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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.

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was geschehen soll. - Oft wissen wir selber nicht, daß sich dergleichen geäussert, bis die vorher verkündete Begebenheit sich wirklich zuträgt. Dann erneuert sich das Andenken daran, und straft uns gleichsam, daß wir nicht aufmerksam dabei gewesen sind.

1) 1734 am 13ten November ging ein angesehener Bürger aus Bremerwörde mit noch etlichen guten Freunden aus, eine nahe liegende Pulvermühle zu besehen. Sie waren insgesammt frölich und guten Muths, und redeten eben mit einander von der wahren Freundschaft, als jener Mann auf einmal in seiner Rede zu stocken anfing, und sich die tiefste Schwermuth in seinem Gesichte abdruckte. Er suchte zwar dieselbe zu verbergen, aber mit jedem Schritte nahm seine innere Herzensangst zu. Man untersuchte genau, ob einer unter ihnen etwas Feuerfangendes bei sich haben möchte; allein es wurde nichts gefunden, und man war nun bis an die Thüre der Pulvermühle gekommen. "Hier wurde, dies ist das eigne Geständniß des Mannes, meine Angst unendlich. Jch schwizte am ganzen Leibe, es war, als wenn der Himmel auf mir läge, als ich über die Thürschwelle geschritten war. Nun konnte ich mich nicht länger halten, ich bat die ganze Gesellschaft um Gotteswillen, sich mit mir in möglichster Geschwindigkeit zu retiriren. Einige wunderten sich über mein Begehren, andre lachten mich als einen furchtsamen Menschen aus; indessen


was geschehen soll. – Oft wissen wir selber nicht, daß sich dergleichen geaͤussert, bis die vorher verkuͤndete Begebenheit sich wirklich zutraͤgt. Dann erneuert sich das Andenken daran, und straft uns gleichsam, daß wir nicht aufmerksam dabei gewesen sind.

1) 1734 am 13ten November ging ein angesehener Buͤrger aus Bremerwoͤrde mit noch etlichen guten Freunden aus, eine nahe liegende Pulvermuͤhle zu besehen. Sie waren insgesammt froͤlich und guten Muths, und redeten eben mit einander von der wahren Freundschaft, als jener Mann auf einmal in seiner Rede zu stocken anfing, und sich die tiefste Schwermuth in seinem Gesichte abdruckte. Er suchte zwar dieselbe zu verbergen, aber mit jedem Schritte nahm seine innere Herzensangst zu. Man untersuchte genau, ob einer unter ihnen etwas Feuerfangendes bei sich haben moͤchte; allein es wurde nichts gefunden, und man war nun bis an die Thuͤre der Pulvermuͤhle gekommen. »Hier wurde, dies ist das eigne Gestaͤndniß des Mannes, meine Angst unendlich. Jch schwizte am ganzen Leibe, es war, als wenn der Himmel auf mir laͤge, als ich uͤber die Thuͤrschwelle geschritten war. Nun konnte ich mich nicht laͤnger halten, ich bat die ganze Gesellschaft um Gotteswillen, sich mit mir in moͤglichster Geschwindigkeit zu retiriren. Einige wunderten sich uͤber mein Begehren, andre lachten mich als einen furchtsamen Menschen aus; indessen
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[72/0074] was geschehen soll. – Oft wissen wir selber nicht, daß sich dergleichen geaͤussert, bis die vorher verkuͤndete Begebenheit sich wirklich zutraͤgt. Dann erneuert sich das Andenken daran, und straft uns gleichsam, daß wir nicht aufmerksam dabei gewesen sind. 1) 1734 am 13ten November ging ein angesehener Buͤrger aus Bremerwoͤrde mit noch etlichen guten Freunden aus, eine nahe liegende Pulvermuͤhle zu besehen. Sie waren insgesammt froͤlich und guten Muths, und redeten eben mit einander von der wahren Freundschaft, als jener Mann auf einmal in seiner Rede zu stocken anfing, und sich die tiefste Schwermuth in seinem Gesichte abdruckte. Er suchte zwar dieselbe zu verbergen, aber mit jedem Schritte nahm seine innere Herzensangst zu. Man untersuchte genau, ob einer unter ihnen etwas Feuerfangendes bei sich haben moͤchte; allein es wurde nichts gefunden, und man war nun bis an die Thuͤre der Pulvermuͤhle gekommen. »Hier wurde, dies ist das eigne Gestaͤndniß des Mannes, meine Angst unendlich. Jch schwizte am ganzen Leibe, es war, als wenn der Himmel auf mir laͤge, als ich uͤber die Thuͤrschwelle geschritten war. Nun konnte ich mich nicht laͤnger halten, ich bat die ganze Gesellschaft um Gotteswillen, sich mit mir in moͤglichster Geschwindigkeit zu retiriren. Einige wunderten sich uͤber mein Begehren, andre lachten mich als einen furchtsamen Menschen aus; indessen

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/74>, abgerufen am 24.11.2024.