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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.

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der Geistesentwicklung einzelner Menschen wird der Pädagoge die vortreflichsten Regeln der Erziehungskunst abstrahiren können, auf welche er durch bloße Speculation nie gefallen seyn würde. Sehr viele Erzieher erziehen, ohne ihre Zöglinge genau zu kennen, sie beurtheilen zu oft das Kind nach dem Aeussern, und nicht nach seinen innern Gemüthslagen, und der jedesmaligen Masse von Gefühlen, die sich in ihm schon entwickelt haben. Dadurch muß eine durchaus schiefe Erziehungsmethode entstehen, und Anton Reisers psychologischer Roman, ein Buch, von dem ich mehr sagen würde, wenn das Publicum seinen Werth nicht schon allgemein anerkannt hätte, enthält in dieser Absicht die lehrreichsten Winke in sich, wie nothwendig es sey, bey der Erziehung den jedesmaligen Gemüthszustand der Kinder zu studiren, und wie gefährlich für die Bildung junger Seelen die kleinste Abweichung von dieser Regel seyn wird.

Herrn Basedows Selbstgeständnisse sind um so viel wichtiger und lehrreicher, da sie von einem Mann von scharfer Denkkraft, enthusiastischer Herzenswärme, und kühner Unternehmungssucht kommen. Eigenschaften, die seinen Charakter und seine Leidenschaften oft auf die sonderbarste Art gestimmt haben, und bey einer so starken Anlage zu einer finstern Hypochondrie um so viel mehr stimmen mußten.



der Geistesentwicklung einzelner Menschen wird der Paͤdagoge die vortreflichsten Regeln der Erziehungskunst abstrahiren koͤnnen, auf welche er durch bloße Speculation nie gefallen seyn wuͤrde. Sehr viele Erzieher erziehen, ohne ihre Zoͤglinge genau zu kennen, sie beurtheilen zu oft das Kind nach dem Aeussern, und nicht nach seinen innern Gemuͤthslagen, und der jedesmaligen Masse von Gefuͤhlen, die sich in ihm schon entwickelt haben. Dadurch muß eine durchaus schiefe Erziehungsmethode entstehen, und Anton Reisers psychologischer Roman, ein Buch, von dem ich mehr sagen wuͤrde, wenn das Publicum seinen Werth nicht schon allgemein anerkannt haͤtte, enthaͤlt in dieser Absicht die lehrreichsten Winke in sich, wie nothwendig es sey, bey der Erziehung den jedesmaligen Gemuͤthszustand der Kinder zu studiren, und wie gefaͤhrlich fuͤr die Bildung junger Seelen die kleinste Abweichung von dieser Regel seyn wird.

Herrn Basedows Selbstgestaͤndnisse sind um so viel wichtiger und lehrreicher, da sie von einem Mann von scharfer Denkkraft, enthusiastischer Herzenswaͤrme, und kuͤhner Unternehmungssucht kommen. Eigenschaften, die seinen Charakter und seine Leidenschaften oft auf die sonderbarste Art gestimmt haben, und bey einer so starken Anlage zu einer finstern Hypochondrie um so viel mehr stimmen mußten.


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[113/0113] der Geistesentwicklung einzelner Menschen wird der Paͤdagoge die vortreflichsten Regeln der Erziehungskunst abstrahiren koͤnnen, auf welche er durch bloße Speculation nie gefallen seyn wuͤrde. Sehr viele Erzieher erziehen, ohne ihre Zoͤglinge genau zu kennen, sie beurtheilen zu oft das Kind nach dem Aeussern, und nicht nach seinen innern Gemuͤthslagen, und der jedesmaligen Masse von Gefuͤhlen, die sich in ihm schon entwickelt haben. Dadurch muß eine durchaus schiefe Erziehungsmethode entstehen, und Anton Reisers psychologischer Roman, ein Buch, von dem ich mehr sagen wuͤrde, wenn das Publicum seinen Werth nicht schon allgemein anerkannt haͤtte, enthaͤlt in dieser Absicht die lehrreichsten Winke in sich, wie nothwendig es sey, bey der Erziehung den jedesmaligen Gemuͤthszustand der Kinder zu studiren, und wie gefaͤhrlich fuͤr die Bildung junger Seelen die kleinste Abweichung von dieser Regel seyn wird. Herrn Basedows Selbstgestaͤndnisse sind um so viel wichtiger und lehrreicher, da sie von einem Mann von scharfer Denkkraft, enthusiastischer Herzenswaͤrme, und kuͤhner Unternehmungssucht kommen. Eigenschaften, die seinen Charakter und seine Leidenschaften oft auf die sonderbarste Art gestimmt haben, und bey einer so starken Anlage zu einer finstern Hypochondrie um so viel mehr stimmen mußten.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/113>, abgerufen am 26.11.2024.