Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.
Jn der ganzen Zeit seiner Einsperrung kostete er nie weder Fisch noch Fleisch. Sein gewöhnlichstes Essen war Hafergrütze. Dann und wann hatte er des Sommers einen Sallat von ausgesuchten kühlenden Kräutern, und, als ein Leckerbissen, wenn er sich an einem Festtage etwas zu gute thun wollte, aß er den gelben Dotter von einem Hühnerei; aber nichts von dem Weissen. Was er an Brodt aß, schnitt er aus der Mitte heraus; die Kruste aber genoß er nie. Sein beständiges Getränk war Vierschillingsbier, und nichts anders; denn er kostete niemals Wein, noch gebrannte Wasser. Dann und wann, wenn er es seinem Magen für dienlich hielt, aß er eine Art von Zuckerwerk; zuweilen trank er auch etwas Kuhmilch, die ihm seine Dienstmagd, noch heiß vom Melken, holen mußte. Bei dem allen hielt er seinen Bedienten einen reichlichen Tisch, und bewirthete jeden Fremden oder Pächter sehr gut, der in seinem Hause etwas zu thun hatte. Alle Bücher, die neu herauskamen, wurden ihm gekauft und gebracht; Streitschriften aber legte er beständig auf die Seite, und las sie niemals. Weihnachten, Ostern, und an andern Festtagen, ließ er in seinem Zimmer eine grosse Tafel decken, mit allem besezt, was die Jahrszeit vermochte,
Jn der ganzen Zeit seiner Einsperrung kostete er nie weder Fisch noch Fleisch. Sein gewoͤhnlichstes Essen war Hafergruͤtze. Dann und wann hatte er des Sommers einen Sallat von ausgesuchten kuͤhlenden Kraͤutern, und, als ein Leckerbissen, wenn er sich an einem Festtage etwas zu gute thun wollte, aß er den gelben Dotter von einem Huͤhnerei; aber nichts von dem Weissen. Was er an Brodt aß, schnitt er aus der Mitte heraus; die Kruste aber genoß er nie. Sein bestaͤndiges Getraͤnk war Vierschillingsbier, und nichts anders; denn er kostete niemals Wein, noch gebrannte Wasser. Dann und wann, wenn er es seinem Magen fuͤr dienlich hielt, aß er eine Art von Zuckerwerk; zuweilen trank er auch etwas Kuhmilch, die ihm seine Dienstmagd, noch heiß vom Melken, holen mußte. Bei dem allen hielt er seinen Bedienten einen reichlichen Tisch, und bewirthete jeden Fremden oder Paͤchter sehr gut, der in seinem Hause etwas zu thun hatte. Alle Buͤcher, die neu herauskamen, wurden ihm gekauft und gebracht; Streitschriften aber legte er bestaͤndig auf die Seite, und las sie niemals. Weihnachten, Ostern, und an andern Festtagen, ließ er in seinem Zimmer eine grosse Tafel decken, mit allem besezt, was die Jahrszeit vermochte, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0031" n="29"/><lb/> immer im hoͤchsten Nothfall, und starb nicht laͤnger als sechs Tage vor ihm.</p> <p>Jn der ganzen Zeit seiner Einsperrung kostete er nie weder Fisch noch Fleisch. Sein gewoͤhnlichstes Essen war Hafergruͤtze. Dann und wann hatte er des Sommers einen Sallat von ausgesuchten kuͤhlenden Kraͤutern, und, als ein Leckerbissen, wenn er sich an einem Festtage etwas zu gute thun wollte, aß er den gelben Dotter von einem Huͤhnerei; aber nichts von dem Weissen. Was er an Brodt aß, schnitt er aus der Mitte heraus; die Kruste aber genoß er nie. Sein bestaͤndiges Getraͤnk war Vierschillingsbier, und nichts anders; denn er kostete niemals Wein, noch gebrannte Wasser. Dann und wann, wenn er es seinem Magen fuͤr dienlich hielt, aß er eine Art von Zuckerwerk; zuweilen trank er auch etwas Kuhmilch, die ihm seine Dienstmagd, noch heiß vom Melken, holen mußte. Bei dem allen hielt er seinen Bedienten einen reichlichen Tisch, und bewirthete jeden Fremden oder Paͤchter sehr gut, der in seinem Hause etwas zu thun hatte.</p> <p>Alle Buͤcher, die neu herauskamen, wurden ihm gekauft und gebracht; Streitschriften aber legte er bestaͤndig auf die Seite, und las sie niemals.</p> <p>Weihnachten, Ostern, und an andern Festtagen, ließ er in seinem Zimmer eine grosse Tafel decken, mit allem besezt, was die Jahrszeit vermochte,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0031]
immer im hoͤchsten Nothfall, und starb nicht laͤnger als sechs Tage vor ihm.
Jn der ganzen Zeit seiner Einsperrung kostete er nie weder Fisch noch Fleisch. Sein gewoͤhnlichstes Essen war Hafergruͤtze. Dann und wann hatte er des Sommers einen Sallat von ausgesuchten kuͤhlenden Kraͤutern, und, als ein Leckerbissen, wenn er sich an einem Festtage etwas zu gute thun wollte, aß er den gelben Dotter von einem Huͤhnerei; aber nichts von dem Weissen. Was er an Brodt aß, schnitt er aus der Mitte heraus; die Kruste aber genoß er nie. Sein bestaͤndiges Getraͤnk war Vierschillingsbier, und nichts anders; denn er kostete niemals Wein, noch gebrannte Wasser. Dann und wann, wenn er es seinem Magen fuͤr dienlich hielt, aß er eine Art von Zuckerwerk; zuweilen trank er auch etwas Kuhmilch, die ihm seine Dienstmagd, noch heiß vom Melken, holen mußte. Bei dem allen hielt er seinen Bedienten einen reichlichen Tisch, und bewirthete jeden Fremden oder Paͤchter sehr gut, der in seinem Hause etwas zu thun hatte.
Alle Buͤcher, die neu herauskamen, wurden ihm gekauft und gebracht; Streitschriften aber legte er bestaͤndig auf die Seite, und las sie niemals.
Weihnachten, Ostern, und an andern Festtagen, ließ er in seinem Zimmer eine grosse Tafel decken, mit allem besezt, was die Jahrszeit vermochte,
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/31>, abgerufen am 16.07.2024. |