Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.
Hiemit läugnen wir aber gar nicht, daß die Seele schon eine Modification zum Denken mit auf die Welt bringe, auch schon vor der Geburt des Körpers unzählige Vorstellungen; aber in einem andern Organe gehabt haben könne. Die ersten Grundbegriffe alles menschlichen Denkens, sind sinnliche Eindrücke auf unsere Organe. Es wird vielleicht nie entschieden werden, ob sie durch eine Art würklicher Jmpression, oder vermöge subtiler Schwingungen der Nerven der Seele bemerkbar werden. So fein auch jene Jmpressionen und Schwingungen angenommen werden, so wird es doch immer den Materialisten schwer werden, die Kraft des Denkens selbst daraus herzuleiten. Anfangs weiß das Kind von jenen Grundbegriffen weiter nichts, als daß etwas in ihm dadurch verändert wird, und in so fern ist es immer nur noch blos Thier. Das sich nach und nach entwickelnde Bewußtseyn ihrer Verhältnisse, die erstlich von aussen durch die Verschiedenheit sinnlicher Objecte, und zweitens von innen durch die Grade des Denkgefühls der Seele bemerkbar werden, macht hernach den großen Unterschied zwischen blos animalischer und animalisch-beseelter Natur aus.
Hiemit laͤugnen wir aber gar nicht, daß die Seele schon eine Modification zum Denken mit auf die Welt bringe, auch schon vor der Geburt des Koͤrpers unzaͤhlige Vorstellungen; aber in einem andern Organe gehabt haben koͤnne. Die ersten Grundbegriffe alles menschlichen Denkens, sind sinnliche Eindruͤcke auf unsere Organe. Es wird vielleicht nie entschieden werden, ob sie durch eine Art wuͤrklicher Jmpression, oder vermoͤge subtiler Schwingungen der Nerven der Seele bemerkbar werden. So fein auch jene Jmpressionen und Schwingungen angenommen werden, so wird es doch immer den Materialisten schwer werden, die Kraft des Denkens selbst daraus herzuleiten. Anfangs weiß das Kind von jenen Grundbegriffen weiter nichts, als daß etwas in ihm dadurch veraͤndert wird, und in so fern ist es immer nur noch blos Thier. Das sich nach und nach entwickelnde Bewußtseyn ihrer Verhaͤltnisse, die erstlich von aussen durch die Verschiedenheit sinnlicher Objecte, und zweitens von innen durch die Grade des Denkgefuͤhls der Seele bemerkbar werden, macht hernach den großen Unterschied zwischen blos animalischer und animalisch-beseelter Natur aus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0059" n="59"/><lb/> bewußt ist, kann sie auch nichts von einander, selbst auf eine dunkele Art nicht von einander unterscheiden; folglich kann es auch keine <hi rendition="#b">angeborne</hi> Begriffe geben.</p> <p>Hiemit laͤugnen wir aber gar nicht, daß die Seele schon eine <hi rendition="#b">Modification</hi> zum Denken mit auf die Welt bringe, auch schon <hi rendition="#b">vor</hi> der Geburt des Koͤrpers unzaͤhlige Vorstellungen; aber in einem <hi rendition="#b">andern</hi> Organe gehabt haben koͤnne.</p> <p>Die ersten <hi rendition="#b">Grundbegriffe</hi> alles menschlichen Denkens, sind <hi rendition="#b">sinnliche</hi> Eindruͤcke auf unsere Organe. Es wird vielleicht nie entschieden werden, ob sie durch eine Art <hi rendition="#b">wuͤrklicher Jmpression,</hi> oder vermoͤge <hi rendition="#b">subtiler Schwingungen</hi> der Nerven der Seele bemerkbar werden. So fein auch jene Jmpressionen und Schwingungen angenommen werden, so wird es doch immer den Materialisten schwer werden, die Kraft des Denkens selbst daraus herzuleiten.</p> <p>Anfangs weiß das Kind von jenen Grundbegriffen weiter nichts, als daß etwas in ihm dadurch veraͤndert wird, und in so fern ist es immer nur noch blos Thier. Das sich nach und nach entwickelnde <hi rendition="#b">Bewußtseyn ihrer Verhaͤltnisse,</hi> die erstlich von aussen durch die Verschiedenheit sinnlicher Objecte, und zweitens von innen durch die Grade des Denkgefuͤhls der Seele bemerkbar werden, macht hernach den großen Unterschied zwischen blos animalischer und animalisch-beseelter Natur aus.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [59/0059]
bewußt ist, kann sie auch nichts von einander, selbst auf eine dunkele Art nicht von einander unterscheiden; folglich kann es auch keine angeborne Begriffe geben.
Hiemit laͤugnen wir aber gar nicht, daß die Seele schon eine Modification zum Denken mit auf die Welt bringe, auch schon vor der Geburt des Koͤrpers unzaͤhlige Vorstellungen; aber in einem andern Organe gehabt haben koͤnne.
Die ersten Grundbegriffe alles menschlichen Denkens, sind sinnliche Eindruͤcke auf unsere Organe. Es wird vielleicht nie entschieden werden, ob sie durch eine Art wuͤrklicher Jmpression, oder vermoͤge subtiler Schwingungen der Nerven der Seele bemerkbar werden. So fein auch jene Jmpressionen und Schwingungen angenommen werden, so wird es doch immer den Materialisten schwer werden, die Kraft des Denkens selbst daraus herzuleiten.
Anfangs weiß das Kind von jenen Grundbegriffen weiter nichts, als daß etwas in ihm dadurch veraͤndert wird, und in so fern ist es immer nur noch blos Thier. Das sich nach und nach entwickelnde Bewußtseyn ihrer Verhaͤltnisse, die erstlich von aussen durch die Verschiedenheit sinnlicher Objecte, und zweitens von innen durch die Grade des Denkgefuͤhls der Seele bemerkbar werden, macht hernach den großen Unterschied zwischen blos animalischer und animalisch-beseelter Natur aus.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/59>, abgerufen am 22.07.2024. |