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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.

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Wir spielten um ein bis vier Realen jedes Spiel, so daß ich, da ich zu siegen gewohnt war, fast jeden Tag ein Goldstück, bald auch mehr, bald weniger mit wegtrug. Der Mann gab sein Geld gern, und ich hatte einen doppelten Gewinn, mein Gold und meinen Sieg im Schachspiel. Jch kam aber dadurch so herunter, daß ich schon über zwei Jahre weder auf meine Künste, noch auf meinen Verdienst, noch auf meinen Ruf und die Studien Rücksicht genommen hatte. Eines Tags, gegen Ende des Augusts, nahm mich der Mann, entweder weil sein öftres Verlieren im Spiel ihn zu gereuen anfing, oder weil er sahe, daß ich von meinem Vorsatz auf keine Art abgebracht werden konnte, vor, und zwang mich zu schwören, daß ich niemals des Spiels wegen wiederkommen wollte. Jch schwur bei allen Göttern, und von diesem Tage an legte ich mich ganz auf die Studien."

(Ein andermal nöthigt ihn der Einsturz seines Hauses sein Vaterland zu verlassen.)

"Jch will noch ein Beispiel, obgleich von einer etwas andern Art, erzählen. Jch lag eben an einem Brustgeschwür krank, woran ich schon oft bis zur Verzweiflung gelitten hatte, und las in den Collectaneen meines Vaters, wenn jemand des Morgens früh um acht Uhr den 1sten April die Mutter Maria mit gebeugtem Knie und dem Vater Unser


Wir spielten um ein bis vier Realen jedes Spiel, so daß ich, da ich zu siegen gewohnt war, fast jeden Tag ein Goldstuͤck, bald auch mehr, bald weniger mit wegtrug. Der Mann gab sein Geld gern, und ich hatte einen doppelten Gewinn, mein Gold und meinen Sieg im Schachspiel. Jch kam aber dadurch so herunter, daß ich schon uͤber zwei Jahre weder auf meine Kuͤnste, noch auf meinen Verdienst, noch auf meinen Ruf und die Studien Ruͤcksicht genommen hatte. Eines Tags, gegen Ende des Augusts, nahm mich der Mann, entweder weil sein oͤftres Verlieren im Spiel ihn zu gereuen anfing, oder weil er sahe, daß ich von meinem Vorsatz auf keine Art abgebracht werden konnte, vor, und zwang mich zu schwoͤren, daß ich niemals des Spiels wegen wiederkommen wollte. Jch schwur bei allen Goͤttern, und von diesem Tage an legte ich mich ganz auf die Studien.«

(Ein andermal noͤthigt ihn der Einsturz seines Hauses sein Vaterland zu verlassen.)

»Jch will noch ein Beispiel, obgleich von einer etwas andern Art, erzaͤhlen. Jch lag eben an einem Brustgeschwuͤr krank, woran ich schon oft bis zur Verzweiflung gelitten hatte, und las in den Collectaneen meines Vaters, wenn jemand des Morgens fruͤh um acht Uhr den 1sten April die Mutter Maria mit gebeugtem Knie und dem Vater Unser

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[74/0074] Wir spielten um ein bis vier Realen jedes Spiel, so daß ich, da ich zu siegen gewohnt war, fast jeden Tag ein Goldstuͤck, bald auch mehr, bald weniger mit wegtrug. Der Mann gab sein Geld gern, und ich hatte einen doppelten Gewinn, mein Gold und meinen Sieg im Schachspiel. Jch kam aber dadurch so herunter, daß ich schon uͤber zwei Jahre weder auf meine Kuͤnste, noch auf meinen Verdienst, noch auf meinen Ruf und die Studien Ruͤcksicht genommen hatte. Eines Tags, gegen Ende des Augusts, nahm mich der Mann, entweder weil sein oͤftres Verlieren im Spiel ihn zu gereuen anfing, oder weil er sahe, daß ich von meinem Vorsatz auf keine Art abgebracht werden konnte, vor, und zwang mich zu schwoͤren, daß ich niemals des Spiels wegen wiederkommen wollte. Jch schwur bei allen Goͤttern, und von diesem Tage an legte ich mich ganz auf die Studien.« (Ein andermal noͤthigt ihn der Einsturz seines Hauses sein Vaterland zu verlassen.) »Jch will noch ein Beispiel, obgleich von einer etwas andern Art, erzaͤhlen. Jch lag eben an einem Brustgeschwuͤr krank, woran ich schon oft bis zur Verzweiflung gelitten hatte, und las in den Collectaneen meines Vaters, wenn jemand des Morgens fruͤh um acht Uhr den 1sten April die Mutter Maria mit gebeugtem Knie und dem Vater Unser

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/74>, abgerufen am 25.11.2024.