Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.
Franz kam also zu mir in die Stadt. Anfangs war ich willens, ihn in mein Haus zu nehmen. Der Vorsteher des Tollhauses erbot sich aber, ihm ein Zimmer in seiner eignen Wohnung einzuräumen, und mit ausgezeichneter Sorgfalt sein zu warten. -- Da dieser Mann öfters um den Kranken seyn konnte, als es mir meine übrigen Geschäfte gestatteten, da er überdies aus langer Erfahrung die Behandlungsart solcher Unglücklichen sehr gut versteht; so überließ ich ihm diesen ohne Bedenken, nachdem ich ihm vorher aufs gnaueste vorgeschrieben hatte, wie er in allen Stücken gegen ihm verfahren sollte. Nun wurde dem Jüngling ein erfahrner Wächter gesezt, welcher in ruhigen Zwischenräumen über Dinge des täglichen Lebens mit ihm zu reden angewiesen war. Besonders schärft' ichs ihm ein, wenn Franz fragen sollte, wo er sey, und warum er hier sey? -- ihm immer zu antworten: Er befinde sich in meinem Hause in der Stadt, leide lange schon an einem bösartigen Fieber, und sey von seinem zärtlich besorgten Vater ins Haus des
Franz kam also zu mir in die Stadt. Anfangs war ich willens, ihn in mein Haus zu nehmen. Der Vorsteher des Tollhauses erbot sich aber, ihm ein Zimmer in seiner eignen Wohnung einzuraͤumen, und mit ausgezeichneter Sorgfalt sein zu warten. — Da dieser Mann oͤfters um den Kranken seyn konnte, als es mir meine uͤbrigen Geschaͤfte gestatteten, da er uͤberdies aus langer Erfahrung die Behandlungsart solcher Ungluͤcklichen sehr gut versteht; so uͤberließ ich ihm diesen ohne Bedenken, nachdem ich ihm vorher aufs gnaueste vorgeschrieben hatte, wie er in allen Stuͤcken gegen ihm verfahren sollte. Nun wurde dem Juͤngling ein erfahrner Waͤchter gesezt, welcher in ruhigen Zwischenraͤumen uͤber Dinge des taͤglichen Lebens mit ihm zu reden angewiesen war. Besonders schaͤrft' ichs ihm ein, wenn Franz fragen sollte, wo er sey, und warum er hier sey? — ihm immer zu antworten: Er befinde sich in meinem Hause in der Stadt, leide lange schon an einem boͤsartigen Fieber, und sey von seinem zaͤrtlich besorgten Vater ins Haus des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0105" n="105"/><lb/> Kranken unmoͤglich sey, ihm diejenige Aufmerksamkeit zu widmen, die sein Uebel nothwendig erforderte, und ernstlich darauf angetragen, ihn ganz zu mir in die Stadt zu nehmen. Sie wollten sich aber lange schlechterdings nicht darzu verstehn. Jetzo nahm ich den Antrag des Vaters um so gerner an, und ließ sogleich Anstalten zur Abreise machen.</p> <p>Franz kam also zu mir in die Stadt. Anfangs war ich willens, ihn in mein Haus zu nehmen. Der Vorsteher des Tollhauses erbot sich aber, ihm ein Zimmer in seiner eignen Wohnung einzuraͤumen, und mit ausgezeichneter Sorgfalt sein zu warten. — Da dieser Mann oͤfters um den Kranken seyn konnte, als es mir meine uͤbrigen Geschaͤfte gestatteten, da er uͤberdies aus langer Erfahrung die Behandlungsart solcher Ungluͤcklichen sehr gut versteht; so uͤberließ ich ihm diesen ohne Bedenken, nachdem ich ihm vorher aufs gnaueste vorgeschrieben hatte, wie er in allen Stuͤcken gegen ihm verfahren sollte.</p> <p>Nun wurde dem Juͤngling ein erfahrner Waͤchter gesezt, welcher in ruhigen Zwischenraͤumen uͤber Dinge des taͤglichen Lebens mit ihm zu reden angewiesen war. Besonders schaͤrft' ichs ihm ein, wenn Franz fragen sollte, wo er sey, und warum er hier sey? — ihm immer zu antworten: Er befinde sich in <hi rendition="#b">meinem</hi> Hause in der Stadt, leide lange schon an einem boͤsartigen Fieber, und sey von seinem zaͤrtlich besorgten Vater ins Haus des<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0105]
Kranken unmoͤglich sey, ihm diejenige Aufmerksamkeit zu widmen, die sein Uebel nothwendig erforderte, und ernstlich darauf angetragen, ihn ganz zu mir in die Stadt zu nehmen. Sie wollten sich aber lange schlechterdings nicht darzu verstehn. Jetzo nahm ich den Antrag des Vaters um so gerner an, und ließ sogleich Anstalten zur Abreise machen.
Franz kam also zu mir in die Stadt. Anfangs war ich willens, ihn in mein Haus zu nehmen. Der Vorsteher des Tollhauses erbot sich aber, ihm ein Zimmer in seiner eignen Wohnung einzuraͤumen, und mit ausgezeichneter Sorgfalt sein zu warten. — Da dieser Mann oͤfters um den Kranken seyn konnte, als es mir meine uͤbrigen Geschaͤfte gestatteten, da er uͤberdies aus langer Erfahrung die Behandlungsart solcher Ungluͤcklichen sehr gut versteht; so uͤberließ ich ihm diesen ohne Bedenken, nachdem ich ihm vorher aufs gnaueste vorgeschrieben hatte, wie er in allen Stuͤcken gegen ihm verfahren sollte.
Nun wurde dem Juͤngling ein erfahrner Waͤchter gesezt, welcher in ruhigen Zwischenraͤumen uͤber Dinge des taͤglichen Lebens mit ihm zu reden angewiesen war. Besonders schaͤrft' ichs ihm ein, wenn Franz fragen sollte, wo er sey, und warum er hier sey? — ihm immer zu antworten: Er befinde sich in meinem Hause in der Stadt, leide lange schon an einem boͤsartigen Fieber, und sey von seinem zaͤrtlich besorgten Vater ins Haus des
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/105 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/105>, abgerufen am 16.02.2025. |