Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite


Gerichte vor höchst gerecht, und auch den Tod durch die Hand der Obrigkeit vor höchst billig zu erkennen:
Jch unterwarf mich dermaßen Gottes Willen, und war so bereit und willig, solchen zu leiden, daß ich die eine Nacht vor Freuden davor nicht schlafen konnte. Jch hatte mir auch schon die Lieder in Gedanken bestimmt, die man mir beim Hinausführen singen sollte; v.g. Herzlich lieb hab ich dich o Herr! etc. Mit Fried und Freud ich fahr dahin etc. Herr, nur laß in Frieden etc. Jnsonderheit war ich bekümmert, ob sie mir auch zu Gefallen eine Aenderung treffen und das Lied: Nun bitten wir den heil'gen Geist etc., welches man sonst nach der Execution singet, vor der Execution zu meinem Troste und Erquickung würden singen lassen.

Wie ich schon eines guten Theils meines Verstandes also mochte beraubt seyn; so kam dieses noch dazu, daß ich einen Traum, der mir oftmahls geträumet, beinahe mit der That, die ich doch nur im Traume begangen, confundirt hätte. Jch war zweimahl in meinem Leben in Jena anno 1708 und 1711 gewesen, und habe mit keinem Menschen ein böses Wort geredet, vielweniger mich mit demselben in Zank oder Duell eingelassen, und doch hat mir nach der Zeit um ein Leichtes geträumet, als ob ich da einen Purschen im Duell erstochen, und als ob man mich aufsuche, so daß ich im Traume immer in Angst gewesen, entdeckt und erhascht zu werden.


Gerichte vor hoͤchst gerecht, und auch den Tod durch die Hand der Obrigkeit vor hoͤchst billig zu erkennen:
Jch unterwarf mich dermaßen Gottes Willen, und war so bereit und willig, solchen zu leiden, daß ich die eine Nacht vor Freuden davor nicht schlafen konnte. Jch hatte mir auch schon die Lieder in Gedanken bestimmt, die man mir beim Hinausfuͤhren singen sollte; v.g. Herzlich lieb hab ich dich o Herr! etc. Mit Fried und Freud ich fahr dahin etc. Herr, nur laß in Frieden etc. Jnsonderheit war ich bekuͤmmert, ob sie mir auch zu Gefallen eine Aenderung treffen und das Lied: Nun bitten wir den heil'gen Geist etc., welches man sonst nach der Execution singet, vor der Execution zu meinem Troste und Erquickung wuͤrden singen lassen.

Wie ich schon eines guten Theils meines Verstandes also mochte beraubt seyn; so kam dieses noch dazu, daß ich einen Traum, der mir oftmahls getraͤumet, beinahe mit der That, die ich doch nur im Traume begangen, confundirt haͤtte. Jch war zweimahl in meinem Leben in Jena anno 1708 und 1711 gewesen, und habe mit keinem Menschen ein boͤses Wort geredet, vielweniger mich mit demselben in Zank oder Duell eingelassen, und doch hat mir nach der Zeit um ein Leichtes getraͤumet, als ob ich da einen Purschen im Duell erstochen, und als ob man mich aufsuche, so daß ich im Traume immer in Angst gewesen, entdeckt und erhascht zu werden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0036" n="36"/><lb/>
Gerichte vor ho&#x0364;chst gerecht, und auch den                      Tod durch die Hand der Obrigkeit vor ho&#x0364;chst billig zu erkennen:</hi> Jch                   unterwarf mich dermaßen Gottes Willen, und war so bereit und willig, solchen zu                   leiden, daß ich die eine Nacht vor Freuden davor nicht schlafen konnte. Jch hatte                   mir auch schon die Lieder in Gedanken bestimmt, die man mir beim Hinausfu&#x0364;hren                   singen sollte; <hi rendition="#aq">v.g.</hi> Herzlich lieb hab ich dich o Herr!                   etc. Mit Fried und Freud ich fahr dahin etc. Herr, nur laß in Frieden etc.                   Jnsonderheit war ich beku&#x0364;mmert, ob sie mir auch zu Gefallen eine Aenderung treffen                   und das Lied: Nun bitten wir den heil'gen Geist etc., welches man sonst nach der                   Execution singet, vor der Execution zu meinem Troste und Erquickung wu&#x0364;rden singen                   lassen.</p>
            <p>Wie ich schon eines guten Theils meines Verstandes also mochte beraubt seyn; so                   kam dieses noch dazu, daß ich einen Traum, der mir oftmahls getra&#x0364;umet, beinahe mit                   der That, die ich doch nur im Traume begangen, <hi rendition="#b">confundirt</hi> ha&#x0364;tte. Jch war zweimahl in meinem Leben in Jena <hi rendition="#aq">anno</hi> 1708 und 1711 gewesen, und habe mit keinem Menschen ein bo&#x0364;ses Wort geredet,                   vielweniger mich mit demselben in Zank oder Duell eingelassen, und doch hat                         <choice><corr>mir</corr><sic>mich</sic></choice> nach der                   Zeit um ein Leichtes getra&#x0364;umet, als ob ich da einen Purschen im Duell erstochen,                   und als ob man mich aufsuche, so daß ich im Traume immer in Angst gewesen,                   entdeckt und erhascht zu werden.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0036] Gerichte vor hoͤchst gerecht, und auch den Tod durch die Hand der Obrigkeit vor hoͤchst billig zu erkennen: Jch unterwarf mich dermaßen Gottes Willen, und war so bereit und willig, solchen zu leiden, daß ich die eine Nacht vor Freuden davor nicht schlafen konnte. Jch hatte mir auch schon die Lieder in Gedanken bestimmt, die man mir beim Hinausfuͤhren singen sollte; v.g. Herzlich lieb hab ich dich o Herr! etc. Mit Fried und Freud ich fahr dahin etc. Herr, nur laß in Frieden etc. Jnsonderheit war ich bekuͤmmert, ob sie mir auch zu Gefallen eine Aenderung treffen und das Lied: Nun bitten wir den heil'gen Geist etc., welches man sonst nach der Execution singet, vor der Execution zu meinem Troste und Erquickung wuͤrden singen lassen. Wie ich schon eines guten Theils meines Verstandes also mochte beraubt seyn; so kam dieses noch dazu, daß ich einen Traum, der mir oftmahls getraͤumet, beinahe mit der That, die ich doch nur im Traume begangen, confundirt haͤtte. Jch war zweimahl in meinem Leben in Jena anno 1708 und 1711 gewesen, und habe mit keinem Menschen ein boͤses Wort geredet, vielweniger mich mit demselben in Zank oder Duell eingelassen, und doch hat mir nach der Zeit um ein Leichtes getraͤumet, als ob ich da einen Purschen im Duell erstochen, und als ob man mich aufsuche, so daß ich im Traume immer in Angst gewesen, entdeckt und erhascht zu werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/36
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/36>, abgerufen am 24.11.2024.