Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.g) Noch heftiger und wüthender wird der Haß des Gemüths, wenn eine Freundin auf die andre eifersüchtig zu seyn Ursach zu haben glaubt. Alle Freundschaft und Vertraulichkeit wird denn gemeiniglich auf einmal abgebrochen, alles Gute wird an der Freundinn verkannt, alle Fehler in das helleste Licht gestellet. Nie ist die Medisance wortreicher, lauter, beißender, giftiger als bei einem eifersüchtigen Frauenzimmer, zumal wenn ihr die Reitze fehlen, wodurch der entwischte Liebhaber noch aufgehalten werden könnte, und durch nichts läuft der Verstand der klügsten Weiber leichter davon, als durch jenen wilden Affect. -- Ueberhaupt möchte ich behaupten, daß das andre Geschlecht viel eifersüchtiger, als das unsrige ist, weil alle seine Leidenschaften eine größere Lebhaftigkeit haben, und weil es eitler, als das unsrige ist, folglich durchaus nicht gern etwas verliehren mag, was sein feines Ehrgefühl unterhält. Die Geschichte der Menschheit zeigt uns unzählige Beispiele von den heftigen Ausbrüchen der weiblichen Eifersucht, vielleicht hat keine Leidenschaft des menschlichen Gemüths so fürchterliche Ränke, solch eine schrekliche Rachsucht, und so viel unerhörte Bosheiten ersonnen, als die weibliche Jalousie. Wie oft hat sie Unschuldige ermordet, blühende Familien ins größte Elend hinabgestürzt, ewigen Hader zwischen sich liebenden Gatten und Freunden gestiftet! Jhr höchster Grad war wohl der, wenn sie selbst die, die g) Noch heftiger und wuͤthender wird der Haß des Gemuͤths, wenn eine Freundin auf die andre eifersuͤchtig zu seyn Ursach zu haben glaubt. Alle Freundschaft und Vertraulichkeit wird denn gemeiniglich auf einmal abgebrochen, alles Gute wird an der Freundinn verkannt, alle Fehler in das helleste Licht gestellet. Nie ist die Medisance wortreicher, lauter, beißender, giftiger als bei einem eifersuͤchtigen Frauenzimmer, zumal wenn ihr die Reitze fehlen, wodurch der entwischte Liebhaber noch aufgehalten werden koͤnnte, und durch nichts laͤuft der Verstand der kluͤgsten Weiber leichter davon, als durch jenen wilden Affect. — Ueberhaupt moͤchte ich behaupten, daß das andre Geschlecht viel eifersuͤchtiger, als das unsrige ist, weil alle seine Leidenschaften eine groͤßere Lebhaftigkeit haben, und weil es eitler, als das unsrige ist, folglich durchaus nicht gern etwas verliehren mag, was sein feines Ehrgefuͤhl unterhaͤlt. Die Geschichte der Menschheit zeigt uns unzaͤhlige Beispiele von den heftigen Ausbruͤchen der weiblichen Eifersucht, vielleicht hat keine Leidenschaft des menschlichen Gemuͤths so fuͤrchterliche Raͤnke, solch eine schrekliche Rachsucht, und so viel unerhoͤrte Bosheiten ersonnen, als die weibliche Jalousie. Wie oft hat sie Unschuldige ermordet, bluͤhende Familien ins groͤßte Elend hinabgestuͤrzt, ewigen Hader zwischen sich liebenden Gatten und Freunden gestiftet! Jhr hoͤchster Grad war wohl der, wenn sie selbst die, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0063" n="63"/><lb/> <p><hi rendition="#aq">g)</hi> Noch heftiger und wuͤthender wird der Haß des Gemuͤths, wenn eine Freundin auf die andre eifersuͤchtig zu seyn Ursach zu haben glaubt. Alle Freundschaft und Vertraulichkeit wird denn gemeiniglich auf einmal abgebrochen, alles Gute wird an der Freundinn verkannt, alle Fehler in das helleste Licht gestellet. Nie ist die Medisance wortreicher, lauter, beißender, giftiger als bei einem eifersuͤchtigen Frauenzimmer, zumal wenn ihr die Reitze fehlen, wodurch der entwischte Liebhaber noch aufgehalten werden koͤnnte, und durch nichts laͤuft der Verstand der kluͤgsten Weiber leichter davon, als durch jenen wilden Affect. — Ueberhaupt moͤchte ich behaupten, daß das andre Geschlecht viel eifersuͤchtiger, als das unsrige ist, weil alle seine Leidenschaften eine groͤßere Lebhaftigkeit haben, und weil es eitler, als das unsrige ist, folglich durchaus nicht gern etwas verliehren mag, was sein feines Ehrgefuͤhl unterhaͤlt. Die Geschichte der Menschheit zeigt uns unzaͤhlige Beispiele von den heftigen Ausbruͤchen der weiblichen Eifersucht, vielleicht hat keine Leidenschaft des menschlichen Gemuͤths so fuͤrchterliche Raͤnke, solch eine schrekliche Rachsucht, und so viel unerhoͤrte Bosheiten ersonnen, als die weibliche Jalousie. Wie oft hat sie Unschuldige ermordet, bluͤhende Familien ins groͤßte Elend hinabgestuͤrzt, ewigen Hader zwischen sich liebenden Gatten und Freunden gestiftet! Jhr hoͤchster Grad war wohl der, wenn sie selbst die, die<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [63/0063]
g) Noch heftiger und wuͤthender wird der Haß des Gemuͤths, wenn eine Freundin auf die andre eifersuͤchtig zu seyn Ursach zu haben glaubt. Alle Freundschaft und Vertraulichkeit wird denn gemeiniglich auf einmal abgebrochen, alles Gute wird an der Freundinn verkannt, alle Fehler in das helleste Licht gestellet. Nie ist die Medisance wortreicher, lauter, beißender, giftiger als bei einem eifersuͤchtigen Frauenzimmer, zumal wenn ihr die Reitze fehlen, wodurch der entwischte Liebhaber noch aufgehalten werden koͤnnte, und durch nichts laͤuft der Verstand der kluͤgsten Weiber leichter davon, als durch jenen wilden Affect. — Ueberhaupt moͤchte ich behaupten, daß das andre Geschlecht viel eifersuͤchtiger, als das unsrige ist, weil alle seine Leidenschaften eine groͤßere Lebhaftigkeit haben, und weil es eitler, als das unsrige ist, folglich durchaus nicht gern etwas verliehren mag, was sein feines Ehrgefuͤhl unterhaͤlt. Die Geschichte der Menschheit zeigt uns unzaͤhlige Beispiele von den heftigen Ausbruͤchen der weiblichen Eifersucht, vielleicht hat keine Leidenschaft des menschlichen Gemuͤths so fuͤrchterliche Raͤnke, solch eine schrekliche Rachsucht, und so viel unerhoͤrte Bosheiten ersonnen, als die weibliche Jalousie. Wie oft hat sie Unschuldige ermordet, bluͤhende Familien ins groͤßte Elend hinabgestuͤrzt, ewigen Hader zwischen sich liebenden Gatten und Freunden gestiftet! Jhr hoͤchster Grad war wohl der, wenn sie selbst die, die
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/63>, abgerufen am 16.07.2024. |