten eine boͤse Meinung haben muͤsse. Unzaͤhlig oft, und fast immer wird sich der Eifersuͤchtige besser vorkommen, als sein Nebenbuhler, und wir werden auf der andern Seite von dem geliebten Gegenstande oft die beste Jdee haben, aber es doch nicht immer dahin bringen koͤnnen, daß wir uͤber den Eindruk nicht mißvergnuͤgt seyn sollten, welchen unser Nebenbuhler auf die Geliebte, oder diese nur auf jenen gemacht hat, wenn wir auch glauben, daß wir den geliebten Gegenstand immer besitzen wuͤrden. — Daß der Eifersuͤchtige nicht eigentlich sein Weib selbst liebt, sondern in so fern er sie nur als ein Gut betrachtet, das er in sei-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/72>, abgerufen am 26.11.2024.