Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.
"Jn meiner Jugend konnt' ich auch das, was in der Stube war, im Finstern eben so gut sehn, als wenn ich Licht gehabt hätte. Aber nicht lange nachher ist diese Fähigkeit verschwunden." Es ist unbegreiflich, welche Kleinigkeiten der Mensch für gewisse Vorherbedeutungen halten kann, wenn einmal seine Seele an den Glauben an dergleichen Dinge gewöhnt ist. Jm Februar 1565 brennt ihm das Bette zweimal an, und daraus macht er den Schluß, daß er nicht in Bononien bleiben würde. 1552 steigt eine stille Haushündinn, die zu Hause geblieben ist, auf den Tisch, und reißt seine Hefte zu öffentlichen Vorlesungen entzwei, läßt hingegen sein Buch de fato, welches näher vor ihr lag, unberührt liegen, und dies soll dann wieder ein Vorzeichen gewesen seyn, daß er am Ende des Jahrs aufgehört habe, acht Jahre lang keine öffentlichen Vorlesungen zu halten. Ein andermal löst sich die Binde auf, woran ein Smaragd an seinem Halse angehängt ist; noch ein andermal findet er, daß die Ringe, welche er an seinen Fingern trug, alle an einem einzigen sitzen, und dies hält er dann
»Jn meiner Jugend konnt' ich auch das, was in der Stube war, im Finstern eben so gut sehn, als wenn ich Licht gehabt haͤtte. Aber nicht lange nachher ist diese Faͤhigkeit verschwunden.« Es ist unbegreiflich, welche Kleinigkeiten der Mensch fuͤr gewisse Vorherbedeutungen halten kann, wenn einmal seine Seele an den Glauben an dergleichen Dinge gewoͤhnt ist. Jm Februar 1565 brennt ihm das Bette zweimal an, und daraus macht er den Schluß, daß er nicht in Bononien bleiben wuͤrde. 1552 steigt eine stille Haushuͤndinn, die zu Hause geblieben ist, auf den Tisch, und reißt seine Hefte zu oͤffentlichen Vorlesungen entzwei, laͤßt hingegen sein Buch de fato, welches naͤher vor ihr lag, unberuͤhrt liegen, und dies soll dann wieder ein Vorzeichen gewesen seyn, daß er am Ende des Jahrs aufgehoͤrt habe, acht Jahre lang keine oͤffentlichen Vorlesungen zu halten. Ein andermal loͤst sich die Binde auf, woran ein Smaragd an seinem Halse angehaͤngt ist; noch ein andermal findet er, daß die Ringe, welche er an seinen Fingern trug, alle an einem einzigen sitzen, und dies haͤlt er dann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0093" n="93"/><lb/> lassen, ob ich ihn gleich mit Gewalt mit mir fortzog, und wegjagen wollte, und doch ist mir damals viele Jahre hindurch, so wie auch den Meinen, nichts Uebels begegnet.</p> <p>»Jn meiner Jugend konnt' ich auch das, was in der Stube war, im Finstern eben so gut sehn, als wenn ich Licht gehabt haͤtte. Aber nicht lange nachher ist diese Faͤhigkeit verschwunden.«</p> <p>Es ist unbegreiflich, welche Kleinigkeiten der Mensch fuͤr gewisse Vorherbedeutungen halten kann, wenn einmal seine Seele an den Glauben an dergleichen Dinge gewoͤhnt ist. Jm Februar 1565 brennt ihm das Bette zweimal an, und daraus macht er den Schluß, daß er nicht in Bononien bleiben wuͤrde. 1552 steigt eine stille Haushuͤndinn, die zu Hause geblieben ist, auf den Tisch, und reißt seine Hefte zu oͤffentlichen Vorlesungen entzwei, laͤßt hingegen sein Buch <hi rendition="#aq">de fato,</hi> welches naͤher vor ihr lag, unberuͤhrt liegen, und dies soll dann wieder ein Vorzeichen gewesen seyn, daß er am Ende des Jahrs aufgehoͤrt habe, acht Jahre lang keine oͤffentlichen Vorlesungen zu halten. Ein andermal loͤst sich die Binde auf, woran ein Smaragd an seinem Halse angehaͤngt ist; noch ein andermal findet er, daß die Ringe, welche er an seinen Fingern trug, alle an einem einzigen sitzen, und dies haͤlt er dann<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [93/0093]
lassen, ob ich ihn gleich mit Gewalt mit mir fortzog, und wegjagen wollte, und doch ist mir damals viele Jahre hindurch, so wie auch den Meinen, nichts Uebels begegnet.
»Jn meiner Jugend konnt' ich auch das, was in der Stube war, im Finstern eben so gut sehn, als wenn ich Licht gehabt haͤtte. Aber nicht lange nachher ist diese Faͤhigkeit verschwunden.«
Es ist unbegreiflich, welche Kleinigkeiten der Mensch fuͤr gewisse Vorherbedeutungen halten kann, wenn einmal seine Seele an den Glauben an dergleichen Dinge gewoͤhnt ist. Jm Februar 1565 brennt ihm das Bette zweimal an, und daraus macht er den Schluß, daß er nicht in Bononien bleiben wuͤrde. 1552 steigt eine stille Haushuͤndinn, die zu Hause geblieben ist, auf den Tisch, und reißt seine Hefte zu oͤffentlichen Vorlesungen entzwei, laͤßt hingegen sein Buch de fato, welches naͤher vor ihr lag, unberuͤhrt liegen, und dies soll dann wieder ein Vorzeichen gewesen seyn, daß er am Ende des Jahrs aufgehoͤrt habe, acht Jahre lang keine oͤffentlichen Vorlesungen zu halten. Ein andermal loͤst sich die Binde auf, woran ein Smaragd an seinem Halse angehaͤngt ist; noch ein andermal findet er, daß die Ringe, welche er an seinen Fingern trug, alle an einem einzigen sitzen, und dies haͤlt er dann
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/93>, abgerufen am 21.02.2025. |