Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.
Welch ein Schauspiel, meine Gläubigen! welch ein Schauspiel aber verblendete nun meine Augen! Jmmer den Jsrafil vor mir, durchstrich ich schneller als ein Gedanke zwei Lichtmeere und eine schwarze unendlich lange Bahn, und es war mir, als ob ich von dem Throne und der unmittelbaren Gegenwart Gottes angezogen würde. Furcht und Schrecken bemeisterten sich meiner; eine Stimme, brausender als Meereswogen, rief mir zu: "O Mahomet! Weiter! nähere dich dem himmlischen Throne!" Jch gehorchte. An der Seite des göttlichen Throns las ich den Namen Gottes und den meinigen also geschrieben: "Es giebt keinen andern Gott, als Gott, und Mahomet ist sein Prophet!" Jn dem nämlichen Augenblick, als ich diese geheiligte Jnschrift las, breitete Gott seine Arme aus einander, legte seine rechte Hand auf meine Brust, und seine linke auf meine Schulter. Jch fühlte in meinem ganzen Körper eine durchdringende Kälte, die selbst das Mark meiner Knochen gefrieren machte;
Welch ein Schauspiel, meine Glaͤubigen! welch ein Schauspiel aber verblendete nun meine Augen! Jmmer den Jsrafil vor mir, durchstrich ich schneller als ein Gedanke zwei Lichtmeere und eine schwarze unendlich lange Bahn, und es war mir, als ob ich von dem Throne und der unmittelbaren Gegenwart Gottes angezogen wuͤrde. Furcht und Schrecken bemeisterten sich meiner; eine Stimme, brausender als Meereswogen, rief mir zu: »O Mahomet! Weiter! naͤhere dich dem himmlischen Throne!« Jch gehorchte. An der Seite des goͤttlichen Throns las ich den Namen Gottes und den meinigen also geschrieben: »Es giebt keinen andern Gott, als Gott, und Mahomet ist sein Prophet!« Jn dem naͤmlichen Augenblick, als ich diese geheiligte Jnschrift las, breitete Gott seine Arme aus einander, legte seine rechte Hand auf meine Brust, und seine linke auf meine Schulter. Jch fuͤhlte in meinem ganzen Koͤrper eine durchdringende Kaͤlte, die selbst das Mark meiner Knochen gefrieren machte; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0068" n="66"/><lb/> brachte. Der eine war voll Wein, der zweite voll Milch, und der dritte voll Honig. Jch nahm den voll Milch, und trank. – Auf einmal ließ eine Stimme, so stark wie zehn Donnerwetter, folgende Worte erschallen: »O Mahomet, du hast sehr wohl gethan; haͤttest du den Wein gewaͤhlt, so waͤre deine Nation verderbt worden, und alle ihre Unternehmungen wuͤrden gescheitert seyn!«</p> <p>Welch ein Schauspiel, meine Glaͤubigen! welch ein Schauspiel aber verblendete nun meine Augen! Jmmer den <hi rendition="#b">Jsrafil</hi> vor mir, durchstrich ich schneller als ein Gedanke zwei Lichtmeere und eine schwarze unendlich lange Bahn, und es war mir, als ob ich von dem Throne und der unmittelbaren Gegenwart Gottes angezogen wuͤrde. Furcht und Schrecken bemeisterten sich meiner; eine Stimme, brausender als Meereswogen, rief mir zu: »O Mahomet! Weiter! naͤhere dich dem himmlischen Throne!« Jch gehorchte. An der Seite des goͤttlichen Throns las ich den Namen Gottes und den meinigen also geschrieben: »Es giebt keinen andern Gott, als Gott, und Mahomet ist sein Prophet!«</p> <p>Jn dem naͤmlichen Augenblick, als ich diese geheiligte Jnschrift las, breitete Gott seine Arme aus einander, legte seine rechte Hand auf meine Brust, und seine linke auf meine Schulter. Jch fuͤhlte in meinem ganzen Koͤrper eine durchdringende Kaͤlte, die selbst das Mark meiner Knochen gefrieren machte;<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0068]
brachte. Der eine war voll Wein, der zweite voll Milch, und der dritte voll Honig. Jch nahm den voll Milch, und trank. – Auf einmal ließ eine Stimme, so stark wie zehn Donnerwetter, folgende Worte erschallen: »O Mahomet, du hast sehr wohl gethan; haͤttest du den Wein gewaͤhlt, so waͤre deine Nation verderbt worden, und alle ihre Unternehmungen wuͤrden gescheitert seyn!«
Welch ein Schauspiel, meine Glaͤubigen! welch ein Schauspiel aber verblendete nun meine Augen! Jmmer den Jsrafil vor mir, durchstrich ich schneller als ein Gedanke zwei Lichtmeere und eine schwarze unendlich lange Bahn, und es war mir, als ob ich von dem Throne und der unmittelbaren Gegenwart Gottes angezogen wuͤrde. Furcht und Schrecken bemeisterten sich meiner; eine Stimme, brausender als Meereswogen, rief mir zu: »O Mahomet! Weiter! naͤhere dich dem himmlischen Throne!« Jch gehorchte. An der Seite des goͤttlichen Throns las ich den Namen Gottes und den meinigen also geschrieben: »Es giebt keinen andern Gott, als Gott, und Mahomet ist sein Prophet!«
Jn dem naͤmlichen Augenblick, als ich diese geheiligte Jnschrift las, breitete Gott seine Arme aus einander, legte seine rechte Hand auf meine Brust, und seine linke auf meine Schulter. Jch fuͤhlte in meinem ganzen Koͤrper eine durchdringende Kaͤlte, die selbst das Mark meiner Knochen gefrieren machte;
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/68>, abgerufen am 16.02.2025. |