Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite


Nix*) holen könne. Man will dadurch offenbar junge unerfahrne Kinder warnen, sich nicht an dergleichen Oerter zu wagen, so wie man auch in mehrern Gegenden von Obersachsen an einen gewissen Kornengel glaubt, der, nach der Volksmeinung, die Kinder nach sich ziehen soll, wenn sie sich einem Kornfelde nähern. Die Jdee in Absicht der Nixen scheint mir in dem alten heidnischen Aberglauben, da man an Fluß- und Wasser-Götter glaubte, ihren Grund zu haben, so wie überhaupt es fast keine Art des heidnischen Aberglaubens gab, welcher nicht noch jezt hie und da unter gemeinen Leuten, obgleich in einer veränderten Gestalt, fortwürken sollte. Das Christenthum hat ihn nicht ausrotten können, sondern nur einen Mantel darüber gehängt.

Ehe ich in meiner Anzeige von den verschiedenen noch herrschenden Arten des Volksaberglaubens fortfahre, muß ich Jhnen eine meiner Jdeen über das sogenannte Beschreien oder Berufen der Kinder mittheilen. Dieser abergläubische Gebrauch ist offenbar Griechischen und Römischen Ursprungs; und wahrscheinlich noch älter. Unter den Heerden von

*) Der gemeine Mann stellt sich ihn als ein kleines Männchen mit rotem Haar, oder einer roten Mütze vor; in Niedersachsen als Frauenzimmer, welches sehr wahrscheinlich sich auf den aus dem Alterthum hergeholten Glauben an Sirenen gründet.


Nix*) holen koͤnne. Man will dadurch offenbar junge unerfahrne Kinder warnen, sich nicht an dergleichen Oerter zu wagen, so wie man auch in mehrern Gegenden von Obersachsen an einen gewissen Kornengel glaubt, der, nach der Volksmeinung, die Kinder nach sich ziehen soll, wenn sie sich einem Kornfelde naͤhern. Die Jdee in Absicht der Nixen scheint mir in dem alten heidnischen Aberglauben, da man an Fluß- und Wasser-Goͤtter glaubte, ihren Grund zu haben, so wie uͤberhaupt es fast keine Art des heidnischen Aberglaubens gab, welcher nicht noch jezt hie und da unter gemeinen Leuten, obgleich in einer veraͤnderten Gestalt, fortwuͤrken sollte. Das Christenthum hat ihn nicht ausrotten koͤnnen, sondern nur einen Mantel daruͤber gehaͤngt.

Ehe ich in meiner Anzeige von den verschiedenen noch herrschenden Arten des Volksaberglaubens fortfahre, muß ich Jhnen eine meiner Jdeen uͤber das sogenannte Beschreien oder Berufen der Kinder mittheilen. Dieser aberglaͤubische Gebrauch ist offenbar Griechischen und Roͤmischen Ursprungs; und wahrscheinlich noch aͤlter. Unter den Heerden von

*) Der gemeine Mann stellt sich ihn als ein kleines Maͤnnchen mit rotem Haar, oder einer roten Muͤtze vor; in Niedersachsen als Frauenzimmer, welches sehr wahrscheinlich sich auf den aus dem Alterthum hergeholten Glauben an Sirenen gruͤndet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0026" n="24"/><lb/><hi rendition="#b">Nix</hi>*)<note place="foot"><p>*) Der gemeine Mann stellt sich ihn als ein kleines Ma&#x0364;nnchen mit rotem Haar,                         oder einer roten Mu&#x0364;tze vor; in Niedersachsen als Frauenzimmer, welches sehr                         wahrscheinlich sich auf den aus dem Alterthum hergeholten Glauben an Sirenen                         gru&#x0364;ndet.</p></note> holen ko&#x0364;nne. Man will dadurch offenbar junge unerfahrne Kinder warnen,                   sich nicht an dergleichen Oerter zu wagen, so wie man auch in mehrern Gegenden von                         <choice><corr>Obersachsen</corr><sic>Obersachen</sic></choice> an einen gewissen <hi rendition="#b">Kornengel</hi> glaubt, der, nach der Volksmeinung, die Kinder nach sich ziehen soll, wenn sie                   sich einem Kornfelde na&#x0364;hern. Die Jdee in Absicht der <hi rendition="#b">Nixen</hi> scheint mir in dem alten heidnischen Aberglauben, da man an Fluß-                   und Wasser-Go&#x0364;tter glaubte, ihren Grund zu haben, so wie u&#x0364;berhaupt es fast keine                   Art des heidnischen Aberglaubens gab, welcher nicht noch jezt hie und da unter                   gemeinen Leuten, obgleich in einer vera&#x0364;nderten Gestalt, fortwu&#x0364;rken sollte. Das                   Christenthum hat ihn nicht ausrotten ko&#x0364;nnen, sondern nur einen Mantel daru&#x0364;ber                   geha&#x0364;ngt.</p>
            <p>Ehe ich in meiner Anzeige von den verschiedenen noch herrschenden Arten des                   Volksaberglaubens fortfahre, muß ich Jhnen eine meiner Jdeen u&#x0364;ber das sogenannte <hi rendition="#b">Beschreien</hi> oder <hi rendition="#b">Berufen</hi> der                   Kinder mittheilen. Dieser abergla&#x0364;ubische Gebrauch ist offenbar Griechischen und                   Ro&#x0364;mischen Ursprungs; und wahrscheinlich noch a&#x0364;lter. Unter den Heerden von<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0026] Nix*) holen koͤnne. Man will dadurch offenbar junge unerfahrne Kinder warnen, sich nicht an dergleichen Oerter zu wagen, so wie man auch in mehrern Gegenden von Obersachsen an einen gewissen Kornengel glaubt, der, nach der Volksmeinung, die Kinder nach sich ziehen soll, wenn sie sich einem Kornfelde naͤhern. Die Jdee in Absicht der Nixen scheint mir in dem alten heidnischen Aberglauben, da man an Fluß- und Wasser-Goͤtter glaubte, ihren Grund zu haben, so wie uͤberhaupt es fast keine Art des heidnischen Aberglaubens gab, welcher nicht noch jezt hie und da unter gemeinen Leuten, obgleich in einer veraͤnderten Gestalt, fortwuͤrken sollte. Das Christenthum hat ihn nicht ausrotten koͤnnen, sondern nur einen Mantel daruͤber gehaͤngt. Ehe ich in meiner Anzeige von den verschiedenen noch herrschenden Arten des Volksaberglaubens fortfahre, muß ich Jhnen eine meiner Jdeen uͤber das sogenannte Beschreien oder Berufen der Kinder mittheilen. Dieser aberglaͤubische Gebrauch ist offenbar Griechischen und Roͤmischen Ursprungs; und wahrscheinlich noch aͤlter. Unter den Heerden von *) Der gemeine Mann stellt sich ihn als ein kleines Maͤnnchen mit rotem Haar, oder einer roten Muͤtze vor; in Niedersachsen als Frauenzimmer, welches sehr wahrscheinlich sich auf den aus dem Alterthum hergeholten Glauben an Sirenen gruͤndet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/26
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/26>, abgerufen am 24.11.2024.