sonnene Rabenvater, der weder für seine Frau, noch Kinder gesorgt hat. item. Am jüngsten Tage wolle sie sagen: hier ist der gottlose Rabenvater, richte ihn Gott nach dem strengsten! denn er hat die Hölle an mir verdient; noch weiter und immer fort plagte sie ihn mit bittern Vorwürfen, daß er ein alter unverständiger Rabenvater, und daß er werth sey, daß man Leute kommen und ihn mit Steknadeln zerkratzen ließe. Aus diesen anhaltenden Zänkereien und Beängstigungen, wovon ihm immer seine Gedanken vergangen und welcher Unfriede mit seinem Eheweibe 4 bis 5 Monat fortgedauert, sey endlich die Verzweifelung und der Wunsch entstanden, daß sein Leben ein Ende nehmen möchte. Er wäre bei diesen Plagen denn auch zugleich mißtrauisch auf die göttliche Vorsorge geworden, der Gedanke daß er und sein Weib nicht mehr von den halben Einkünften der Pfarre hätten leben können, ferner daß nach seinem Tode sein Weib würde Noth und Schimpf leiden müssen, hätte nun vollends alles dazu beigetragen, sich sowohl, als sein Weib aus der Welt hinaus zu schaffen, -- sich, um sich von seinen vielen Plagen und bei seiner langen Blindheit ausgestandenen Lebensüberdruß zu befreien, sein Weib, um sie vor aller künftigen Noth zu sichern. Es sey demnach in ihm der veste Vorsatz entstanden, sein Eheweib zu ermorden, und sich den Händen der Obrigkeit zu überliefern, damit auch er von der Welt käme, und aller seiner tägli-
sonnene Rabenvater, der weder fuͤr seine Frau, noch Kinder gesorgt hat. item. Am juͤngsten Tage wolle sie sagen: hier ist der gottlose Rabenvater, richte ihn Gott nach dem strengsten! denn er hat die Hoͤlle an mir verdient; noch weiter und immer fort plagte sie ihn mit bittern Vorwuͤrfen, daß er ein alter unverstaͤndiger Rabenvater, und daß er werth sey, daß man Leute kommen und ihn mit Steknadeln zerkratzen ließe. Aus diesen anhaltenden Zaͤnkereien und Beaͤngstigungen, wovon ihm immer seine Gedanken vergangen und welcher Unfriede mit seinem Eheweibe 4 bis 5 Monat fortgedauert, sey endlich die Verzweifelung und der Wunsch entstanden, daß sein Leben ein Ende nehmen moͤchte. Er waͤre bei diesen Plagen denn auch zugleich mißtrauisch auf die goͤttliche Vorsorge geworden, der Gedanke daß er und sein Weib nicht mehr von den halben Einkuͤnften der Pfarre haͤtten leben koͤnnen, ferner daß nach seinem Tode sein Weib wuͤrde Noth und Schimpf leiden muͤssen, haͤtte nun vollends alles dazu beigetragen, sich sowohl, als sein Weib aus der Welt hinaus zu schaffen, — sich, um sich von seinen vielen Plagen und bei seiner langen Blindheit ausgestandenen Lebensuͤberdruß zu befreien, sein Weib, um sie vor aller kuͤnftigen Noth zu sichern. Es sey demnach in ihm der veste Vorsatz entstanden, sein Eheweib zu ermorden, und sich den Haͤnden der Obrigkeit zu uͤberliefern, damit auch er von der Welt kaͤme, und aller seiner taͤgli-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><hirendition="#b"><pbfacs="#f0030"n="30"/><lb/>
sonnene Rabenvater,</hi> der weder fuͤr seine Frau, noch Kinder gesorgt hat. <hirendition="#aq">item.</hi> Am juͤngsten Tage wolle sie sagen: <hirendition="#b">hier ist der gottlose Rabenvater, richte ihn Gott nach dem strengsten! denn er hat die Hoͤlle an mir verdient;</hi> noch weiter und immer fort plagte sie ihn mit bittern Vorwuͤrfen, daß er ein alter unverstaͤndiger Rabenvater, und daß er werth sey, daß man Leute kommen und ihn mit Steknadeln zerkratzen ließe. Aus diesen anhaltenden Zaͤnkereien und Beaͤngstigungen, wovon ihm immer seine Gedanken vergangen und welcher Unfriede mit seinem Eheweibe 4 bis 5 Monat fortgedauert, sey endlich die Verzweifelung und der <hirendition="#b">Wunsch</hi> entstanden, daß sein Leben ein Ende nehmen moͤchte. Er waͤre bei diesen Plagen denn auch zugleich mißtrauisch auf die goͤttliche Vorsorge geworden, der Gedanke daß er und sein Weib nicht mehr von den halben Einkuͤnften der Pfarre haͤtten leben koͤnnen, ferner daß nach seinem Tode sein Weib wuͤrde Noth und Schimpf leiden muͤssen, haͤtte nun vollends alles dazu beigetragen, sich sowohl, als sein Weib aus der Welt hinaus zu schaffen, — sich, um sich von seinen vielen Plagen und bei seiner langen Blindheit ausgestandenen Lebensuͤberdruß zu befreien, sein Weib, um sie vor aller kuͤnftigen Noth zu sichern. Es sey demnach in ihm der veste Vorsatz entstanden, sein Eheweib zu ermorden, und sich den Haͤnden der Obrigkeit zu uͤberliefern, damit auch er von der Welt kaͤme, und aller seiner taͤgli-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[30/0030]
sonnene Rabenvater, der weder fuͤr seine Frau, noch Kinder gesorgt hat. item. Am juͤngsten Tage wolle sie sagen: hier ist der gottlose Rabenvater, richte ihn Gott nach dem strengsten! denn er hat die Hoͤlle an mir verdient; noch weiter und immer fort plagte sie ihn mit bittern Vorwuͤrfen, daß er ein alter unverstaͤndiger Rabenvater, und daß er werth sey, daß man Leute kommen und ihn mit Steknadeln zerkratzen ließe. Aus diesen anhaltenden Zaͤnkereien und Beaͤngstigungen, wovon ihm immer seine Gedanken vergangen und welcher Unfriede mit seinem Eheweibe 4 bis 5 Monat fortgedauert, sey endlich die Verzweifelung und der Wunsch entstanden, daß sein Leben ein Ende nehmen moͤchte. Er waͤre bei diesen Plagen denn auch zugleich mißtrauisch auf die goͤttliche Vorsorge geworden, der Gedanke daß er und sein Weib nicht mehr von den halben Einkuͤnften der Pfarre haͤtten leben koͤnnen, ferner daß nach seinem Tode sein Weib wuͤrde Noth und Schimpf leiden muͤssen, haͤtte nun vollends alles dazu beigetragen, sich sowohl, als sein Weib aus der Welt hinaus zu schaffen, — sich, um sich von seinen vielen Plagen und bei seiner langen Blindheit ausgestandenen Lebensuͤberdruß zu befreien, sein Weib, um sie vor aller kuͤnftigen Noth zu sichern. Es sey demnach in ihm der veste Vorsatz entstanden, sein Eheweib zu ermorden, und sich den Haͤnden der Obrigkeit zu uͤberliefern, damit auch er von der Welt kaͤme, und aller seiner taͤgli-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:
Anmerkungen zur Transkription:
Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.
Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/30>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.