Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.8. Noch etwas über Ahndungen. ![]() So wenig ein Ahndungsvermögen mit den Begriffen streitet, die wir uns gewöhnlich von der Seele machen; ebenso wenig Widerspruch findet bey dem sogenannten Melden statt. Wir kennen die Kräfte des Wesens, das wir Seele nennen, alle noch zu wenig; wir hängen noch zu sehr am Körper, als daß wir dies Wesen ganz ausforschen könnten. Wie können wir wissen, was die Seele, sich selbst überlassen, ohne Verbindung mit einem Körper, oder -- in einem Zustande, wo die Organe, die Vereinigungsbande, schlaff geworden, wo der Mechanismus erstarrt -- zerstört und der Moment der Verabschiedung sehr nahe, oder eben vorüber ist; was die Seele da für einen Wirkungskreiß habe? Wer vermag endlich ein non plus ultra den Kräften eines uns so wenig bekannten Wesens zum Gränzstein zu setzen? Es sind zu viele Erfahrungen und Beobachtungen von Erscheinungen in dieser Sphäre vorhanden; -- Beobachtungen, denen sich allerdings kein Einwurf einer Unwahrhaftigkeit machen läßt; -- von Männern, die unbefangenen Kopfes, mit all- 8. Noch etwas uͤber Ahndungen. ![]() So wenig ein Ahndungsvermoͤgen mit den Begriffen streitet, die wir uns gewoͤhnlich von der Seele machen; ebenso wenig Widerspruch findet bey dem sogenannten Melden statt. Wir kennen die Kraͤfte des Wesens, das wir Seele nennen, alle noch zu wenig; wir haͤngen noch zu sehr am Koͤrper, als daß wir dies Wesen ganz ausforschen koͤnnten. Wie koͤnnen wir wissen, was die Seele, sich selbst uͤberlassen, ohne Verbindung mit einem Koͤrper, oder — in einem Zustande, wo die Organe, die Vereinigungsbande, schlaff geworden, wo der Mechanismus erstarrt — zerstoͤrt und der Moment der Verabschiedung sehr nahe, oder eben voruͤber ist; was die Seele da fuͤr einen Wirkungskreiß habe? Wer vermag endlich ein non plus ultra den Kraͤften eines uns so wenig bekannten Wesens zum Graͤnzstein zu setzen? Es sind zu viele Erfahrungen und Beobachtungen von Erscheinungen in dieser Sphaͤre vorhanden; — Beobachtungen, denen sich allerdings kein Einwurf einer Unwahrhaftigkeit machen laͤßt; — von Maͤnnern, die unbefangenen Kopfes, mit all- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0091" n="91"/><lb/><lb/> </div> <div n="3"> <head>8. Noch etwas uͤber Ahndungen.</head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref2"><note type="editorial"/>Pockels, C. F.</persName> </bibl> </note> <p>So wenig ein <hi rendition="#b">Ahndungsvermoͤgen</hi> mit den Begriffen streitet, die wir uns gewoͤhnlich von der Seele machen; ebenso wenig Widerspruch findet bey dem sogenannten <hi rendition="#b">Melden</hi> statt. Wir kennen die Kraͤfte des Wesens, das wir <hi rendition="#b">Seele</hi> nennen, alle noch zu wenig; wir haͤngen noch zu sehr am Koͤrper, als daß wir dies Wesen ganz <hi rendition="#b">ausforschen</hi> koͤnnten. Wie koͤnnen wir wissen, was die Seele, sich selbst uͤberlassen, ohne Verbindung mit einem Koͤrper, oder — in einem Zustande, wo die Organe, die Vereinigungsbande, schlaff geworden, wo der Mechanismus erstarrt — zerstoͤrt und der Moment der Verabschiedung sehr nahe, oder eben voruͤber ist; was die Seele da fuͤr einen <hi rendition="#b">Wirkungskreiß</hi> habe? Wer vermag endlich ein <hi rendition="#aq">non plus ultra</hi> den Kraͤften eines uns so wenig bekannten Wesens zum Graͤnzstein zu setzen?</p> <p>Es sind zu viele Erfahrungen und Beobachtungen von Erscheinungen in dieser Sphaͤre vorhanden; — Beobachtungen, denen sich allerdings kein Einwurf einer Unwahrhaftigkeit machen laͤßt; — von Maͤnnern, die unbefangenen Kopfes, mit all-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [91/0091]
8. Noch etwas uͤber Ahndungen.
So wenig ein Ahndungsvermoͤgen mit den Begriffen streitet, die wir uns gewoͤhnlich von der Seele machen; ebenso wenig Widerspruch findet bey dem sogenannten Melden statt. Wir kennen die Kraͤfte des Wesens, das wir Seele nennen, alle noch zu wenig; wir haͤngen noch zu sehr am Koͤrper, als daß wir dies Wesen ganz ausforschen koͤnnten. Wie koͤnnen wir wissen, was die Seele, sich selbst uͤberlassen, ohne Verbindung mit einem Koͤrper, oder — in einem Zustande, wo die Organe, die Vereinigungsbande, schlaff geworden, wo der Mechanismus erstarrt — zerstoͤrt und der Moment der Verabschiedung sehr nahe, oder eben voruͤber ist; was die Seele da fuͤr einen Wirkungskreiß habe? Wer vermag endlich ein non plus ultra den Kraͤften eines uns so wenig bekannten Wesens zum Graͤnzstein zu setzen?
Es sind zu viele Erfahrungen und Beobachtungen von Erscheinungen in dieser Sphaͤre vorhanden; — Beobachtungen, denen sich allerdings kein Einwurf einer Unwahrhaftigkeit machen laͤßt; — von Maͤnnern, die unbefangenen Kopfes, mit all-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/91>, abgerufen am 16.02.2025. |