Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite


ein langes Gewebe von Fabeln und starken Bildern durch seine blosse Phantasie hervorbringen könne, wenn er nicht das alles wirklich erlebt hätte, wovon er eine so sonderbare Erzählung der Welt mittheilte, und in der Erzählung selbst, wie man aus dem folgenden sehen wird, lag ein so starker Grund, daran zu glauben, daß sie ohne die größte ihnen vorgespiegelte Gefahr nicht leicht das Gegentheil annehmen konnten. Mahomet kannte die Menschen zu gut, als daß er nicht ihre schwachen Seiten genuzt haben sollte, so wie sie alle Sectenstifter in allen Zeiten zu nutzen gewußt haben.

Daß die Mahometaner noch bis diesem Augenblick an die phantastischen Erzählungen ihres Propheten mit solcher Steifigkeit glauben, daß sie jeden, der unter ihnen daran zweifeln wollte, dem ewigen Fluche übergeben, ist um so weniger wunderbar, da viel aufgeklärtere Secten noch so vielen Unsinn bei ihrem Religionssystem annehmen, und sich davon nicht abbringen lassen. Vornehmlich aber sind es folgende Gründe, welche die Mahometaner an den Glauben an die albernen Visionen ihres Propheten fesseln. -

Der erste Grund, welcher bei allen Secten und bei allen Menschen so erstaunlich viel Gewicht hat, ist der, weil sie jene Erzählungen von ihren Vätern erhalten haben, diese wieder von ihren Vätern, u.s.w., bis man in einer genealogischen Folge dieses


ein langes Gewebe von Fabeln und starken Bildern durch seine blosse Phantasie hervorbringen koͤnne, wenn er nicht das alles wirklich erlebt haͤtte, wovon er eine so sonderbare Erzaͤhlung der Welt mittheilte, und in der Erzaͤhlung selbst, wie man aus dem folgenden sehen wird, lag ein so starker Grund, daran zu glauben, daß sie ohne die groͤßte ihnen vorgespiegelte Gefahr nicht leicht das Gegentheil annehmen konnten. Mahomet kannte die Menschen zu gut, als daß er nicht ihre schwachen Seiten genuzt haben sollte, so wie sie alle Sectenstifter in allen Zeiten zu nutzen gewußt haben.

Daß die Mahometaner noch bis diesem Augenblick an die phantastischen Erzaͤhlungen ihres Propheten mit solcher Steifigkeit glauben, daß sie jeden, der unter ihnen daran zweifeln wollte, dem ewigen Fluche uͤbergeben, ist um so weniger wunderbar, da viel aufgeklaͤrtere Secten noch so vielen Unsinn bei ihrem Religionssystem annehmen, und sich davon nicht abbringen lassen. Vornehmlich aber sind es folgende Gruͤnde, welche die Mahometaner an den Glauben an die albernen Visionen ihres Propheten fesseln. –

Der erste Grund, welcher bei allen Secten und bei allen Menschen so erstaunlich viel Gewicht hat, ist der, weil sie jene Erzaͤhlungen von ihren Vaͤtern erhalten haben, diese wieder von ihren Vaͤtern, u.s.w., bis man in einer genealogischen Folge dieses

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0058" n="56"/><lb/>
ein langes                   Gewebe von Fabeln und starken Bildern durch seine blosse Phantasie hervorbringen                   ko&#x0364;nne, wenn er nicht das alles wirklich erlebt ha&#x0364;tte, wovon er eine so sonderbare                   Erza&#x0364;hlung der Welt mittheilte, und in der Erza&#x0364;hlung selbst, wie man aus dem                   folgenden sehen wird, lag ein so starker Grund, daran zu glauben, daß sie ohne die                   gro&#x0364;ßte ihnen vorgespiegelte Gefahr nicht leicht das Gegentheil annehmen konnten.                   Mahomet kannte die Menschen zu gut, als daß er nicht ihre schwachen Seiten genuzt                   haben sollte, <hi rendition="#b">so wie sie alle Sectenstifter in allen Zeiten zu                      nutzen gewußt haben.</hi></p>
            <p>Daß die Mahometaner noch bis diesem Augenblick an die phantastischen Erza&#x0364;hlungen                   ihres Propheten mit solcher Steifigkeit glauben, daß sie <choice><corr>jeden</corr><sic>jedem</sic></choice>, der unter ihnen daran                   zweifeln wollte, dem ewigen Fluche u&#x0364;bergeben, ist um so weniger wunderbar, da viel                   aufgekla&#x0364;rtere Secten noch so vielen Unsinn bei ihrem Religionssystem annehmen, und                   sich davon nicht abbringen lassen. Vornehmlich aber sind es folgende Gru&#x0364;nde,                   welche die Mahometaner an den Glauben an die albernen Visionen ihres Propheten                   fesseln. &#x2013;</p>
            <p>Der erste Grund, welcher bei allen Secten und bei allen Menschen so erstaunlich                   viel Gewicht hat, ist der, weil sie jene Erza&#x0364;hlungen von ihren Va&#x0364;tern erhalten                   haben, diese wieder von ihren Va&#x0364;tern, u.s.w., bis man in einer genealogischen                   Folge dieses<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0058] ein langes Gewebe von Fabeln und starken Bildern durch seine blosse Phantasie hervorbringen koͤnne, wenn er nicht das alles wirklich erlebt haͤtte, wovon er eine so sonderbare Erzaͤhlung der Welt mittheilte, und in der Erzaͤhlung selbst, wie man aus dem folgenden sehen wird, lag ein so starker Grund, daran zu glauben, daß sie ohne die groͤßte ihnen vorgespiegelte Gefahr nicht leicht das Gegentheil annehmen konnten. Mahomet kannte die Menschen zu gut, als daß er nicht ihre schwachen Seiten genuzt haben sollte, so wie sie alle Sectenstifter in allen Zeiten zu nutzen gewußt haben. Daß die Mahometaner noch bis diesem Augenblick an die phantastischen Erzaͤhlungen ihres Propheten mit solcher Steifigkeit glauben, daß sie jeden, der unter ihnen daran zweifeln wollte, dem ewigen Fluche uͤbergeben, ist um so weniger wunderbar, da viel aufgeklaͤrtere Secten noch so vielen Unsinn bei ihrem Religionssystem annehmen, und sich davon nicht abbringen lassen. Vornehmlich aber sind es folgende Gruͤnde, welche die Mahometaner an den Glauben an die albernen Visionen ihres Propheten fesseln. – Der erste Grund, welcher bei allen Secten und bei allen Menschen so erstaunlich viel Gewicht hat, ist der, weil sie jene Erzaͤhlungen von ihren Vaͤtern erhalten haben, diese wieder von ihren Vaͤtern, u.s.w., bis man in einer genealogischen Folge dieses

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/58
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/58>, abgerufen am 22.11.2024.