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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

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dem Läufer zu Füßen, bittet, er soll für ihn bei seinem Herrn um Gnade flehen, und was des Unsinnes mehr ist. Darauf läuft er in der heftigen Gemüthsbewegung nach Hause, läßt sich etliche Bouteillen der hitzigsten Weine geben, trinkt sie aus, und arbeitet dabei bis spät in die Nacht hinein. Diese physischen und moralischen Angriffe konnten endlich Leib und Seele nicht mehr aushalten. Er wirft sich aufs Bette, schläft ein, erwacht aber bald in der heftigsten Raserei, wobei er immer wechselsweise von seinem vermeintlichen Vergehen, von seiner Furcht, deßhalb am Leben gestraft zu werden, und von seiner Geliebten spricht, von der er stets das Schnupftuch fest in seinen Händen gehalten haben soll. Nach etlichen Tagen legt sich die heftige Wuth, aber nicht die Raserei, sondern es verwandelte sich die Krankheit in eine völlige Hydrophobie, in der der unglückliche Mann, ohne am Ende ein Wort zu sprechen, nach einem fünf- bis sechstägigen Krankenlager den Geist aufgegeben hat.

Dies ist die Geschichte, so wie ich sie von denglaubwürdigsten Personen habe erfahren können, da die ganze Stadt in der Zeit (es war ohngefähr im November) davon voll war. Sollten einige Umstände der genauen Wahrheit nicht gemäß seyn, so will ich sehr wünschen, daß man sie berichtige, denn die Geschichte verdient es, und ist in der That merkwürdig. Jndem ich sie bekannt mache, glaube


dem Laͤufer zu Fuͤßen, bittet, er soll fuͤr ihn bei seinem Herrn um Gnade flehen, und was des Unsinnes mehr ist. Darauf laͤuft er in der heftigen Gemuͤthsbewegung nach Hause, laͤßt sich etliche Bouteillen der hitzigsten Weine geben, trinkt sie aus, und arbeitet dabei bis spaͤt in die Nacht hinein. Diese physischen und moralischen Angriffe konnten endlich Leib und Seele nicht mehr aushalten. Er wirft sich aufs Bette, schlaͤft ein, erwacht aber bald in der heftigsten Raserei, wobei er immer wechselsweise von seinem vermeintlichen Vergehen, von seiner Furcht, deßhalb am Leben gestraft zu werden, und von seiner Geliebten spricht, von der er stets das Schnupftuch fest in seinen Haͤnden gehalten haben soll. Nach etlichen Tagen legt sich die heftige Wuth, aber nicht die Raserei, sondern es verwandelte sich die Krankheit in eine voͤllige Hydrophobie, in der der ungluͤckliche Mann, ohne am Ende ein Wort zu sprechen, nach einem fuͤnf- bis sechstaͤgigen Krankenlager den Geist aufgegeben hat.

Dies ist die Geschichte, so wie ich sie von denglaubwuͤrdigsten Personen habe erfahren koͤnnen, da die ganze Stadt in der Zeit (es war ohngefaͤhr im November) davon voll war. Sollten einige Umstaͤnde der genauen Wahrheit nicht gemaͤß seyn, so will ich sehr wuͤnschen, daß man sie berichtige, denn die Geschichte verdient es, und ist in der That merkwuͤrdig. Jndem ich sie bekannt mache, glaube

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[56/0056] dem Laͤufer zu Fuͤßen, bittet, er soll fuͤr ihn bei seinem Herrn um Gnade flehen, und was des Unsinnes mehr ist. Darauf laͤuft er in der heftigen Gemuͤthsbewegung nach Hause, laͤßt sich etliche Bouteillen der hitzigsten Weine geben, trinkt sie aus, und arbeitet dabei bis spaͤt in die Nacht hinein. Diese physischen und moralischen Angriffe konnten endlich Leib und Seele nicht mehr aushalten. Er wirft sich aufs Bette, schlaͤft ein, erwacht aber bald in der heftigsten Raserei, wobei er immer wechselsweise von seinem vermeintlichen Vergehen, von seiner Furcht, deßhalb am Leben gestraft zu werden, und von seiner Geliebten spricht, von der er stets das Schnupftuch fest in seinen Haͤnden gehalten haben soll. Nach etlichen Tagen legt sich die heftige Wuth, aber nicht die Raserei, sondern es verwandelte sich die Krankheit in eine voͤllige Hydrophobie, in der der ungluͤckliche Mann, ohne am Ende ein Wort zu sprechen, nach einem fuͤnf- bis sechstaͤgigen Krankenlager den Geist aufgegeben hat. Dies ist die Geschichte, so wie ich sie von denglaubwuͤrdigsten Personen habe erfahren koͤnnen, da die ganze Stadt in der Zeit (es war ohngefaͤhr im November) davon voll war. Sollten einige Umstaͤnde der genauen Wahrheit nicht gemaͤß seyn, so will ich sehr wuͤnschen, daß man sie berichtige, denn die Geschichte verdient es, und ist in der That merkwuͤrdig. Jndem ich sie bekannt mache, glaube

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/56>, abgerufen am 24.11.2024.