Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0117" n="115"/><lb/> tung gegen Gott, und weil ich weiß, wie eitel und vergaͤnglich alles ist, bediene ich mich der gegebenen Gelegenheiten der Rache mit Vorbedacht nicht. Jch bin kalten Herzens, furchtsam und habe ein hitziges Gehirn; bin immer in Gedanken, indem ich stets uͤber viele aͤusserst wichtige, und selbst unmoͤgliche Dinge nachdenke. Jch kann auch meine Aufmerksamkeit auf zwei Sachen zu gleicher Zeit wenden. Die, welche mir eine Schwazhaftigkeit und ein Uebermaaß in meinen Lobpreisungen Schuld geben, beschuldigen mich ganz fremder Fehler. Jch greife keinen an, ich vertheidige mich bloß. Warum sollte ich mich auch darum bekuͤmmern, da ich so oft von der Nichtigkeit des Lebens Zeuge gewesen bin? – Jch habe mir angewoͤhnt, meinem Gesicht immer eine andere Gestalt zu geben; daher kann ich mich anders zeigen, als ich's meine, ob ich gleich nicht zu heucheln verstehe. Doch ist dies leicht, wenn es zu der Seelenstimmung, <hi rendition="#b">nichts</hi> zu hoffen, etwas beitraͤgt, welche ich seit funfzehn Jahren auf's muͤhsamste zu erlangen gesucht, und endlich erreicht habe. Dieserwegen gehe ich bisweilen in Lumpen, bald geschmuͤckt umher, bin bald still, bald geschwaͤtzig, bald froͤlich, dann wieder traurig. Jn meiner Jugend habe ich mich wenig um die Ausschmuͤckung meines Kopfes bekuͤmmert, weil ich von einer Begierde, mich auf wichtigere Dinge zu legen, beherrscht wurde. Jn meinem Hause gehe ich vom Knoͤchel bis an die Waden mit bloßen Beinen.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [115/0117]
tung gegen Gott, und weil ich weiß, wie eitel und vergaͤnglich alles ist, bediene ich mich der gegebenen Gelegenheiten der Rache mit Vorbedacht nicht. Jch bin kalten Herzens, furchtsam und habe ein hitziges Gehirn; bin immer in Gedanken, indem ich stets uͤber viele aͤusserst wichtige, und selbst unmoͤgliche Dinge nachdenke. Jch kann auch meine Aufmerksamkeit auf zwei Sachen zu gleicher Zeit wenden. Die, welche mir eine Schwazhaftigkeit und ein Uebermaaß in meinen Lobpreisungen Schuld geben, beschuldigen mich ganz fremder Fehler. Jch greife keinen an, ich vertheidige mich bloß. Warum sollte ich mich auch darum bekuͤmmern, da ich so oft von der Nichtigkeit des Lebens Zeuge gewesen bin? – Jch habe mir angewoͤhnt, meinem Gesicht immer eine andere Gestalt zu geben; daher kann ich mich anders zeigen, als ich's meine, ob ich gleich nicht zu heucheln verstehe. Doch ist dies leicht, wenn es zu der Seelenstimmung, nichts zu hoffen, etwas beitraͤgt, welche ich seit funfzehn Jahren auf's muͤhsamste zu erlangen gesucht, und endlich erreicht habe. Dieserwegen gehe ich bisweilen in Lumpen, bald geschmuͤckt umher, bin bald still, bald geschwaͤtzig, bald froͤlich, dann wieder traurig. Jn meiner Jugend habe ich mich wenig um die Ausschmuͤckung meines Kopfes bekuͤmmert, weil ich von einer Begierde, mich auf wichtigere Dinge zu legen, beherrscht wurde. Jn meinem Hause gehe ich vom Knoͤchel bis an die Waden mit bloßen Beinen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |