Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Damas.

Also nach dem Tode bliebe nur die Denkkraft des Menschen übrig, das heißt, die Kraft zu erkennen, das Erkannte zu gebrauchen, und nach der Erkenntniß zu wollen; die Natur dieser Kraft aber ist unerforschlich.--

Theokles.

Eben, weil sie unerforschlich ist, nannte ich sie vorher geistig. Jch dachte nicht, daß Sie einen andern Begriff mit dem Worte geistig verbänden, und bediente mich des Worts nur, weil ich kein anders zur Bezeichnung der Denkkraft, als Kraft, wußte; denn eigentlich giebt's gar keines dafür.

Damas.

Aber ich erinnere mich, Sie behaupteten auch, daß das Grundwesen des Menschen, welches nach dem Tode übrig bliebe, nicht bloß geistig, sondern zugleich materiell sey?

Theokles.

Das hab' ich freilich behauptet; allein ich gab Jhnen dabei den Grund an, warum? Keine Kraft kann ohne ein materielles Subjekt seyn, wenn sie fähig werden will, für unsre Erkenntniß ihre Würkungen zu erweisen. Denken Sie sich das Subject weg, und so mag die Kraft für sich übrig bleiben,


Damas.

Also nach dem Tode bliebe nur die Denkkraft des Menschen uͤbrig, das heißt, die Kraft zu erkennen, das Erkannte zu gebrauchen, und nach der Erkenntniß zu wollen; die Natur dieser Kraft aber ist unerforschlich.—

Theokles.

Eben, weil sie unerforschlich ist, nannte ich sie vorher geistig. Jch dachte nicht, daß Sie einen andern Begriff mit dem Worte geistig verbaͤnden, und bediente mich des Worts nur, weil ich kein anders zur Bezeichnung der Denkkraft, als Kraft, wußte; denn eigentlich giebt's gar keines dafuͤr.

Damas.

Aber ich erinnere mich, Sie behaupteten auch, daß das Grundwesen des Menschen, welches nach dem Tode uͤbrig bliebe, nicht bloß geistig, sondern zugleich materiell sey?

Theokles.

Das hab' ich freilich behauptet; allein ich gab Jhnen dabei den Grund an, warum? Keine Kraft kann ohne ein materielles Subjekt seyn, wenn sie faͤhig werden will, fuͤr unsre Erkenntniß ihre Wuͤrkungen zu erweisen. Denken Sie sich das Subject weg, und so mag die Kraft fuͤr sich uͤbrig bleiben,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0039" n="39"/><lb/>
            <p rend="center"> <hi rendition="#b">Damas.</hi> </p>
            <p>Also nach dem Tode bliebe nur die Denkkraft des Menschen                         u&#x0364;brig, das heißt, die Kraft zu erkennen, das Erkannte zu gebrauchen, und                         nach der Erkenntniß zu wollen; die Natur dieser Kraft aber ist                         unerforschlich.&#x2014;</p>
            <p rend="center"> <hi rendition="#b">Theokles.</hi> </p>
            <p>Eben, weil sie unerforschlich ist, nannte ich sie vorher <hi rendition="#b">geistig.</hi> Jch dachte nicht, daß Sie einen andern                         Begriff mit dem Worte <hi rendition="#b">geistig</hi> verba&#x0364;nden, und                         bediente mich des Worts nur, weil ich kein anders zur Bezeichnung der                         Denkkraft, als Kraft, wußte; denn eigentlich giebt's gar keines dafu&#x0364;r.</p>
            <p rend="center"> <hi rendition="#b">Damas.</hi> </p>
            <p>Aber ich erinnere mich, Sie behaupteten auch, daß das                         Grundwesen des Menschen, welches nach dem Tode u&#x0364;brig bliebe, nicht bloß                         geistig, sondern zugleich materiell sey?</p>
            <p rend="center"> <hi rendition="#b">Theokles.</hi> </p>
            <p>Das hab' ich freilich behauptet; allein ich gab Jhnen dabei                         den Grund an, warum? Keine Kraft kann ohne ein materielles Subjekt seyn,                         wenn sie fa&#x0364;hig werden will, fu&#x0364;r unsre Erkenntniß ihre Wu&#x0364;rkungen zu erweisen.                         Denken Sie sich das Subject weg, und so mag die Kraft fu&#x0364;r sich u&#x0364;brig                         bleiben,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0039] Damas. Also nach dem Tode bliebe nur die Denkkraft des Menschen uͤbrig, das heißt, die Kraft zu erkennen, das Erkannte zu gebrauchen, und nach der Erkenntniß zu wollen; die Natur dieser Kraft aber ist unerforschlich.— Theokles. Eben, weil sie unerforschlich ist, nannte ich sie vorher geistig. Jch dachte nicht, daß Sie einen andern Begriff mit dem Worte geistig verbaͤnden, und bediente mich des Worts nur, weil ich kein anders zur Bezeichnung der Denkkraft, als Kraft, wußte; denn eigentlich giebt's gar keines dafuͤr. Damas. Aber ich erinnere mich, Sie behaupteten auch, daß das Grundwesen des Menschen, welches nach dem Tode uͤbrig bliebe, nicht bloß geistig, sondern zugleich materiell sey? Theokles. Das hab' ich freilich behauptet; allein ich gab Jhnen dabei den Grund an, warum? Keine Kraft kann ohne ein materielles Subjekt seyn, wenn sie faͤhig werden will, fuͤr unsre Erkenntniß ihre Wuͤrkungen zu erweisen. Denken Sie sich das Subject weg, und so mag die Kraft fuͤr sich uͤbrig bleiben,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/39
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/39>, abgerufen am 21.11.2024.