nun in den Kopf gesetzt. Man gab mir den Rath, daß ich mich aus dem Lande machte, -- es würde übel um meinen Kopf stehen, man würde aus meiner Sache einen Criminalproceß machen, mich in Verhaft nehmen u.s.w. Jch fing also an zu sorgen und zu überlegen: was thust du, bleibst du, oder entweichest du? Was dieser Pro- und Contrastreit mich ausgemergelt und matt gemacht, kann ich nicht beschreiben, und muß mich bis diese Stunde noch wundern, daß ich beim Leben und bei Verstande geblieben. Und da ich endlich schlüssig wurde fortzugehen, -- wohin wenden, welchen Ort erlesen, und was vor Mittel und Wege sollte ich dazu ergreifen? Wie sollte ich meine Sachen fortbringen? Sollte ich alles stehen und liegen lassen? Wie sollte ich alles so veranstalten, daß man es mir weder in meinem Hause anmerkte, noch auch diejenigen erführen, von denen ich in dem thörigten Wahn stand, daß sie einen flüchtigen Jesuiten arretiren und ihm nachsetzen würden, wenn er ohne ihr Vorbewußt davonginge. Das machte mir oft das Haupt so wüste, daß ich kaum manchmahl noch fühlte, daß ich noch einen Kopf hätte, oder als wenn Heu und Häckerling im Kopfe wäre. Jch schob es immer von einer Zeit zur andern auf, und da es endlich mein ganzer Ernst war, so wurde ich zwei- bis dreimahl daran gehindert. -- --
Die Zeit der Verhörung rückte mit der Michaeliswoche heran, und da hätte ich mich freilich
nun in den Kopf gesetzt. Man gab mir den Rath, daß ich mich aus dem Lande machte, — es wuͤrde uͤbel um meinen Kopf stehen, man wuͤrde aus meiner Sache einen Criminalproceß machen, mich in Verhaft nehmen u.s.w. Jch fing also an zu sorgen und zu uͤberlegen: was thust du, bleibst du, oder entweichest du? Was dieser Pro- und Contrastreit mich ausgemergelt und matt gemacht, kann ich nicht beschreiben, und muß mich bis diese Stunde noch wundern, daß ich beim Leben und bei Verstande geblieben. Und da ich endlich schluͤssig wurde fortzugehen, — wohin wenden, welchen Ort erlesen, und was vor Mittel und Wege sollte ich dazu ergreifen? Wie sollte ich meine Sachen fortbringen? Sollte ich alles stehen und liegen lassen? Wie sollte ich alles so veranstalten, daß man es mir weder in meinem Hause anmerkte, noch auch diejenigen erfuͤhren, von denen ich in dem thoͤrigten Wahn stand, daß sie einen fluͤchtigen Jesuiten arretiren und ihm nachsetzen wuͤrden, wenn er ohne ihr Vorbewußt davonginge. Das machte mir oft das Haupt so wuͤste, daß ich kaum manchmahl noch fuͤhlte, daß ich noch einen Kopf haͤtte, oder als wenn Heu und Haͤckerling im Kopfe waͤre. Jch schob es immer von einer Zeit zur andern auf, und da es endlich mein ganzer Ernst war, so wurde ich zwei- bis dreimahl daran gehindert. — —
Die Zeit der Verhoͤrung ruͤckte mit der Michaeliswoche heran, und da haͤtte ich mich freilich
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nun in den Kopf gesetzt. Man gab mir den Rath, daß ich mich aus dem Lande machte, — es wuͤrde uͤbel um meinen Kopf stehen, man wuͤrde aus meiner Sache einen Criminalproceß machen, mich in Verhaft nehmen u.s.w. Jch fing also an zu sorgen und zu uͤberlegen: was thust du, bleibst du, oder entweichest du? Was dieser Pro- und Contrastreit mich ausgemergelt und matt gemacht, kann ich nicht beschreiben, und muß mich bis diese Stunde noch wundern, daß ich beim Leben und bei Verstande geblieben. Und da ich endlich schluͤssig wurde fortzugehen, — wohin wenden, welchen Ort erlesen, und was vor Mittel und Wege sollte ich dazu ergreifen? Wie sollte ich meine Sachen fortbringen? Sollte ich alles stehen und liegen lassen? Wie sollte ich alles so veranstalten, daß man es mir weder in meinem Hause anmerkte, noch auch diejenigen erfuͤhren, von denen ich in dem thoͤrigten Wahn stand, daß sie einen fluͤchtigen Jesuiten arretiren und ihm nachsetzen wuͤrden, wenn er ohne ihr Vorbewußt davonginge. Das machte mir oft das Haupt so wuͤste, daß ich kaum manchmahl noch fuͤhlte, daß ich noch einen Kopf haͤtte, oder als wenn Heu und Haͤckerling im Kopfe waͤre. Jch schob es immer von einer Zeit zur andern auf, und da es endlich mein ganzer Ernst war, so wurde ich zwei- bis dreimahl daran gehindert. ——</p><p>Die Zeit der Verhoͤrung ruͤckte mit der Michaeliswoche heran, und da haͤtte ich mich freilich<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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nun in den Kopf gesetzt. Man gab mir den Rath, daß ich mich aus dem Lande machte, — es wuͤrde uͤbel um meinen Kopf stehen, man wuͤrde aus meiner Sache einen Criminalproceß machen, mich in Verhaft nehmen u.s.w. Jch fing also an zu sorgen und zu uͤberlegen: was thust du, bleibst du, oder entweichest du? Was dieser Pro- und Contrastreit mich ausgemergelt und matt gemacht, kann ich nicht beschreiben, und muß mich bis diese Stunde noch wundern, daß ich beim Leben und bei Verstande geblieben. Und da ich endlich schluͤssig wurde fortzugehen, — wohin wenden, welchen Ort erlesen, und was vor Mittel und Wege sollte ich dazu ergreifen? Wie sollte ich meine Sachen fortbringen? Sollte ich alles stehen und liegen lassen? Wie sollte ich alles so veranstalten, daß man es mir weder in meinem Hause anmerkte, noch auch diejenigen erfuͤhren, von denen ich in dem thoͤrigten Wahn stand, daß sie einen fluͤchtigen Jesuiten arretiren und ihm nachsetzen wuͤrden, wenn er ohne ihr Vorbewußt davonginge. Das machte mir oft das Haupt so wuͤste, daß ich kaum manchmahl noch fuͤhlte, daß ich noch einen Kopf haͤtte, oder als wenn Heu und Haͤckerling im Kopfe waͤre. Jch schob es immer von einer Zeit zur andern auf, und da es endlich mein ganzer Ernst war, so wurde ich zwei- bis dreimahl daran gehindert. — —
Die Zeit der Verhoͤrung ruͤckte mit der Michaeliswoche heran, und da haͤtte ich mich freilich
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/34>, abgerufen am 16.02.2025.
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