Herr Doctor Wedekind, Georg Christian Gottlieb Freiherr vonWedekind erzählt im 2ten Stück des 3ten Bandes der Seelenkunde S. 30 ff., unter obigem Titel ein dergleichen Beispiel von der Gewalt dunkler Jdeen, das, es mag nun erklärt werden, wie man will, sehr lesenswürdig bleibt. Der Herr Doctor Wedekind, Georg Christian Gottlieb Freiherr vonWedekind sieht sich genöthigt zu verreisen. Er muß seine Patienten einem andern anvertrauen, worunter ihm eine Predigerfrau grade nicht am gefährlichsten zu seyn scheint, aber ihm doch, ohne daß er sich's angeben kann, was ihm so bedenklich an ihr vorkommt, sehr im Sinne liegt. Er reist dennoch ab, und ist kaum eine halbe Stunde von seinem Wohnorte Diepholz entfernt, als er sich wegen seiner Reise die größten Vorwürfe zu machen anfängt, weil er sich den Tod seiner Patientinn und Freundinn unablässig vorstellt. "So war ich nun im heftigsten Seelenkampfe beinah zwei Meilen weggeritten, sagt er, als sich meiner Brust eine so große Beklemmung bemächtigte, und mein Herz so heftig zu schlagen anfing, daß ich nicht weiter reiten konnte. Fast unwillkürlich wandte ich mein Pferd um, und jagte, so geschwind es laufen konnte, nach Diepholz zurück." Er sieht seine kranke Freundinn, um welcher willen er zurückgekehrt ist, am Fenster stehen, und ihr war's nicht möglich, wegen seiner Rückkehr sich des Lachens zu enthalten. -
Nun reist er wieder davon, aber seine vorige Unruhe beginnt von neuem. Seine Freunde,
Herr Doctor Wedekind, Georg Christian Gottlieb Freiherr vonWedekind erzaͤhlt im 2ten Stuͤck des 3ten Bandes der Seelenkunde S. 30 ff., unter obigem Titel ein dergleichen Beispiel von der Gewalt dunkler Jdeen, das, es mag nun erklaͤrt werden, wie man will, sehr lesenswuͤrdig bleibt. Der Herr Doctor Wedekind, Georg Christian Gottlieb Freiherr vonWedekind sieht sich genoͤthigt zu verreisen. Er muß seine Patienten einem andern anvertrauen, worunter ihm eine Predigerfrau grade nicht am gefaͤhrlichsten zu seyn scheint, aber ihm doch, ohne daß er sich's angeben kann, was ihm so bedenklich an ihr vorkommt, sehr im Sinne liegt. Er reist dennoch ab, und ist kaum eine halbe Stunde von seinem Wohnorte Diepholz entfernt, als er sich wegen seiner Reise die groͤßten Vorwuͤrfe zu machen anfaͤngt, weil er sich den Tod seiner Patientinn und Freundinn unablaͤssig vorstellt. »So war ich nun im heftigsten Seelenkampfe beinah zwei Meilen weggeritten, sagt er, als sich meiner Brust eine so große Beklemmung bemaͤchtigte, und mein Herz so heftig zu schlagen anfing, daß ich nicht weiter reiten konnte. Fast unwillkuͤrlich wandte ich mein Pferd um, und jagte, so geschwind es laufen konnte, nach Diepholz zuruͤck.« Er sieht seine kranke Freundinn, um welcher willen er zuruͤckgekehrt ist, am Fenster stehen, und ihr war's nicht moͤglich, wegen seiner Ruͤckkehr sich des Lachens zu enthalten. –
Nun reist er wieder davon, aber seine vorige Unruhe beginnt von neuem. Seine Freunde,
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Herr Doctor Wedekind erzaͤhlt im 2ten Stuͤck des 3ten Bandes der Seelenkunde S. 30 ff., unter obigem Titel ein dergleichen Beispiel von der Gewalt dunkler Jdeen, das, es mag nun erklaͤrt werden, wie man will, sehr lesenswuͤrdig bleibt. Der Herr Doctor Wedekind sieht sich genoͤthigt zu verreisen. Er muß seine Patienten einem andern anvertrauen, worunter ihm eine Predigerfrau grade nicht am gefaͤhrlichsten zu seyn scheint, aber ihm doch, ohne daß er sich's angeben kann, was ihm so bedenklich an ihr vorkommt, sehr im Sinne liegt. Er reist dennoch ab, und ist kaum eine halbe Stunde von seinem Wohnorte Diepholz entfernt, als er sich wegen seiner Reise die groͤßten Vorwuͤrfe zu machen anfaͤngt, weil er sich den Tod seiner Patientinn und Freundinn unablaͤssig vorstellt. »So war ich nun im heftigsten Seelenkampfe beinah zwei Meilen weggeritten, sagt er, als sich meiner Brust eine so große Beklemmung bemaͤchtigte, und mein Herz so heftig zu schlagen anfing, daß ich nicht weiter reiten konnte. Fast unwillkuͤrlich wandte ich mein Pferd um, und jagte, so geschwind es laufen konnte, nach Diepholz zuruͤck.« Er sieht seine kranke Freundinn, um welcher willen er zuruͤckgekehrt ist, am Fenster stehen, und ihr war's nicht moͤglich, wegen seiner Ruͤckkehr sich des Lachens zu enthalten. –
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/13>, abgerufen am 16.02.2025.
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