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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

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ist ausser allem Zweifel, daß sich meine Uhr vorige Nacht mit Gedanken beschäftigt hat. (Locke läßt sich hier durch ein Exemplum claudicans offenbar verführen, wer kann denn bei einer Maschine voraussetzen, daß sie denken kann, aber in Absicht der Seele kann und muß ich eine solche Denkkraft annehmen, weil sie sie würklich besitzt, und weil ein Geist ohne Kraft und Würkung doch durchaus ein leeres Nichts seyn muß.) Allein, wer sich nicht selbst betrügen will, der muß seinen angenommenen Satz auf einegeschehene Sache gründen und die Wahrheit desselben durch die sinnliche Erfahrung beweisen, nicht aber die geschehene Sache glauben, weil sie seinem angenommenen Satze gemäß ist, das ist, weil er ihre Wahrheit voraussetzt. -- -- -- --

Jch gebe es zu, daß die Seele bei einem Wachenden niemahls ohne Gedanken sey, weil dieses mit zum Wachen erfodert wird; ob sie aber im Schlafe, ohne Träume, denkt, ist eine andere Frage. Es ist schwer zu begreifen, daß man etwas denken, und sich dessen doch nicht bewußt seyn soll. Wenn die Seele in einem Schlafenden denkt, ohne sich dessen bewußt zu seyn; so frage ich, ob sie während dieses Denkens Vergnügen oder Verdruß empfindet, ob sie angenehmer oder unangenehmer Empfindungen fähig ist? Jch bin versichert, ein Mensch ist alles dessen so wenig fähig, als das Bette oder die Erde, worauf er liegt. Denn glücklich oder un-


ist ausser allem Zweifel, daß sich meine Uhr vorige Nacht mit Gedanken beschaͤftigt hat. (Locke laͤßt sich hier durch ein Exemplum claudicans offenbar verfuͤhren, wer kann denn bei einer Maschine voraussetzen, daß sie denken kann, aber in Absicht der Seele kann und muß ich eine solche Denkkraft annehmen, weil sie sie wuͤrklich besitzt, und weil ein Geist ohne Kraft und Wuͤrkung doch durchaus ein leeres Nichts seyn muß.) Allein, wer sich nicht selbst betruͤgen will, der muß seinen angenommenen Satz auf einegeschehene Sache gruͤnden und die Wahrheit desselben durch die sinnliche Erfahrung beweisen, nicht aber die geschehene Sache glauben, weil sie seinem angenommenen Satze gemaͤß ist, das ist, weil er ihre Wahrheit voraussetzt. — — — —

Jch gebe es zu, daß die Seele bei einem Wachenden niemahls ohne Gedanken sey, weil dieses mit zum Wachen erfodert wird; ob sie aber im Schlafe, ohne Traͤume, denkt, ist eine andere Frage. Es ist schwer zu begreifen, daß man etwas denken, und sich dessen doch nicht bewußt seyn soll. Wenn die Seele in einem Schlafenden denkt, ohne sich dessen bewußt zu seyn; so frage ich, ob sie waͤhrend dieses Denkens Vergnuͤgen oder Verdruß empfindet, ob sie angenehmer oder unangenehmer Empfindungen faͤhig ist? Jch bin versichert, ein Mensch ist alles dessen so wenig faͤhig, als das Bette oder die Erde, worauf er liegt. Denn gluͤcklich oder un-

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[70/0070] ist ausser allem Zweifel, daß sich meine Uhr vorige Nacht mit Gedanken beschaͤftigt hat. (Locke laͤßt sich hier durch ein Exemplum claudicans offenbar verfuͤhren, wer kann denn bei einer Maschine voraussetzen, daß sie denken kann, aber in Absicht der Seele kann und muß ich eine solche Denkkraft annehmen, weil sie sie wuͤrklich besitzt, und weil ein Geist ohne Kraft und Wuͤrkung doch durchaus ein leeres Nichts seyn muß.) Allein, wer sich nicht selbst betruͤgen will, der muß seinen angenommenen Satz auf einegeschehene Sache gruͤnden und die Wahrheit desselben durch die sinnliche Erfahrung beweisen, nicht aber die geschehene Sache glauben, weil sie seinem angenommenen Satze gemaͤß ist, das ist, weil er ihre Wahrheit voraussetzt. — — — — Jch gebe es zu, daß die Seele bei einem Wachenden niemahls ohne Gedanken sey, weil dieses mit zum Wachen erfodert wird; ob sie aber im Schlafe, ohne Traͤume, denkt, ist eine andere Frage. Es ist schwer zu begreifen, daß man etwas denken, und sich dessen doch nicht bewußt seyn soll. Wenn die Seele in einem Schlafenden denkt, ohne sich dessen bewußt zu seyn; so frage ich, ob sie waͤhrend dieses Denkens Vergnuͤgen oder Verdruß empfindet, ob sie angenehmer oder unangenehmer Empfindungen faͤhig ist? Jch bin versichert, ein Mensch ist alles dessen so wenig faͤhig, als das Bette oder die Erde, worauf er liegt. Denn gluͤcklich oder un-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/70>, abgerufen am 22.11.2024.