Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite


ich, es wären Ratten oder Mäuse, und wunderte mich über die große Menge, die im Zimmer seyn müßte, welche ich doch niemals vorher bemerkt hatte, ob ich gleich schon einige Wochen darin logirt hatte. Von diesem Gedanken eingenommen, klopfte es, mit dem bemerkten Geräusch begleitet, an der Wand, dicht vor meinem Gesicht, so daß ich glaubte, weil ich in dem Wahn der Ratten und Mäuse stand, daß mir solche in's Gesicht springen würden. Jch kehrte mich daher im Bette nach der andern Seite hin, und ward darauf in einer Entfernung von einem Schritte von meinem Bette, eine weiße Dunstfigur gewahr, die in einer gebückten Stellung stand (wie auch damals die Stellung meiner kranken Mutter war), mir den Rücken zugekehrt hatte, und mich mit bei Seite gedrehtem Kopf ansahe. Jch erkannte sie sogleich für die Gestalt meiner Mutter, und rief in Bestürzung: Herr Jesus, Mutter! Sie schien dies zu hören, und drehte den Kopf in dem Augenblick weiter, mit einem wehmüthigen Blick, zu mir herum, und ich erkannte deutlich ein violet Band, das sie auf der Nachthaube hatte. Jch fuhr aus dem Bette heraus, stand auf den Füßen, und sie war noch da; in eben dem Augenblick aber floh sie einige Schritte von mir weg, ich sah auf der Stelle, wo sie verschwand, einen Feuerstrahl, der vorne spitz, hinten breit und etwa anderthalb Ellen lang war, entstehen, welcher sich in einem Dunst, wie eine Wolke, auflöste, immer


ich, es waͤren Ratten oder Maͤuse, und wunderte mich uͤber die große Menge, die im Zimmer seyn muͤßte, welche ich doch niemals vorher bemerkt hatte, ob ich gleich schon einige Wochen darin logirt hatte. Von diesem Gedanken eingenommen, klopfte es, mit dem bemerkten Geraͤusch begleitet, an der Wand, dicht vor meinem Gesicht, so daß ich glaubte, weil ich in dem Wahn der Ratten und Maͤuse stand, daß mir solche in's Gesicht springen wuͤrden. Jch kehrte mich daher im Bette nach der andern Seite hin, und ward darauf in einer Entfernung von einem Schritte von meinem Bette, eine weiße Dunstfigur gewahr, die in einer gebuͤckten Stellung stand (wie auch damals die Stellung meiner kranken Mutter war), mir den Ruͤcken zugekehrt hatte, und mich mit bei Seite gedrehtem Kopf ansahe. Jch erkannte sie sogleich fuͤr die Gestalt meiner Mutter, und rief in Bestuͤrzung: Herr Jesus, Mutter! Sie schien dies zu hoͤren, und drehte den Kopf in dem Augenblick weiter, mit einem wehmuͤthigen Blick, zu mir herum, und ich erkannte deutlich ein violet Band, das sie auf der Nachthaube hatte. Jch fuhr aus dem Bette heraus, stand auf den Fuͤßen, und sie war noch da; in eben dem Augenblick aber floh sie einige Schritte von mir weg, ich sah auf der Stelle, wo sie verschwand, einen Feuerstrahl, der vorne spitz, hinten breit und etwa anderthalb Ellen lang war, entstehen, welcher sich in einem Dunst, wie eine Wolke, aufloͤste, immer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0085" n="83"/><lb/>
ich, es wa&#x0364;ren                   Ratten oder Ma&#x0364;use, und wunderte mich u&#x0364;ber die große Menge, die im Zimmer seyn                   mu&#x0364;ßte, welche ich doch niemals vorher bemerkt hatte, ob ich gleich schon einige                   Wochen darin logirt hatte. Von diesem Gedanken eingenommen, klopfte es, mit dem                   bemerkten Gera&#x0364;usch begleitet, an der Wand, dicht vor meinem Gesicht, so daß ich                   glaubte, weil ich in dem Wahn der Ratten und Ma&#x0364;use stand, daß mir solche in's                   Gesicht springen wu&#x0364;rden. Jch kehrte mich daher im Bette nach der andern Seite hin,                   und ward darauf in einer Entfernung von einem Schritte von meinem Bette, eine                   weiße Dunstfigur gewahr, die in einer gebu&#x0364;ckten Stellung stand (wie auch damals                   die Stellung meiner kranken Mutter war), mir den Ru&#x0364;cken zugekehrt hatte, und mich                   mit bei Seite gedrehtem Kopf ansahe. Jch erkannte sie sogleich fu&#x0364;r die Gestalt                   meiner Mutter, und rief in Bestu&#x0364;rzung: Herr Jesus, Mutter! Sie schien dies zu                   ho&#x0364;ren, und drehte den Kopf in dem Augenblick weiter, mit einem wehmu&#x0364;thigen Blick,                   zu mir herum, und ich erkannte deutlich ein violet Band, das sie auf der                   Nachthaube hatte. Jch fuhr aus dem Bette heraus, stand auf den Fu&#x0364;ßen, und sie war                   noch da; in eben dem Augenblick aber floh sie einige Schritte von mir weg, ich sah                   auf der Stelle, wo sie verschwand, einen Feuerstrahl, der vorne spitz, hinten                   breit und etwa anderthalb Ellen lang war, entstehen, welcher sich in einem Dunst,                   wie eine Wolke, auflo&#x0364;ste, immer<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0085] ich, es waͤren Ratten oder Maͤuse, und wunderte mich uͤber die große Menge, die im Zimmer seyn muͤßte, welche ich doch niemals vorher bemerkt hatte, ob ich gleich schon einige Wochen darin logirt hatte. Von diesem Gedanken eingenommen, klopfte es, mit dem bemerkten Geraͤusch begleitet, an der Wand, dicht vor meinem Gesicht, so daß ich glaubte, weil ich in dem Wahn der Ratten und Maͤuse stand, daß mir solche in's Gesicht springen wuͤrden. Jch kehrte mich daher im Bette nach der andern Seite hin, und ward darauf in einer Entfernung von einem Schritte von meinem Bette, eine weiße Dunstfigur gewahr, die in einer gebuͤckten Stellung stand (wie auch damals die Stellung meiner kranken Mutter war), mir den Ruͤcken zugekehrt hatte, und mich mit bei Seite gedrehtem Kopf ansahe. Jch erkannte sie sogleich fuͤr die Gestalt meiner Mutter, und rief in Bestuͤrzung: Herr Jesus, Mutter! Sie schien dies zu hoͤren, und drehte den Kopf in dem Augenblick weiter, mit einem wehmuͤthigen Blick, zu mir herum, und ich erkannte deutlich ein violet Band, das sie auf der Nachthaube hatte. Jch fuhr aus dem Bette heraus, stand auf den Fuͤßen, und sie war noch da; in eben dem Augenblick aber floh sie einige Schritte von mir weg, ich sah auf der Stelle, wo sie verschwand, einen Feuerstrahl, der vorne spitz, hinten breit und etwa anderthalb Ellen lang war, entstehen, welcher sich in einem Dunst, wie eine Wolke, aufloͤste, immer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/85
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/85>, abgerufen am 24.11.2024.