Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.
Wenn der Herr Einsender des obigen Aufsatzes von sich erzählt, daß er von seinem sechsten Jahre an bis in's siebente öfters des Nachts eine weiße Gestalt gesehn, darüber geweint, und gebeten habe, das garstige Ding wegzuschaffen: so rührte dies unstreitig von irgend einer Erzählung von einem weisgekleideten Geiste, davon die Ammen und alten Mütterchen leider! den Kindern so viel zu erzählen wissen, her, die auf die junge Seele einen lebhaften Eindruck gemacht hatte, -- so wie sich überhaupt die folgenden, an sich beobachteten, Phänomene des Herrn Lenz aus einer sehr lebhaften Einbildungskraft, aus einer von ihm selbst angegebenen Anlage zum Nachtwandeln, aus einem sehr feinen Nervensystem, und die nächst folgende Erzählung aus einer Art Schwindel erklären lassen, ob gleich der Ver-
Wenn der Herr Einsender des obigen Aufsatzes von sich erzaͤhlt, daß er von seinem sechsten Jahre an bis in's siebente oͤfters des Nachts eine weiße Gestalt gesehn, daruͤber geweint, und gebeten habe, das garstige Ding wegzuschaffen: so ruͤhrte dies unstreitig von irgend einer Erzaͤhlung von einem weisgekleideten Geiste, davon die Ammen und alten Muͤtterchen leider! den Kindern so viel zu erzaͤhlen wissen, her, die auf die junge Seele einen lebhaften Eindruck gemacht hatte, — so wie sich uͤberhaupt die folgenden, an sich beobachteten, Phaͤnomene des Herrn Lenz aus einer sehr lebhaften Einbildungskraft, aus einer von ihm selbst angegebenen Anlage zum Nachtwandeln, aus einem sehr feinen Nervensystem, und die naͤchst folgende Erzaͤhlung aus einer Art Schwindel erklaͤren lassen, ob gleich der Ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0007" n="7"/><lb/> zugleich gefaͤhrlich es sey, junge Kinderseelen, wie fast allgemein noch zur Schande der Paͤdagogik geschieht, mit jenen hoͤllischen Bildern anzufuͤllen, und ihrer Einbildungskraft eine so schiefe und unvernuͤnftige Richtung zu geben. Moͤgte man doch endlich einmal, zur Ehre der menschlichen Vernunft, die Lehre von boͤsen auf uns wuͤrkenden Geistern, denen so offenbar eine furchtsame und mißgeleitete Jmagination ihr Daseyn gegeben hat, ganz aus der Erziehung und dem Religionsunterrichte der Menschen verbannen, und weit edlere, nutzbarere und zweckmaͤssigere Begriffe an ihre Stelle setzen! — —</p> <p>Wenn der Herr Einsender des obigen Aufsatzes von sich erzaͤhlt, daß er von seinem sechsten Jahre an bis in's siebente oͤfters des Nachts eine weiße Gestalt gesehn, daruͤber geweint, und gebeten habe, das garstige Ding wegzuschaffen: so ruͤhrte dies unstreitig von irgend einer Erzaͤhlung von einem weisgekleideten Geiste, davon die Ammen und alten Muͤtterchen leider! den Kindern so viel zu erzaͤhlen wissen, her, die auf die junge Seele einen lebhaften Eindruck gemacht hatte, — so wie sich uͤberhaupt die folgenden, an sich beobachteten, Phaͤnomene des Herrn Lenz aus einer sehr lebhaften Einbildungskraft, aus einer von ihm selbst angegebenen Anlage zum Nachtwandeln, aus einem sehr feinen Nervensystem, und die naͤchst folgende Erzaͤhlung aus einer Art <hi rendition="#b">Schwindel</hi> erklaͤren lassen, ob gleich der Ver-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0007]
zugleich gefaͤhrlich es sey, junge Kinderseelen, wie fast allgemein noch zur Schande der Paͤdagogik geschieht, mit jenen hoͤllischen Bildern anzufuͤllen, und ihrer Einbildungskraft eine so schiefe und unvernuͤnftige Richtung zu geben. Moͤgte man doch endlich einmal, zur Ehre der menschlichen Vernunft, die Lehre von boͤsen auf uns wuͤrkenden Geistern, denen so offenbar eine furchtsame und mißgeleitete Jmagination ihr Daseyn gegeben hat, ganz aus der Erziehung und dem Religionsunterrichte der Menschen verbannen, und weit edlere, nutzbarere und zweckmaͤssigere Begriffe an ihre Stelle setzen! — —
Wenn der Herr Einsender des obigen Aufsatzes von sich erzaͤhlt, daß er von seinem sechsten Jahre an bis in's siebente oͤfters des Nachts eine weiße Gestalt gesehn, daruͤber geweint, und gebeten habe, das garstige Ding wegzuschaffen: so ruͤhrte dies unstreitig von irgend einer Erzaͤhlung von einem weisgekleideten Geiste, davon die Ammen und alten Muͤtterchen leider! den Kindern so viel zu erzaͤhlen wissen, her, die auf die junge Seele einen lebhaften Eindruck gemacht hatte, — so wie sich uͤberhaupt die folgenden, an sich beobachteten, Phaͤnomene des Herrn Lenz aus einer sehr lebhaften Einbildungskraft, aus einer von ihm selbst angegebenen Anlage zum Nachtwandeln, aus einem sehr feinen Nervensystem, und die naͤchst folgende Erzaͤhlung aus einer Art Schwindel erklaͤren lassen, ob gleich der Ver-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/7>, abgerufen am 16.02.2025. |