mehrern Umständen, die jetzt -- nothwendig und zufällig zusammengekommen sind, und bey ihrer sehr wahrscheinlichen Fortdauer unsern Nachkommen eine unglückliche, -- ich will nicht sagen, allgemeine Barbarey der Vernunft drohen. 1) Das ernste Studium der Alten, und der Philosophie hat in unsern Tagen sehr aufgehört. Unsere jungen Leute treiben nicht viel Reelles mehr, und verschwenden jetzt einen großen Theil der Zeit, welcher zu richtiger Ausbildung ihres Verstandes angewandt werden sollte, mit Lesung matter, empfindsam geschriebener Romane, die den Geist erschlaffen, und ihren Empfindungen eine schiefe, idealische Richtung geben. Ein Umstand, der bey der einreissenden Religionsschwärmerey mehr als geschieht, erwogen werden müßte. Wenn die edeln und reinen Gefühle durch jene Lectüre verstimmt, verzärtelt und zu sehr versinnlicht worden sind, wenn der Ton einer gewissen Empfindeley der herrschende in der Menschenseele geworden ist, wenn dadurch die Einbildungskraft angezündet, und das Nervensystem geschwächt worden ist; so ist nichts natürlicher, als daß die Religionsschwärmerey, welche man auch Religionsempfindeley nennen könnte, sehr leicht und geschwind Wurzel fassen muß, sobald sich die Seele auf geistige Gegenstände hinrichtet. Man weis überhaupt schon, wie nahe schwärmerische Empfindungen der Liebe mit schwärmerischen Gefühlen der Religion verwandt sind, und wie leicht sie in einander über-
mehrern Umstaͤnden, die jetzt — nothwendig und zufaͤllig zusammengekommen sind, und bey ihrer sehr wahrscheinlichen Fortdauer unsern Nachkommen eine ungluͤckliche, — ich will nicht sagen, allgemeine Barbarey der Vernunft drohen. 1) Das ernste Studium der Alten, und der Philosophie hat in unsern Tagen sehr aufgehoͤrt. Unsere jungen Leute treiben nicht viel Reelles mehr, und verschwenden jetzt einen großen Theil der Zeit, welcher zu richtiger Ausbildung ihres Verstandes angewandt werden sollte, mit Lesung matter, empfindsam geschriebener Romane, die den Geist erschlaffen, und ihren Empfindungen eine schiefe, idealische Richtung geben. Ein Umstand, der bey der einreissenden Religionsschwaͤrmerey mehr als geschieht, erwogen werden muͤßte. Wenn die edeln und reinen Gefuͤhle durch jene Lectuͤre verstimmt, verzaͤrtelt und zu sehr versinnlicht worden sind, wenn der Ton einer gewissen Empfindeley der herrschende in der Menschenseele geworden ist, wenn dadurch die Einbildungskraft angezuͤndet, und das Nervensystem geschwaͤcht worden ist; so ist nichts natuͤrlicher, als daß die Religionsschwaͤrmerey, welche man auch Religionsempfindeley nennen koͤnnte, sehr leicht und geschwind Wurzel fassen muß, sobald sich die Seele auf geistige Gegenstaͤnde hinrichtet. Man weis uͤberhaupt schon, wie nahe schwaͤrmerische Empfindungen der Liebe mit schwaͤrmerischen Gefuͤhlen der Religion verwandt sind, und wie leicht sie in einander uͤber-
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mehrern Umstaͤnden, die jetzt — nothwendig und zufaͤllig zusammengekommen sind, und bey ihrer sehr wahrscheinlichen Fortdauer unsern Nachkommen eine ungluͤckliche, — ich will nicht sagen, allgemeine Barbarey der Vernunft drohen. <choice><corr>1)</corr><orig/></choice> Das ernste Studium der Alten, und der Philosophie hat in unsern Tagen sehr aufgehoͤrt. Unsere jungen Leute treiben nicht viel Reelles mehr, und verschwenden jetzt einen großen Theil der Zeit, welcher zu richtiger Ausbildung ihres Verstandes angewandt werden sollte, mit Lesung matter, empfindsam geschriebener Romane, die den Geist erschlaffen, und ihren Empfindungen eine schiefe, idealische Richtung geben. Ein Umstand, der bey der einreissenden Religionsschwaͤrmerey mehr als geschieht, erwogen werden muͤßte. Wenn die edeln und reinen Gefuͤhle durch jene Lectuͤre verstimmt, verzaͤrtelt und zu sehr versinnlicht worden sind, wenn der Ton einer gewissen Empfindeley der <hirendition="#b">herrschende</hi> in der Menschenseele geworden ist, wenn dadurch die Einbildungskraft angezuͤndet, und das Nervensystem geschwaͤcht worden ist; so ist nichts natuͤrlicher, als daß die Religionsschwaͤrmerey, welche man auch <hirendition="#b">Religionsempfindeley</hi> nennen koͤnnte, sehr leicht und geschwind Wurzel fassen muß, sobald sich die Seele auf geistige Gegenstaͤnde hinrichtet. Man weis uͤberhaupt schon, wie nahe schwaͤrmerische Empfindungen der Liebe mit schwaͤrmerischen Gefuͤhlen der Religion verwandt sind, und wie leicht sie in einander uͤber-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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mehrern Umstaͤnden, die jetzt — nothwendig und zufaͤllig zusammengekommen sind, und bey ihrer sehr wahrscheinlichen Fortdauer unsern Nachkommen eine ungluͤckliche, — ich will nicht sagen, allgemeine Barbarey der Vernunft drohen. 1) Das ernste Studium der Alten, und der Philosophie hat in unsern Tagen sehr aufgehoͤrt. Unsere jungen Leute treiben nicht viel Reelles mehr, und verschwenden jetzt einen großen Theil der Zeit, welcher zu richtiger Ausbildung ihres Verstandes angewandt werden sollte, mit Lesung matter, empfindsam geschriebener Romane, die den Geist erschlaffen, und ihren Empfindungen eine schiefe, idealische Richtung geben. Ein Umstand, der bey der einreissenden Religionsschwaͤrmerey mehr als geschieht, erwogen werden muͤßte. Wenn die edeln und reinen Gefuͤhle durch jene Lectuͤre verstimmt, verzaͤrtelt und zu sehr versinnlicht worden sind, wenn der Ton einer gewissen Empfindeley der herrschende in der Menschenseele geworden ist, wenn dadurch die Einbildungskraft angezuͤndet, und das Nervensystem geschwaͤcht worden ist; so ist nichts natuͤrlicher, als daß die Religionsschwaͤrmerey, welche man auch Religionsempfindeley nennen koͤnnte, sehr leicht und geschwind Wurzel fassen muß, sobald sich die Seele auf geistige Gegenstaͤnde hinrichtet. Man weis uͤberhaupt schon, wie nahe schwaͤrmerische Empfindungen der Liebe mit schwaͤrmerischen Gefuͤhlen der Religion verwandt sind, und wie leicht sie in einander uͤber-
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/42>, abgerufen am 16.07.2024.
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