Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite


und die Anstrengung der Einbildungskraft genau kennt, wodurch jene Gedanken und Gefühle erzeugt und begünstigt werden. Man muß den Menschen, die Natur seiner Seele, die Art und Weise, wie sich in ihm Begriffe entwickeln und Gefühle hervorbringen, gar nicht kennen, wenn man annehmen kann, daß irgend etwas Unnatürliches darin vorgehen könne. Die Unwissenheit und Schwärmerei hat unendlich oft den seltsamsten Bizarrerien in Gedanken und Empfindungen den Namen göttlicher Würkungen gegeben, und die menschliche Eitelkeit, welche so gern einen höhern Umgang mit unsichtbaren Geistern träumt; -- oder ihn auch nur affectirt, hat diesen Träumereien ein widerrechtliches Privilegium der Wahrheit gegeben, ohne einen andern Richter dabei zu Rathe zu ziehen, welcher doch allein der Lehrer aller Wahrheit seyn müßte, -- nehmlich die gesunde Vernunft.

Aber gesetzt, wir wollten einmahl obigen unpsychologischen Satz von der Communication unsichtbarer Geister, welchen so viele gescheidte Köpfe, -- freilich zum Erstaunen des gesunden Menschenverstandes, -- geglaubt haben, annehmen; so entsteht hierbei wieder die sehr schwierig zu beantwortende Frage: wie können wir von höhern Geistern in blos zufälligen Begebenheiten unseres Lebens Unterricht erhalten, da sie zufällige Dinge, so wenig wie wir wissen können, oder wenn es überhaupt nichts Zufälliges giebt, wie


und die Anstrengung der Einbildungskraft genau kennt, wodurch jene Gedanken und Gefuͤhle erzeugt und beguͤnstigt werden. Man muß den Menschen, die Natur seiner Seele, die Art und Weise, wie sich in ihm Begriffe entwickeln und Gefuͤhle hervorbringen, gar nicht kennen, wenn man annehmen kann, daß irgend etwas Unnatuͤrliches darin vorgehen koͤnne. Die Unwissenheit und Schwaͤrmerei hat unendlich oft den seltsamsten Bizarrerien in Gedanken und Empfindungen den Namen goͤttlicher Wuͤrkungen gegeben, und die menschliche Eitelkeit, welche so gern einen hoͤhern Umgang mit unsichtbaren Geistern traͤumt; — oder ihn auch nur affectirt, hat diesen Traͤumereien ein widerrechtliches Privilegium der Wahrheit gegeben, ohne einen andern Richter dabei zu Rathe zu ziehen, welcher doch allein der Lehrer aller Wahrheit seyn muͤßte, — nehmlich die gesunde Vernunft.

Aber gesetzt, wir wollten einmahl obigen unpsychologischen Satz von der Communication unsichtbarer Geister, welchen so viele gescheidte Koͤpfe, — freilich zum Erstaunen des gesunden Menschenverstandes, — geglaubt haben, annehmen; so entsteht hierbei wieder die sehr schwierig zu beantwortende Frage: wie koͤnnen wir von hoͤhern Geistern in blos zufaͤlligen Begebenheiten unseres Lebens Unterricht erhalten, da sie zufaͤllige Dinge, so wenig wie wir wissen koͤnnen, oder wenn es uͤberhaupt nichts Zufaͤlliges giebt, wie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0007" n="7"/><lb/>
und die Anstrengung der Einbildungskraft genau kennt, wodurch jene Gedanken und                   Gefu&#x0364;hle erzeugt und begu&#x0364;nstigt werden. Man muß den Menschen, die Natur seiner                   Seele, die Art und Weise, <hi rendition="#b">wie</hi> sich in ihm Begriffe                   entwickeln und Gefu&#x0364;hle hervorbringen, gar nicht kennen, wenn man annehmen kann,                   daß irgend etwas Unnatu&#x0364;rliches darin vorgehen ko&#x0364;nne. Die <hi rendition="#b">Unwissenheit</hi> und <hi rendition="#b">Schwa&#x0364;rmerei</hi> hat unendlich oft                   den seltsamsten Bizarrerien in Gedanken und Empfindungen den Namen go&#x0364;ttlicher                   Wu&#x0364;rkungen gegeben, und die menschliche Eitelkeit, welche so gern einen ho&#x0364;hern                   Umgang mit unsichtbaren Geistern <hi rendition="#b">tra&#x0364;umt;</hi> &#x2014; oder ihn auch                   nur <hi rendition="#b">affectirt,</hi> hat diesen Tra&#x0364;umereien ein                   widerrechtliches Privilegium der Wahrheit gegeben, ohne einen andern Richter dabei                   zu Rathe zu ziehen, welcher doch allein der Lehrer aller Wahrheit seyn mu&#x0364;ßte, &#x2014;                   nehmlich die <hi rendition="#b">gesunde Vernunft.</hi></p>
          <p>Aber gesetzt, wir wollten einmahl obigen <hi rendition="#b">unpsychologischen</hi> Satz von der Communication unsichtbarer Geister,                   welchen so viele gescheidte Ko&#x0364;pfe, &#x2014; freilich zum Erstaunen des gesunden                   Menschenverstandes, &#x2014; geglaubt haben, annehmen; so entsteht hierbei wieder die                   sehr schwierig zu beantwortende Frage: <hi rendition="#b">wie ko&#x0364;nnen wir von ho&#x0364;hern                      Geistern in blos zufa&#x0364;lligen Begebenheiten unseres Lebens Unterricht erhalten,                      da sie zufa&#x0364;llige Dinge, so wenig wie wir wissen ko&#x0364;nnen, oder wenn es u&#x0364;berhaupt                      nichts Zufa&#x0364;lliges giebt, wie<lb/></hi></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0007] und die Anstrengung der Einbildungskraft genau kennt, wodurch jene Gedanken und Gefuͤhle erzeugt und beguͤnstigt werden. Man muß den Menschen, die Natur seiner Seele, die Art und Weise, wie sich in ihm Begriffe entwickeln und Gefuͤhle hervorbringen, gar nicht kennen, wenn man annehmen kann, daß irgend etwas Unnatuͤrliches darin vorgehen koͤnne. Die Unwissenheit und Schwaͤrmerei hat unendlich oft den seltsamsten Bizarrerien in Gedanken und Empfindungen den Namen goͤttlicher Wuͤrkungen gegeben, und die menschliche Eitelkeit, welche so gern einen hoͤhern Umgang mit unsichtbaren Geistern traͤumt; — oder ihn auch nur affectirt, hat diesen Traͤumereien ein widerrechtliches Privilegium der Wahrheit gegeben, ohne einen andern Richter dabei zu Rathe zu ziehen, welcher doch allein der Lehrer aller Wahrheit seyn muͤßte, — nehmlich die gesunde Vernunft. Aber gesetzt, wir wollten einmahl obigen unpsychologischen Satz von der Communication unsichtbarer Geister, welchen so viele gescheidte Koͤpfe, — freilich zum Erstaunen des gesunden Menschenverstandes, — geglaubt haben, annehmen; so entsteht hierbei wieder die sehr schwierig zu beantwortende Frage: wie koͤnnen wir von hoͤhern Geistern in blos zufaͤlligen Begebenheiten unseres Lebens Unterricht erhalten, da sie zufaͤllige Dinge, so wenig wie wir wissen koͤnnen, oder wenn es uͤberhaupt nichts Zufaͤlliges giebt, wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/7
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/7>, abgerufen am 18.12.2024.