Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

1)wenn Gegenstände in Absicht des Orts, der Zeit, der Zahl, der Folge coexistiren.

2)Wenn, und so oft die Seele von Ursach auf Würkung und umgekehrt schließt, eben so vom Ganzen auf die Theile.

3)Vermöge des Contrasts.

Wenn es Zustände giebt, worin die Seele auf Jdeen fällt, die gar keinen Grund in den vorhergehenden haben, so liegt dies entweder an der gänzlichen Neuheit der Objecte, die unsere Organe berühren, oder an einem innern Sprung unserer Jmagination, die von der kleinsten Aehnlichkeit oft ganz anders modificirt wird, oder auch an einer eigenen Kraft der Seele aus sich Jdeen zu schaffen (die gar keinen Grund in andern Jdeen haben); obgleich diese Kraft noch nicht ganz erwiesen ist.

Wir denken uns eine Sache deutlich, wenn sich unsere Seele die Grade des Unterschiedes von andern Dingen gleichsam abzählt. Es gehört also zu jedem deutlichen Begriffe der Seele einige Zeit, die sie sich nimmt, jeneGrade sich nach einander vorzustellen, obgleich die Seele dieser Zeit wegen die Schnelligkeit ihrer Denkkraft nicht fühlt, um so viel weniger, da die Sprache durch ein für die Sache bestimmtes hörbares Wort die Seele schnell auf einen Punct zieht. Deutliche Begriffe sind eine angenehme Modifikation der menschlichen


1)wenn Gegenstaͤnde in Absicht des Orts, der Zeit, der Zahl, der Folge coexistiren.

2)Wenn, und so oft die Seele von Ursach auf Wuͤrkung und umgekehrt schließt, eben so vom Ganzen auf die Theile.

3)Vermoͤge des Contrasts.

Wenn es Zustaͤnde giebt, worin die Seele auf Jdeen faͤllt, die gar keinen Grund in den vorhergehenden haben, so liegt dies entweder an der gaͤnzlichen Neuheit der Objecte, die unsere Organe beruͤhren, oder an einem innern Sprung unserer Jmagination, die von der kleinsten Aehnlichkeit oft ganz anders modificirt wird, oder auch an einer eigenen Kraft der Seele aus sich Jdeen zu schaffen (die gar keinen Grund in andern Jdeen haben); obgleich diese Kraft noch nicht ganz erwiesen ist.

Wir denken uns eine Sache deutlich, wenn sich unsere Seele die Grade des Unterschiedes von andern Dingen gleichsam abzaͤhlt. Es gehoͤrt also zu jedem deutlichen Begriffe der Seele einige Zeit, die sie sich nimmt, jeneGrade sich nach einander vorzustellen, obgleich die Seele dieser Zeit wegen die Schnelligkeit ihrer Denkkraft nicht fuͤhlt, um so viel weniger, da die Sprache durch ein fuͤr die Sache bestimmtes hoͤrbares Wort die Seele schnell auf einen Punct zieht. Deutliche Begriffe sind eine angenehme Modifikation der menschlichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0061" n="61"/><lb/>
            <p rend="indention2">1)<hi rendition="#b">wenn Gegensta&#x0364;nde in Absicht des Orts, der                      Zeit, der Zahl, der Folge coexistiren.</hi> </p>
            <p rend="indention2">2)<hi rendition="#b">Wenn, und so oft die Seele von Ursach auf                      Wu&#x0364;rkung und umgekehrt schließt,</hi> eben so vom Ganzen auf die Theile.</p>
            <p rend="indention2">3)<hi rendition="#b">Vermo&#x0364;ge des Contrasts.</hi></p>
            <p>Wenn es Zusta&#x0364;nde giebt, worin die Seele auf Jdeen fa&#x0364;llt, die gar keinen Grund in                   den vorhergehenden haben, so liegt dies <hi rendition="#b">entweder</hi> an der                   ga&#x0364;nzlichen <hi rendition="#b">Neuheit</hi> der Objecte, die unsere Organe                   beru&#x0364;hren, <hi rendition="#b">oder</hi> an <choice><corr>einem</corr><sic>einen</sic></choice> innern <hi rendition="#b">Sprung</hi> unserer                   Jmagination, die von der kleinsten Aehnlichkeit oft ganz anders modificirt wird,                   oder auch <choice><corr>an</corr><sic>aus</sic></choice> einer                   eigenen Kraft der Seele <hi rendition="#b">aus sich</hi> Jdeen zu schaffen (die                   gar keinen Grund in andern Jdeen haben); obgleich diese Kraft noch nicht ganz                   erwiesen ist.</p>
            <p>Wir denken uns eine Sache <hi rendition="#b">deutlich,</hi> wenn sich unsere                   Seele die <hi rendition="#b">Grade</hi> des Unterschiedes von andern Dingen                   gleichsam <hi rendition="#b">abza&#x0364;hlt.</hi> Es geho&#x0364;rt also zu jedem deutlichen                   Begriffe der Seele einige Zeit, die sie sich nimmt, jene<hi rendition="#b">Grade                      sich nach einander</hi> vorzustellen, obgleich die Seele dieser Zeit wegen                   die Schnelligkeit ihrer Denkkraft nicht <hi rendition="#b">fu&#x0364;hlt,</hi> um so viel                   weniger, da die Sprache durch ein fu&#x0364;r die Sache bestimmtes ho&#x0364;rbares Wort die Seele                   schnell auf einen Punct zieht. <hi rendition="#b">Deutliche</hi> Begriffe sind                   eine angenehme Modifikation der menschlichen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0061] 1)wenn Gegenstaͤnde in Absicht des Orts, der Zeit, der Zahl, der Folge coexistiren. 2)Wenn, und so oft die Seele von Ursach auf Wuͤrkung und umgekehrt schließt, eben so vom Ganzen auf die Theile. 3)Vermoͤge des Contrasts. Wenn es Zustaͤnde giebt, worin die Seele auf Jdeen faͤllt, die gar keinen Grund in den vorhergehenden haben, so liegt dies entweder an der gaͤnzlichen Neuheit der Objecte, die unsere Organe beruͤhren, oder an einem innern Sprung unserer Jmagination, die von der kleinsten Aehnlichkeit oft ganz anders modificirt wird, oder auch an einer eigenen Kraft der Seele aus sich Jdeen zu schaffen (die gar keinen Grund in andern Jdeen haben); obgleich diese Kraft noch nicht ganz erwiesen ist. Wir denken uns eine Sache deutlich, wenn sich unsere Seele die Grade des Unterschiedes von andern Dingen gleichsam abzaͤhlt. Es gehoͤrt also zu jedem deutlichen Begriffe der Seele einige Zeit, die sie sich nimmt, jeneGrade sich nach einander vorzustellen, obgleich die Seele dieser Zeit wegen die Schnelligkeit ihrer Denkkraft nicht fuͤhlt, um so viel weniger, da die Sprache durch ein fuͤr die Sache bestimmtes hoͤrbares Wort die Seele schnell auf einen Punct zieht. Deutliche Begriffe sind eine angenehme Modifikation der menschlichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/61
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/61>, abgerufen am 24.11.2024.